Abgestimmt!

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert, dass Lebensmittel künftig nicht mehr zu „Ramschpreisen“ angeboten werden. Sollten für Lebensmittel höhere Preise bezahlt werden?

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Lebensmittel teurer?

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Soforthilfe nach Vergewaltigung

Ruiter Medius-Klinik hilft Opfern sexualisierter Gewalt bei der Spurensicherung, auch wenn diese keine Anzeige erstatten

Es sind erschreckende Zahlen: Alle drei Minuten wird in Deutschland eine Frau Opfer sexueller Gewalt. Lediglich etwa fünf Prozent der Delikte werden angezeigt. Und nur wenige Frauen lassen sich – aus Angst oder Scham – medizinisch versorgen. Um den Opfern einer Vergewaltigung letzteren Schritt zu erleichtern, gibt es in der Medius-Klinik in Ruit jetzt die Möglichkeit einer medizinischen Soforthilfe. Fachleute helfen dabei, Spuren zu sichern und kümmern sich um eine psychosoziale Betreuung. Das Besondere an dem Angebot: Die Betroffenen müssen keine polizeiliche Anzeige erstatten. Die Beweise werden ein Jahr lang gesichert und können auch erst später gerichtlich verwertet werden.
„Damit gehören wir zu Vorreitern in der Region“, sagte der Landrat Heinz Eininger bei der Vorstellung des Gemeinschaftsprojekts, an dem außer den Medius-Kliniken Barbara Straub, die Beauftragte für Chancengleichheit der Stadt Esslingen, die Zentrale Kriminaltechnik des Polizeipräsidiums Reutlingen, die Beratungsstellen Wildwasser Esslingen und Kompass Kirchheim sowie Astrid Spurk, die Sozialhilfeplanerin des Landkreises Esslingen, mitgearbeitet haben. Nur im Kreis Ludwigsburg gibt es ein solches Angebot bereits. Im ganzen Land sind nach den Angaben Einingers elf Standorte geplant.
Im Kreis Esslingen wurden im Jahr 2020 insgesamt 313 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung angezeigt. Dazu zählen Vergewaltigung, sexuelle Übergriffe und sexuelle Belästigung. Zwischen 87 und 93 Prozent der Opfer seien Frauen. Männer seien zwar in der Minderheit, aber das neue Angebot in Ruit richte sich ausdrücklich auch an sie.
Nach dem Anstoß durch Kompass und Wildwasser sei sein Team sofort Feuer und Flamme für das Projekt gewesen, sagte Michael Burkhardt, der Chefarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe: „Uns geht es in erster Linie um die medizinische Versorgung von Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben. Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall und sollte fachärztlich versorgt werden.“
Die Opfer seien nach solchen traumatischen Erlebnissen völlig überfordert, berichtete die Assistenzärztin Hanna Sommer, die das Projekt in der Medius-Klinik forciert hat. Die Frage, ob sie den Vorfall der Polizei melden sollen, sei für viele ein riesiges Problem. Bei der medizinischen Untersuchung und der Spurensicherung gehe es erst einmal um Vertrauensbildung. Alle Schritte der Spurensicherung erfolgten in Absprache mit den Betroffenen. Ob sie gerichtlich gegen ihren Peiniger vorgehen wollen, könne jede oder jeder auch später entscheiden.
Auf die erschreckend hohe Dunkelziffer machte der Esslinger Oberbürgermeister Matthias Klopfer aufmerksam. Dieses niederschwellige Angebot sei eine Chance für vergewaltigte oder misshandelte Frauen und Männer, die nicht ein noch aus wüssten und sich erst einmal sortieren müssten. Klopfer verwies auf die Traumaambulanz in den Städtischen Kliniken in Esslingen, die eine ähnliche Anlaufstelle bilde. Das neue Projekt in Ruit nannte der OB ein Beispiel für das gute Miteinander der Krankenhäuser in Esslingen und im Landkreis. Genauso sieht es der Landrat Eininger: „Ein solches Vorhaben kann nur gelingen, wenn Kooperationen gebildet werden und gut aufeinander abgestimmt sind.“
Es brauche ein umsichtiges und sensibles Vorgehen, sagte Angelika Schönwald-Hutt, die Leiterin der Fachberatungsstelle bei Kompass Kirchheim. Um dies zu gewährleisten, hätten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Projektgruppe Qualitätsstandards entwickelt. Dazu zählten eine Verfügbarkeit rund um die Uhr, Behandlungsschritte unter einem Dach, ein gut informiertes Klinikpersonal, Fortbildungen und die Kooperation mit der Rechtsmedizin in Heidelberg. Denn an erster Stelle stehe die Gesundheit der Betroffenen und deren Stabilisierung, betonte Julia Gebrande, die Vorstandsmitglied bei Wildwasser Esslingen ist. Wichtig sei, dass sie aber auch nach der Spurensicherung und der medizinischen Betreuung nicht auf sich allein gestellt bleiben.
Eine Anschubfinanzierung für das Projekt leistet die Stiftung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen. Darüber hinaus bringen die Kooperationspartner laut Eininger viel Eigenleistung ein. Die Verhandlungen von Land und Krankenkassen für eine Kostenübernahme dauerten noch an.

