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Die Linksabbiegespur kommt

Autofahrer sollen künftig aus der Schorndorfer Straße direkt in die Plochinger Straße Richtung Zell abbiegen können

Das Thema steht schon länger auf der kommunalpolitischen Agenda – nun hat der Mobilitätsausschuss des Esslinger Gemeinderats grünes Licht für eine Linksabbiegespur von der Schorndorfer Straße in die Plochinger Straße gegeben, die die stark frequentierte Verbindung zwischen dem Neckartal und dem Schurwald entlasten soll. Eigentlich sollte die Entscheidung bereits im Frühjahr fallen. Weil es damals im Ausschuss Zweifel gab, ließ man das Konzept nochmals von einem Gutachter untersuchen. Der kam nun zu dem Schluss, dass eine Linksabbiegespur an dieser Stelle nicht nur Vorteile bringt, aber „machbar ist und eine weitestgehende gute Verkehrsqualität aufweist“. CDU und FDP sehen ihre Bedenken bestätigt. Dennoch wurde das Projekt im Mobilitätsausschuss durchgewunken.
Als das Projekt im März aufs Tapet kam, hatte der städtische Verkehrsplaner Jasdeep Singh es so beschrieben: „Eine Linksabbiege-Möglichkeit aus der Schorndorfer Straße in die Plochinger Straße ist aktuell nicht gegeben. Dies führt dazu, dass die bestehende Linksabbiege-Möglichkeit aus der Schorndorfer Straße den überörtlichen Verkehr in die Hindenburgstraße leitet.“ Die Linksabbiegespur aus der Schorndorfer Straße in die Hirschlandstraße reiche in abendlichen Spitzenzeiten nicht aus. Wartende Fahrzeuge bilden „eine Stauschlange, die sich über die verfügbare Spur hinaus erstreckt und folglich die Geradeausspur in Richtung Oberhof blockiert“.
Die Ergebnisse externer Verkehrsplaner fasst die Stadt so zusammen: „Die Einrichtung eines Linksabbiegers aus der Schorndorfer Straße in die Plochinger Straße ist aus verkehrstechnischer Sicht leistungsfähig. In den höchstbelasteten Spitzenstunden ist mit einer Zunahme der Verlustzeiten für den Streckenabschnitt zwischen Hirschlandstraße und Ulmer Straße von knapp zehn Sekunden zu rechnen, was angesichts der städtebaulichen und verkehrsplanerischen Vorteile zumutbar erscheint.“ Nach der mehrheitlichen Zustimmung im Mobilitätsausschuss zur Variante 1 soll nun am Knotenpunkt Schorndorfer Straße und Plochinger Straße bergabwärts eine Linksabbiegespur entstehen – Kostenpunkt 200 000 Euro.
Im Ausschuss blieb das Projekt umstritten. Jürgen Menzel (Grüne) sah „keine großartige Verschlechterung für den Kraftfahrzeugverkehr, dafür Verbesserungen für den Rad- und Schulwegverkehr“. Heidi Bär (SPD) erklärte, man habe „eine Lösung für eine ganz komplexe Situation“ gefunden. Ein Wermutstropfen sei die Verlegung der Bushaltestelle an den Lammgarten. Hermann Falch (Freie Wähler) sah „nur graduelle Verbesserungen, aber gewisse Verschlechterungen in der Hauptverkehrszeit“. Dennoch stimme seine Fraktion zu. Tobias Hardt (Linke) fand die Lösung gut, weil sie den Menschen in der Hindenburgstraße und der Keplerstraße eine Verbesserung bringe.
Kritik kam von Sven Kobbelt (FDP): „Ich lese aus dem Gutachten der Verkehrsplaner keine nennenswerten Verbesserungen heraus, sondern nur Verschlechterungen an einigen neuralgischen Punkten. Mein Fazit lautet: Es ist betrieblich zwar machbar, aber nicht sinnvoll. Bei Kosten von 200 000 Euro sehe ich ein klares Einsparpotenzial.“ Diese Einschätzung teilte Tim Hauser (CDU): „Die Entscheidung für die Linksabbiegespur ist weder ökologisch noch ökonomisch. Es ist uns absolut unverständlich, warum hier hohe Finanzmittel eingesetzt werden, um im Ergebnis eine Verschlechterung für den Busverkehr, aber auch für Personen mit körperlichen Einschränkungen zu erreichen.“ Durch die Verlegung der Bushaltestelle müssten längere Fußwege in Kauf genommen werden. „Wenn es nur geringfügige Verbesserun­gen gibt, rechtfertigt das die Kosten nicht“, fand Hauser.
Baubürgermeister Hans-Georg Sigel sah das Anliegen, auch mit Blick auf die Herderschule „Autoverkehr aus der Hindenburgstraße rauszunehmen“. Verkehrsplaner Jasdeep Singh betonte: „Ziel dieser Maßnahme ist es nicht, den Autoverkehr schneller zu machen, sondern die Hindenburgstraße als Fahrradstraße zu stärken. Eine Bushaltestelle am Lammgarten ist ein Gewinn.“ Fazit: „Mehr können wir nicht anbieten.“

adi / Foto: Roberto Bulgrin


Keine Maultaschen mehr

Aichwalder Fleischwarenhersteller Rehm schließt Teile der Produktion – Ein Drittel des Personals muss gehen

