Camellia Sinensis wird zum Kultgetränk – Grüner Tee boomt – Zuweilen Belastungen durch Pestizide – Matcha-Tee in aller Munde
Ob ich morgen leben werde, weiß ich freilich nicht. Aber dass ich, wenn ich morgen lebe, Tee trinken werde, weiß ich gewiss“, sagte Gotthold Ephraim Lessing. Es ist nicht bekannt, welche Sorte er bevorzugte, aber wahrscheinlich kam sein Tee aus den klassischen Anbaugebieten Chinas: Anhui, Fujian und Yunnan. Tee stellt für viele Menschen ein unverzichtbares Getränk dar und so wird er auf der ganzen Welt angebaut und jeden Tag irgendwo geerntet. Wie ein grüner Gürtel schließt sich der Teeanbau um den Globus: Auf den Azoren, in der Schweiz, in England und in Neuseeland wird Camellia Sinensis angebaut, wenngleich auf recht kleinen Flächen.
Grün, weiß, schwarz – Tee schmeckt je nach Region, Verarbeitung und Reifegrad anders. Mittlerweile ist es das meistgetrunkene Getränk der Welt. Oder anders ausgedrückt: Jede Sekunde werden auf der Welt 118 000 Tassen Tee getrunken.
Teeläden vor Ort spüren diesen Trend. „Die Kunden sind gut informiert und haben ganz bestimmte Vorstellungen von ihrem Produkt“, sagt Angelika Reichle. Sie ist seit Jahrzehnten überzeugte Teetrinkerin und leitet gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Teegeschäft in Kirchheim. „Vor allem der Gesundheitsaspekt beim Grüntee interessiert die Leute“, sagt Reichle. Studien deuten positive Wirkungen des unfermentierten grünen Tees bei Herz- oder auch Krebserkrankungen an, besonders der japanische Sencha Gyokura mit seinem hohen Gehalt an Catechinen, denen antivirale, antibakterielle und sogar antikanzerogene Eigenschaften nachgesagt werden, wird genannt.
Doch der Geschmack von Grüntee ist gewöhnungsbedürftig. Fachfrau Reichle rät dazu, nicht gleich aufzugeben und sich langsam an das leicht grasige Aroma zu gewöhnen, indem man anfangs einen anderen aromatisierten Tee dazu mischt. „Auch der Tasse ein paar Früchte zuzugeben hilft“, gibt Reichle ihr Rezept für Grüntee-Anfänger weiter.
Auch ein großes Thema bei Teetrinkern ist die Belastung der Pflanze mit Pestiziden. „Die meisten Kunden fragen danach“, erklärt Margit Grüber, die „Tee Gschwendner“ in Esslingen führt. Der Filialist bereitet laut Grüber ständig aktuelle Infoblätter vor, die Kunden über Belastungen informieren. Gschwendner untersucht Chargen im eigenen Labor und nimmt schon mal eine Sorte aus dem Verkauf.
„Jasmintee zum Beispiel ist zur Zeit nicht einwandfrei zu bekommen“, sagt Grüber. Sie setzt wie ihre Kollegin aus Kirchheim auf Handelspartnerschaften mit Einzelimporteuren, die sich nur auf Tee konzentrieren. Grüber will keine Panik aufkommen lassen: „Tests auf Rückstände werden für gewöhnlich am trockenen ganzen Blatt durchgeführt“, sagt sie. Im Aufguss verblieben dann lediglich rund 20 Prozent der Belastung.
Beide Teehändlerinnen haben die Erfahrung gemacht, dass die Fragen nach Rückständen mehr im Fokus stehen als das Thema Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern. Sibylle Enderle erlebt das anders. „Für unsere Kunden sind Genuss und Produktionsbedingungen gleichermaßen Kaufmotivation“, sagt die Geschäftsführerin des Weltladens in Esslingen. Ausschließlich Bio-Qualitäten und fair gehandelte Ware stehen dort in den Regalen.
Wie kann man noch sicher sein, ein ordentliches Produkt zu bekommen? „Im Fachhandel“, sagen Reichle, Grüber und Enderle unisono. Dort könne man jederzeit nach Hintergrundinformationen fragen.
Im Deutschen Teeverband in Hamburg beobachtet man das wachsende Interesse am Tee sehr erfreut. „Tee wird mehr und mehr zum Kultgetränk, das auch jüngere Menschen anspricht“, sagt Verbandssprecherin Anne Lehmbrock. „Einen besonderen Hype erleben gerade Fancy-Tees wie Chai-Puccino – Tee mit aufgeschlagener Milch – oder Matcha Latte. Aber auch Klassiker wie English Breakfast Tee oder Ostfriesische Mischung erhalten mehr Aufmerksamkeit“, so Lehmbrock. Sie fügt hinzu: „Wir registrieren in den Metropolen der Welt trendige Locations, die Tees anbieten, wie chillige Tea-Lounges oder Nobel-Hotels mit ihren Five-o-Clock-Teas.“
Lehmbrock sieht das gewachsene Bedürfnis der Menschen nach Ruhe und Entschleunigung als Grund für das Tee-Revival. Auch die Bereitschaft, für ein edles Produkt mehr Geld auszugeben, steigt. „Da gehen schon mal 25 Euro für 100 Gramm über den Ladentisch“, schildert Grüber. So wie man sich zum Geburtstag oder zu einem Feiertag einen teuren Champagner leiste. Die hohen Preise seien durch die gleichen Kriterien wie beim Wein bedingt: „Solche Tees beziehen wir von kleinen Teegärten, die kleine, aber ausgelesene Mengen produzieren.“ In ist derzeit der japanische Matcha-Tee, der sehr gesund sein soll. Das feine giftgrüne Pulver entsteht, wenn das Teeblatt gemahlen wird. Das ist jedoch nichts für die schnelle Tasse: Zur richtigen Zubereitung gehören Zeit, ein Schneebesen und ein lockeres Handgelenk. Und die Lust, für Spitzenprodukte Spitzenpreise zu zahlen. bob / Fotos: Deutscher Teeverband
Info: www.teeverband.de