hf / Foto: Ines Rudel


Zweiter Anlauf in Parksiedlung

Nach langer Planungszeit entstehen im Ostfilderner Stadtteil mehr als 120 Wohnungen – Manche Anwohner skeptisch

Im Osten des Ostfilderner Stadtteils Parksiedlung tut sich etwas. Rund zwölf Jahre nach den ersten Diskussionen nimmt das Baugebiet Parksiedlung Nord-Ost zwischen Danziger und Breslauer Straße Fahrt auf. Dort werden in den kommenden 30 Monaten fünf viergeschossige Häuser entstehen. Mitte 2024 sollen die ersten Bewohner einziehen.
Es geht derzeit eng zu in der Danziger Straße. Parkplätze auf der nördlichen Straßenseite sind abgebaggert, ein Bauzaun sperrt die Grube ab, die sich dort einige Meter tief auftut. Während sich Raupen durch die Erde wühlen, mancherorts der Untergrund verdichtet wird, schieben sich auf der Straße Lastwagen heran und warten darauf, mit dem Aushub beladen zu werden. „Wir realisieren das Projekt abschnittsweise von Osten her. Derzeit wird das Gelände für die Baugrube modelliert, gleichzeitig wird an der Hangsicherung gearbeitet. Dann können wir an den Rohbau der Tiefgarage und die Pfahlgründung für die Häuser gehen“, sagt Achim Geisbauer, der Geschäftsführer des Bauträgers Hofkammer-Projektentwicklung.
Im Gemeinderat sowie zwischen Anwohnern und der Verwaltung herrschte jahrelang Zwist. Zwar war die Notwendigkeit, in der Parksiedlung weiteren Wohnraum zu schaffen, unbestritten, zumal sich das Gelände auf dem lange brachliegenden Grundstück einer ehemaligen Gärtnerei am Hang zum Neckartal als unkompliziert für eine Erschließung anbot. Bewohner sorgten sich jedoch vor einem starken Andrang auf die öffentlichen Stellplätze. Zudem wurde ein Verlust an Wohnqualität, Aussicht und Grünflächen sowie Verschlechterung der Frischluftzufuhr durch die Bebauung befürchtet. Der Streit ging bis zum Verwaltungsgerichtshof Mannheim, der den Plan wegen unzureichenden Lärmschutzes kippte.
In der Folge beschloss der Gemeinderat mit großer Mehrheit einen zweiten, substanziell veränderten Bebauungsplan. Nun werden statt der einst geplanten Häuserzeilen fünf viergeschossige Häuser errichtet. Sie sollen über einer Tiefgarage mit 147 Stellplätzen gebaut werden und dank entsprechender Modellierung des Geländes den Ausblick kaum trüben. Es entstehen 124 Wohnungen – sieben mehr als ur­sprünglich. Der größte Teil des Geländes bis zur Breslauer Straße hinab soll unbebaut bleiben. Dort soll ein Grünzug etwa in Form einer Obstwiese entstehen. Die Grünfläche wird 8345 Quadratmeter umfassen, ein erheblicher Zugewinn gegenüber den zunächst vorgesehenen 3150 Quadratmetern. Öffentliche Parkplätze sollen nicht verloren gehen. Entlang der Danziger Straße werden künftig knapp 60 Parkplätze zu finden sein, einige mehr als zuletzt. Der Gastronomiebetrieb an der Breslauer Straße erhält die Möglichkeit, 28 Parkplätze einzurichten.
Nicht alle Anwohner sind von den Arbeiten entzückt. Einer, der seinen Namen nicht gedruckt sehen will, fürchtet, dass derzeit versucht werde „Tatsachen zu schaffen, die später schwer umkehrbar gemacht werden können“. Wie Monika Bader, Baubürgermeisterin der Stadt Ostfildern, indes bestätigt, ist der Bebauungsplan bereits seit etwas mehr als einem Jahr rechtskräftig. Die einzelnen Bauabschnitte würden nach und nach freigegeben. „Ende Februar wurde erstmals eine Teilbaufreigabe erteilt, zuletzt folgte eine Teilbaufreigabe für den Baugrubenverbau, die Bohrpfahlgründungen und die Tiefgarage“, sagt Bader. Für Mitte 2022 sei der Bau eines Stauraumkanals, eines Sammelkanals für Regenwasser mit großem Querschnitt, in der Danziger Straße geplant.
„Derzeit sind Baulärm und Schmutz auf der Straße sicher eine Belastung für die Anwohner. Wir verstehen, dass es manche ärgert. Aber die Kehrmaschine ist den ganzen Tag über im Einsatz, und bald schon gehen wir in den Rohbau, dann wird auch der Lärm von der Baustelle erträglich“, sagt Achim Geisbauer, der eine überschaubare Bauzeit verspricht.