Die Maultasche wurde für Rehm offenbar zur Bedrohung. Dabei war die schwäbische Spezialität aus der Produktion der Aichwalder eines ihrer Aushängeschilder, Rehm-Maultaschen gehörten zu den weitverbreitetsten in den Kühlregalen im Land. Doch ein gutes Geschäft lässt sich damit nach Angaben von Frank Roth, Geschäftsführer des Fleischwarenherstellers, nicht machen. Ende September hat Rehm den Produktionszweig eingestellt und ein Drittel des Personals entlassen, etwa 35 Personen.
Wie aus der Belegschaft zu hören ist, traf die Nachricht die Mitarbeiter unvorbereitet. Es herrsche Enttäuschung über die Kommunikation seitens der Geschäftsführung. Dazu will sich Frank Roth, der die Firma gemeinsam mit seinem Onkel Wolfgang Rehm leitet, nicht näher äußern. „Wir haben uns diese Entscheidung alles andere als leicht gemacht“, beteuert er. Ob es Abfindungen oder einen Sozialplan gebe, dazu sagt Roth nichts. Nur, dass es vornehmlich Mitarbeiter aus der Maultaschenproduktion getroffen und die Firma sich an alle gesetzlichen Vorgaben gehalten habe. Die Entscheidung und die Konsequenzen belasteten die Geschäftsführung auch persönlich. Insbesondere, dass Mitarbeiter entlassen wurden, schmerze.
Gewinnmargen bei Maultaschen seien wahnsinnig gering, erklärt der Rehm-Chef. Und die Entwicklungen bei Rohstoff- und Energiepreisen der vergangenen Monate taten seiner Schilderung zufolge ihr übriges: Alles, vom Ei, über Gemüse und Gries bis hin zum Fleisch sei teurer geworden. Hinzu kamen die Steigerungen der Energiepreise, die auch von Lieferanten durchgereicht worden seien. Auf der anderen Seite sei es aber nicht gelungen, diese zusätzlichen Kosten in diesem Maße an die Kunden weiterzugeben. „Wenn man dann auch noch ein Produkt hat, dass ohnehin geringe Gewinnmargen hat, dann ist es relativ schnell unwirtschaftlich“, so Roth. Das Geschäft sei „zur Bedrohung des gesamten Unternehmens“ geworden.
In der Sandwichposition zwischen steigenden Preisforderungen weniger großer Schlachtbetriebe, die nicht an die wenigen großen Kunden im Lebensmittelhandel weitergegeben werden können, befindet sich nicht nur Rehm, wie Thomas Vogelsang erklärt, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Wurst- und Schinkenproduzenten. Die Fleischwarenhersteller seien in der Regel kleinere familiengeführte Betriebe. Einige hielten in den vergangenen 20 Jahren dem Wettbewerb nicht stand, die Zahl der Verbandsmitglieder reduzierte sich von 180 auf 120. Vogelsang sind keine aktuellen Geschäftsaufgaben bekannt. Doch infolge der steigenden Inflation seien Käufer zurückhaltender geworden. „Dann lösen Gaspreise erhebliche Sorgen aus. Die Produktion ist sehr energieintensiv durch notwendige Kühl- und Erhitzungsprozesse.“ Wenn nicht schnell Entlastungen kämen, sei das existenzgefährdend.
Rehm hatte seit 1978 Maultaschen hergestellt. Welchen Umsatzanteil sie am Ende ausmachten, will Roth nicht preisgeben. Auch die Frage, ob die Sparte an Mitbewerber verkauft werde, ließ er unbeantwortet. Künftig fokussiere Rehm sich auf die Produktion von Fleischkäse und Dosenwurst. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht entlassen wurden, müssten sich keine Sorgen machen. Eine Insolvenz wie 2019 steht Roth zufolge nicht im Raum. „Wir haben die Maßnahmen getroffen, die wir treffen mussten“, so Roth. Man hoffe, dass man so erfolgreich weitermachen könne. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurde der Betrieb saniert. Die Zahl der Mitarbeiter war damaligen Angaben zufolge fast gleich geblieben. Es habe wenige Kündigungen gegeben, doch wurde auf Zeitarbeiter verzichtet, die zuvor 10 bis 15 Prozent des Personals ausgemacht hatten.

gg / Foto: Roberto Bulgrin


Kampf um jedes Kilowatt

Steigende Preise für Strom, Gas und Rohstoffe setzen Bäcker auch im Landkreis Esslingen unter Druck