pst / Foto: Peter Stotz


Aus für die Wirtschaftshilfe

Das Paradies für Bedürftige und Sammler in der Esslinger Altstadt ist bald Geschichte

Seit mehr als 70 Jahren hat die Stadt Esslingen eine „eigene Verkaufsstelle für Gebrauchswaren“. Damit ist sie wohl die einzige Kommune in Deutschland, die sich diesen Luxus leistet – noch. Denn die Stadt wird den Eigenbetrieb mit Ablauf des Jahres 2022 einstellen. Nach dem Betriebsausschuss hat auch der Gemeinderat die Entscheidung in seiner Sitzung in der Woche vor Weihnachten gebilligt.
„Diese Entscheidung ist nicht spontan gefallen, es war immer wieder im Gespräch und auf der Tagesordnung“, betont Finanzbürgermeister Ingo Rust. Fünf Jahre in Folge steckt der Betrieb in den roten Zahlen, für das kommende Jahr wird ein Defizit von 40 000 Euro erwartet. „So wichtig die Einrichtung lange war, dieses Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr und ist auf Dauer wirtschaftlich nicht tragbar“, sagt Rust über die Gründe. Dabei habe die städtische Wirtschaftshilfe nie angestrebt, Gewinne zu machen. „Ziel war und ist es, kostendeckend zu arbeiten“, so der Finanzbürgermeister.
Ende Dezember 2022 geht zudem der Leiter der Wirtschaftshilfe, Michael Jakob, in den Ruhestand. Vor 31 Jahren wurde er vom Rechnungsprüfungsamt hierher abbestellt und ist längst zu einer Institution geworden. „Das stellt eine echte Zäsur dar, denn er ist hier Herz und Seele. Die Wirtschaftshilfe lebt von seinem Engagement“, lobt Rust. Jakob habe sich immer wieder neue Modelle und Verkaufsideen überlegt, die jeweils einige Jahre auch gut liefen. So hat er etwa zusammen mit einem Fellbacher Händler Rücksendungen des Otto-Versandhandels weiterverkauft und war damit eine Art Vorreiter des Fabrikverkaufs. Doch irgendwann folgten die Firmen mit ihren großen Outlets. Bis zur Änderung des Gewährleistungsrechts vor gut zehn Jahren hatte Jakob auch viele Waren bei Ebay versteigert. Inzwischen bietet er nur noch sehr wenige Einzelteile über die Kleinanzeigen an.
Zu einem neuen Betätigungsfeld wurden dann die Haushaltsauflösungen, die bis heute sehr gut laufen. Die Wirtschaftshilfe wurde zum Profiteur des demografischen Wandels. Sie bietet einen Rundumservice an: Alles wird entrümpelt. Was von Wert ist, wird im Kaufhaus angeboten.
Corona sei ausdrücklich nicht der Grund für das Ende des Betriebs, sagt Ingo Rust. Auch wenn die Pandemie die Wirtschaftshilfe ebenfalls hart getroffen hat. Über sechs Monate war der Laden geschlossen. „Es hat für viel Frust gesorgt“, sagt Jakob. Die Verkäufer seien enttäuscht gewesen, weil sie ihre Sachen nicht los wurden und seien oft nicht mehr wiedergekommen. Im Ladengeschäft in der Sirnauer Straße 7 sei die 2-G-Regel eine Hürde. „Waren es früher 300 Kunden am Tag, kommen jetzt vielleicht noch 150“, berichtet der Leiter.
Die Wirtschaftshilfe war nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen worden, um dem florierenden Schwarzmarkt und dem Tauschhandel die Grundlage zu nehmen. Die raren Waren sollten nicht in dunklen Kanälen verschwinden, sondern ordentlich bezahlt und versteuert ihren Besitzer wechseln. Bis zur Wiedervereinigung war Esslingen die einzige Kommune, die sich einen solchen Gebrauchtwarenladen weiter leistete. Sozialkaufhäuser gab es auch in der ehemaligen DDR viele. Ob sie aber überdauert haben, habe er nie recherchiert, sagt Jakob. Historisch bedingt ist die Wirtschaftshilfe zwar bis heute im Finanzdezernat der Stadt angesiedelt, versteht sich aber doch als eine zutiefst soziale Einrichtung. Das gilt für das Sortiment, bei dem neben Schnäppchen auch echte Raritäten dabei sein können. Und es stimmt erst recht für die Mitarbeiter. So beschäftigt die Einrichtung auch Menschen, die aus dem normalen Arbeitsprozess herausgefallen sind. Mitunter kommen hier auch junge Leute zum Einsatz, die von der Bewährungs- oder der Jugendgerichtshilfe zu Arbeitsstunden verurteilt wurden.
Der Betrieb soll im nächsten Jahr normal weiterlaufen. „Aber mindestens zwei Monate vor dem Ende wird es einen ordentlichen Schlussverkauf geben“, verspricht Jakob.

pep / Foto: Roberto Bulgrin


Abgestimmt!

Tübingen will als erste Stadt in Deutschland eine Steuer auf Einwegverpackungen und -besteck einführen. Eine gute Idee?

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Steuer auf Einweg?

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Wandern mit Behinderung

Die Gemeinde Aichwald hat im Verbund mit dem Verein Remstal Tourismus einen neuen Rundweg konzipiert

Bei der Eröffnung des neuen Rundwanderweges waren sich die Anwesenden auf dem Wanderparkplatz in den Horben, zwischen Aichschieß und Schanbach gelegen, vor einigen Tagen sicher: Gewandert werde immer – auch im Dezember. Der Schurwald sei zudem ein wichtiges Naherholungsziel für Städter aus dem Raum Stuttgart und Esslingen. Und in Aichwald  ist die Strecke dezidiert auch für Menschen mit Gehbehinderung oder im Rollstuhl geeignet: Die Gemeinde und der Verein Remstal Tourismus haben den Rundweg barrierearm konzipiert.

Die Route verläuft vom Wanderparkplatz in Richtung Krummhardt, zurück durch Schanbach, am Spielplatz Schillerstraße vorbei und wieder zu den „Horben“. Rosafarbene Pfeile leiten auf den richtigen Weg, schließlich hat die Gemeinde bereits 16 andere Strecken ausgeschildert.  Den Anstoß für den 17. Rundweg hat der Verein Remstal Tourismus gegeben – und in Aichwald mit der Idee offene Türen eingerannt, zur Freude von Michael Scharmann, Vorsitzender des Vereins und Oberbürgermeister von Weinstadt. Ziel des Tourismusvereins sei es, das Remstal und  den Schurwald erlebbarer zu machen, erklärt Scharmann. Seit einiger Zeit ist dabei neben dem Thema Nachhaltigkeit auch die Barrierefreiheit  ins Bewusstsein gerückt. So ist die Remstal Touristinformation in Endersbach bereits entsprechend ausgestattet und zertifiziert worden. Nun folgten Wanderwege in Aichwald und in sieben weiteren Kommunen. Das geschieht auch mit Blick auf August 2022, wenn das Remstal Gastgeber des Deutschen Wandertages wird.