Willst du guten Kuchen backen, musst du haben teure Sachen: „Eier, Hefe, Mehl und Zucker sind preislich deutlich gestiegen“, sagt Bäckermeister David Cnossen, der Inhaber der gleichnamigen Bäckerei in Esslingen. Für das Gas zahle er derzeit das Dreifache im Vergleich zum Juni dieses Jahres. „300 Prozent Preissteigerung kann man nicht kompensieren“, klagt er.
Kein Einzelfall. Die Bäckereien im Landkreis Esslingen sind gezwungen, mit Sparmaßnahmen auf Energiekrise und Inflation zu reagieren. Um die Kunden nicht zu vertreiben, könne man die gestiegenen Kosten nicht komplett durch Preissteigerungen kompensieren. „Ich habe Stammkunden, die kaufen seit zehn Jahren jeden Tag dasselbe – die merken sofort, wenn die Preise steigen“, sagt David Cnossen. Mit welchen Maßnahmen versuchen die Bäckereien im Kreis, ihr Handwerk kostengünstiger zu betreiben?
Cnossen hat in den vergangenen Jahren bereits viel investiert: Mit einer nahezu vollständigen Umstellung auf LED-Beleuchtung und energieeffizienteren Backöfen habe er seinen Energieverbrauch gedrosselt. Sein Dach habe er mit Photovoltaikanlagen bedeckt. Damit könne er jedoch nur 20 Prozent des Stromverbrauchs abdecken. Und alle Umstellungen würden nicht ausreichen, um die gestiegenen Kosten zu kompensieren. Hinzu komme, dass er durch seine Investitionen offene Kredite habe. Seine betrieblichen Rücklagen seien weg. Eine Reduzierung des Sortiments komme für ihn derzeit noch nicht infrage. Jedoch werde regelmäßig nachkalkuliert, um die Restbestände nach Ladenschluss so gering wie möglich zu halten.
Frank Schultheiß, der mit seinem Cousin Christian Schultheiß die gleichnamige Stadtbäckerei mit Sitz in Ostfildern und mehr als 20 Filialen in der Region führt, muss in größeren Maßstäben kalkulieren. Hier geht es verstärkt um die Optimierung von Prozessen. In allen Filialen werde auf Leuchtreklame verzichtet, was laut Schultheiß jedoch einen verschwindend kleinen Anteil des Stromverbrauchs ausmache. Eine Vielzahl an Maßnahmen sei nötig. Die Temperatur in den Innenräumen sei abgesenkt worden. Derzeit würden alle Räumlichkeiten auf LED-Beleuchtung umgestellt. Öfen und Kälteanlage würden modernisiert. Und es gebe Anpassungen im Angebot: Zwar bislang ohne Sortimentskürzungen, doch die Produktionsmengen würden gesteuert. Für den Kunden kann das bedeuten: Wer zu spät einkauft, bekommt eventuell nicht genau das, was er oder sie möchte.
Jörg Zoller, einer von zwei Geschäftsführern vom Esslinger Backhaus Zoller, kündigt für Oktober Preissteigerungen zwischen fünf und zwölf Prozent in den über 20 Filialen an – abhängig vom jeweiligen Produkt. Vor allem die Strompreise würden ihnen derzeit zu schaffen machen, da sie in den Filialen mit elektrischen Öfen „Zollis“ und Laugengebäck frisch backen. Inzwischen werde unter der Woche morgens darauf verzichtet, Laugenpeitschen zu backen. „Die Stromkosten sind um 100 Prozent gestiegen. Ich bin optimistisch, dass wir die Krise meistern, aber wir befinden uns in einer Phase, die unsere Branche bisher so noch nie hatte“, sagt Jörg Zoller. Die Vielzahl negativer Faktoren machte eine sichere Planung unmöglich.
Dank eines günstigen Gasvertrags hielten sich diese Preissteigerungen noch in Grenzen. Er habe aber Angst davor, dass die Gasversorger die Verträge kündigen könnten. „Wenn das Gas ausbleibt, dann produzieren wir schlicht nicht mehr.“ Auch bei ihnen gebe es bereits Veränderungen im Sortiment. Dies liege aber in erster Linie an den gestiegenen Rohstoffpreisen.
Welche Unterstützung David Cnossen sich von der Politik wünscht? „Ich will nichts geschenkt. Günstige Förderkredite zu den Konditionen von vor einem Jahr würden schon helfen. Ich weiß nicht, ob ich sie in Anspruch nehmen würde, aber es geht einfach darum, dass ein Notfallplan existiert.“ Er sei jetzt Mitte 40 und habe ein kleines Kind. Das nächste sei auf dem Weg, erzählt er. „Den Laden einfach zuzumachen, kommt für mich nicht infrage.“

ff / Foto: Roberto Bulgrin