In Aichwald haben sich dabei die geografischen Bedingungen als Vorteil erwiesen: Ein Ausflug auf der Schurwaldebene  sei besser für Menschen mit Gehbehinderung geeignet als so mancher Wanderweg in den Remstal-Weinbergen, wo teilweise starke Steigungen überwunden werden müssen, erklärte Werner Bader, der Geschäftsführer des Vereins Remstal Tourismus. Dennoch war die Konzipierung knifflig, wie Aichwalds Bürgermeister Andreas Jarolim und  Verwaltungsmitarbeiterin Andrea Dippon, die für das Projekt verantwortlich zeichnet, berichten. So   musste die Wegeführung an manchen Stellen verändert werden, weil  sich Barrieren erst bei der Begehung vor Ort offenbarten.

Nun entspricht  der „Rundwanderweg für alle“  den Qualitätsstandards des Kennzeichnungssystems „Reisen für alle“. Dieses ist  von Betroffenen- und Tourismusverbänden erarbeitet worden. Die Kennzeichnung soll Menschen mit Handicap bei der Reisevorbereitung helfen. Detaillierte Informationen ermöglichen es, vorab festzustellen, ob ein Angebot den eigenen Ansprüchen und Bedürfnissen entspricht.

Der Aichwalder Rundwanderweg ist teilweise barrierefrei – und zwar für Menschen mit Gehbehinderung und Rollstuhlfahrer. So weist er nur wenige Steigungen von maximal sieben Prozent auf. Entlang der 4,4 Kilometer langen Tour gibt es viele Sitzgelegenheiten.  Außerdem ist der Weg überwiegend asphaltiert. Das bedeutet, bis auf wenige gepflasterte Abschnitte, dass der Weg „erschütterungsarm begeh- und befahrbar ist“, wie es im Bericht zum Prüfergebnis von „Reisen für alle“ heißt. Einschränkungen in Bezug auf die Barrierefreiheit bestehen allerdings. So gibt es kein öffentliches WC für Menschen mit Behinderung. Außerdem müssen zwei Straßen überquert werden, davon eine ohne Sicherung durch eine Ampelschaltung. Informationen in Brailleschrift oder einfacher Sprache für Menschen mit Sehbehinderung oder kognitiven Beeinträchtigungen sind nicht vorhanden.

  Der Bürgermeister Jarolim betont, dass der Weg  „wunderschöne Aussichten“ aufweist und Einkehrmöglichkeiten bereit hält. Wer Wissensdurst verspürt, kann ihn am Planetenweg, den der „Wanderweg für alle“ streift, löschen.  

Gg/Foto: Roberto Bulgrin


Auf den Fildern ist die Kuh vom Eis

Notvergabe des Bus-Linienbündels zwischen Aichtal und Filderstadt genehmigt –  Das kommt den Landkreis teuer

Weil  dem Unternehmen Omnibusverkehr Melchinger GmbH die Fahrer von der Fahne  gegangen sind, war der Busfahrplan auf den Fildern im Herbst ordentlich aus dem Takt geraten. Die Buslinien zwischen Filderstadt und Aichtal wurden gar nicht oder zu spät bedient, die Fahrgäste standen im Regen. Nachdem eine Reihe von anderen Unternehmen unter der Führung der Firma Schlienz-Tours kurzfristig eingesprungen waren, hat sich die Lage wieder normalisiert. Die Busse verkehren wieder zuverlässig und pünktlich.

„Seit 14 Tagen ist Ruhe“, stellte der Esslinger Landrat Heinz Eininger in der Sitzung des Kreistagsausschusses für Verwaltung und Finanzen in der vergangenen Woche fest. Die Ruhe hat ihren Preis: Weil der Landkreis zu einer Notvergabe für das Linienbündel gezwungen war, laufen während der fünfmonatigen Vertragsdauer pro Monat rund 120 000 Euro an Kosten   mehr auf, als es bei dem ursprünglich auf zehn Jahre ausgelegten Vertrag mit der Firma Melchinger der Fall gewesen wäre.

Immerhin gewinnt der Landkreis mit der kurzfristigen Notvergabe des Linienbündels an die bisher schon federführende Firma Schlienz-Tours Zeit, um eine Interimsvergabe vorzubereiten. Weil aber auch die auf zwei Jahre befristet ist, werden zusätzliche Kosten anfallen. Die Zwei-Jahres-Frist ist notwendig, um das vorgeschriebene europaweite Vergabeverfahren durchzuführen. Auf dessen Grundlage wird dann das Linienbündel 11 neu und dann auf  acht bis zehn Jahre vergeben. Erst wenn das geschehen ist, dürfte sich der Landkreis finanziell wieder in ruhigerem Fahrwasser bewegen.

Mitte November war die zuvor schon unbefriedigende Situation auf den von der Firma Melchinger bedienten Linien eskaliert. Am 16. November dann hatte der vom zuständigen Amtsgericht Esslingen bestellte vorläufige Insolvenzverwalter reinen Tisch gemacht. Seine Mitteilung an das Landratsamt, wonach das Unternehmen  sich nicht mehr in der Lage sieht, den Verkehr im Linienbündel 11 zu erbringen, machte der Hängepartie ein Ende.

Das Unternehmen ist schon der dritte Vertragspartner des Landkreises, der das Handtuch geworfen hat. Zuvor schon war die Firma Rexer aus dem Esslinger Nahverkehr ausgestiegen. Das in Grafenberg (Kreis Reutlingen) beheimatete Omnibusunternehmen Bader, das im Raum Nürtingen unterwegs gewesen war, hatte im Februar Insolvenz angemeldet.

Dass nun Witgar Weber, der Geschäftsführer des Verbands der baden-württembergischen Omnibusunternehmer, in einem Zeitungsinterview mit den Worten „wer Linien an Busunternehmen vergibt, die am billigsten fahren, muss sich über Probleme nicht wundern“, dem Landkreis  eine Mitschuld an dem Dilemma gegeben hat, ist im Ausschuss gar nicht gut angekommen. Er habe selten so etwas Inkompetentes von einem Lobbyisten gehört, ereiferte sich Bernhard Richter, der Fraktionschef der Freien Wähler. „Es ist schlichtweg unverschämt, was dieser Mann von sich gibt“, kommentierte er Webers Vorwurf, der Kreistag würde Dinge beschließen, ohne sie aus eigener Erfahrung zu kennen und dann aus dem Hörensagen darüber diskutieren. Auch Eininger wies Webers Kritik als „holzschnittartig“ zurück. Das Angebot des Busunternehmens sei kein Dumping-Angebot gewesen. „Die Vergabe ist nach EU-Richtlinien erfolgt. Wir mussten den Unternehmen den   Zuschlag erteilen. Wenn nicht, hätten wir jeden Vergabeprozess verloren“,  so der Kreischef.

Während auf den Fildern die Kuh vorläufig vom Eis scheint, ist die Diskussion über die künftige Rolle des  Nahverkehrs im Kreis Esslingen erst am Anfang. Bei der Fortschreibung des Nahverkehrsplans  für die kommenden fünf Jahre kündigten alle Fraktionen noch erheblichen Diskussionsbedarf an. Der Plan, so die Kritik, würde den Verkehr lediglich  verwalten und zeige keine überzeugende Zukunftsstrategien auf. 

Adt/Foto: Ines Rudel


Post für den Weihnachtsmann

Zwei Helfer von Santa haben  in Esslingen einen Briefkasten aufgestellt – Viele Briefe von Kindern landen darin

Man kann das Haus in der Magdeburger Straße in Esslingen eigentlich kaum übersehen, so hell strahlen die Weihnachtsmänner, Lichterketten und Schneemänner im Vorgarten. Und so kam es, dass sogar der Weihnachtsmann auf die bunten Lichter aufmerksam wurde, als er bei einem Spazierflug in seinem Rentierschlitten über Esslingen flog.

Kurzerhand meldete sich Santa daraufhin bei den Bewohnern Mathias und Denis Kegreiß. In der Zeit vor Weihnachten ist der Weihnachtsmann immer mächtig beschäftigt und braucht daher Hilfe, wenn er mit den Kindern auf der ganzen Welt in Kontakt treten möchte. Mathias und Denis Kegreiß hatten prompt eine gute Idee, wie sie Santa helfen könnten, und so stellten die beiden einen Briefkasten in ihrem Vorgarten auf. Dort können Kinder aus der Nachbarschaft ihre Briefe an den Weihnachtsmann abgeben, dachten die beiden.

Es kommt die Rentier-Luftpost

Das Besondere daran ist, dass  Santa mit Mathias und Denis Kegreiß zusammenarbeitet und jeden Brief beantwortet. „Wir sammeln die Briefe, und in der Nacht kommt die Rentier-Luftpost“, erklärt Mathias Kegreiß, der von der Idee sofort begeistert war. Durch seinen Beruf beim DRK Stuttgart wisse er, was die Pandemie  mit der Psyche von Kindern machen könne.  Da kam die Idee einer direkten Kontaktaufnahme mit dem Weihnachtsmann wie gerufen.

Die Rentiere bringen die Briefe an den Nordpol, wo der Weihnachtsmann den Kindern eine Antwort schreibt. Die kommt wiederum mit der  Rentier-Luftpost zurück in die Magdeburger Straße, von wo aus Denis und Mathias Kegreiß die besonderen Umschläge an die richtigen Adressen verteilen. „Santa selbst hat in der Vorweihnachtszeit immer sehr viel zu tun. Deshalb kann er die Briefe leider nicht selbst ausliefern, aber da helfen wir natürlich gern“, erklärt Denis Kegreiß, der tagsüber als Grafikdesigner arbeitet. So hat er Santa auch bei der Gestaltung der Briefumschläge  Tipps geben können, sodass diese nun ganz besonders aussehen.

Weil die Aktion  sehr starken Zulauf findet, haben die beiden mittlerweile auch Mathias’ Mutter Monika Fröhlke mit ins Boot geholt. „Wir hatten erwartet, dass vor allem Kinder aus unserer Straße den Briefkasten benutzen würden. Mittlerweile gibt es aber auch Briefe aus Ludwigsburg oder gar aus der Pfalz. „Solche Antworten muss die Post zu den Empfängern bringen“, verrät Denis Kegreiß, der versichert, dass trotzdem alle aus Santas Feder stammen. Manche der Kinder brauchen beim Schreiben an den Weihnachtsmann noch etwas Hilfe von ihren Eltern, schließlich sind einige erst drei oder vier Jahre alt. Dafür basteln und malen sie mit umso größerer Begeisterung – und haben viele Fragen:  „Wie kann der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten fliegen? Und wie passt er durch den Schornstein?“

Leuchtende Kinderaugen

Durch seine Antworten bringt Santa dann Kinderaugen zum Leuchten: „Meine Tochter ist im Glück mit Ihrem Brief vom Weihnachtsmann, vielen Dank“, bedankt sich eine Mutter über Social Media bei den fleißigen Helfern. Auch Frida Clauß hat sich sehr über ihre Antwort gefreut und den Brief strahlend gelesen, wie ihre Mutter Annika erzählt. Die beiden wohnen im Haus nebenan, und Frida war die erste, die dem Weihnachtsmann geschrieben hat, nachdem die Idee zu Beginn dieser seltsamen  Adventszeit aufkam.   „Mathias dekoriert das Haus, seit er elf ist“, erzählt Monika Fröhlke. „Und jedes Jahr kommt etwas Neues dazu.“ Da spielt  bestimmt auch eine Rolle, dass die Familie Verwandtschaft in den USA hat. Dort ist der Trend, das Haus weihnachtlich zu dekorieren, sehr weit verbreitet.

Im nächsten Jahr soll – ähnlich wie die Dekoration – auch der Briefkasten in der Magdeburger Straße weiterentwickelt werden. „Da werden wir uns noch ein paar Highlights einfallen lassen“, sagt Mathias Kegreiß. Die Rückmeldungen seien so positiv, dass bereits klar sei, dass man auch im nächsten Jahr als Teilzeit-Wichtel dem Weihnachtsmann helfen will. 

rk/Foto: Roberto Bulgrin


Abgestimmt!

Zur Eindämmung der Corona-Pandemie wird eine mögliche Impfpflicht ausgesprochen kontrovers diskutiert. Was meinen Sie, soll eine Impfung verpflichtend werden?

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Impfpflicht?

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Fortschritt statt Fehlzündungen

Der Landkreis Esslingen zeichnet drei Unternehmen mit dem Innovationspreis aus –  Sieger ist die Firma „Markt-Pilot“

Das Percussionensemble der Musikschule Filderstadt hat mit dem Stück „Transsiberian Railroad“ von Leander Kaiser im großen Sitzungssaal des Landratsamtes in Esslingen vor Kurzem das Rahmenprogramm für eine zugkräftige Veranstaltung geboten – die Verleihung des Innovationspreises 2021. Die mit insgesamt 30 000 Euro dotierte Auszeichnung ging an drei Unternehmen, die mit Pioniergeist, Erfindungsreichtum und Mut zum Fortschritt die Zugkraft der Wirtschaft in der Region erhalten wollen.

Der Preis: Seit 2003 wird der Innovationspreis im Zwei-Jahres-Rhythmus an kleine und mittlere Unternehmen mit Sitz im Landkreis Esslingen verliehen, die sich durch eine besondere Innovationskraft auszeichnen. In diesem Jahr gingen laut dem Landrat Heinz Eininger 44 Bewerbungen ein, 2019 waren es nur 23 Kandidaten gewesen. Aus diesem reichlichen Bewerberpool traf der Innovationsausschuss seine Auswahl. Elf Finalisten wurden bestellt, aus denen die ersten drei Preisträger rekrutiert wurden. Diese drei ausgezeichneten Betriebe, so erklärte Eininger, kreierten „beispielhafte Leistungen bei der Entwicklung neuer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen sowie innovative Handelskonzepte“. Sie lieferten als regionale Leistungsträger also „zündende Ideen für morgen“.

Der erste Preisträger: Fehlzündungen gab es keine. Alle 44 Teilnehmenden am Wettbewerb stünden für Qualität und Niveau, so Eininger. Zur Siegerin wurde schließlich die Firma „Markt-Pilot“ aus Esslingen gekürt, sie freut sich über 15 000 Euro Preisgeld. Das  2020 gegründete Start-up-Unternehmen mit seinen 38 Mitarbeitenden hat laut Laudator Heinz Fohrer vom Vorstand der Volksbank Esslingen  die auf Künstlicher Intelligenz basierende Softwarelösung „Price-Radar“ entwickelt. Mit Hilfe des Programms können Maschinenbauunternehmen Tabellen lieferbarer Ersatzteile abrufen, die nicht nach Kostengesichtspunkten, sondern nach einer markt- und faktenorientierten Preisgestaltung aufgelistet werden: „Alleinstellungsmerkmal der Software sind auch Algorithmen, die ausschließlich für maschinenbauspezifische Daten entwickelt wurden und deshalb deutlich bessere Ergebnisse erzielen.“   Die  Software sei „made in Esslingen“ und ein Großteil der Ingenieure des ausgezeichneten Unternehmens stamme  aus dem Umfeld der Hochschule Esslingen.

Der zweite und dritte Platz: Für Sportmuffel und Menschen mit einem gemütlicheren Lebensrhythmus hat der zweite Preisträger (10 000 Euro), die Firma „Sporlastic“ aus Nürtingen,  ein Konzept  entwickelt. Ihre  digitale Knieorthese kann eine Operation vermeiden und setzt  auf eine dynamische Entlastung. Erreicht wird diese durch zwei Bewegungssensoren und ein ausgetüfteltes Trainingsprogramm, wie der Laudator Christoph Nold von der IHK Esslingen-Nürtingen ausführte. Über den dritten Platz und ein Preisgeld von 5000 Euro freut sich die Firma „Premium Robotics“ aus Leinfelden-Echterdingen. Sie hat laut Laudator  Kai Scholze von der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen eine  Aufwälzgreiftechnik entwickelt, mit der Roboter zum Palettieren und Kommissionieren eingesetzt werden.

Der Festredner: Solche Ideen zünden, freute sich Burkhard Wittmacher. Der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen ging als Festredner auf den Transformationsprozess hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft ein. Diese Umwandlung sei der größte soziale und ökonomische Umbruch seit der Industrialisierung. Aber die Chancen auf ein erfolgreiches Gelingen  „könnten nicht besser sein“, meinte der Referent und verwies auf lokale Standortvorteile wie einen  umtriebigen  Mittelstand, Innovationskraft, die hohe Exportquote und eine erfolgreiche Forschungslandschaft.

Im Kreis Esslingen seien 14 Weltmarktführer zu Hause. Allerdings gebe es auch Hemmnisse auf dem Weg zu einer klimaneutralen, nachhaltigen Umwandlung: So könne es nicht sein, dass durch Bürgerentscheide Gewerbeflächen verhindert würden, um stattdessen Ackerflächen zu erhalten. Die Politik habe während der Coronakrise einen guten Job gemacht. Nun  sei es zwar Aufgabe des Staates, Rahmenbedingungen zu schaffen, aber dieser könne und dürfe nicht  alles vorgeben und  regeln. Das sei Sache der Wirtschaft.  Passend zu  Aufs und Abs in der Wirtschaft spielte das Percussionensemble aus Filderstadt „African Sketches“ von J. Kent Williams mit einem Wechsel aus sehr ruhigen und sehr dröhnenden Tonpassagen. 

sw/Foto: Roberto Bulgrin