Auf dem Uno-Weltnaturgipfel haben sich rund 200 Staaten verständigt: Mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen sollen bis 2030 unter Schutz stehen. Wird dieses ambitionierte Ziel erreicht?
Viele geflüchtete ukrainische Frauen und Kinder müssen Heiligabend auf ihre männlichen Familienmitglieder verzichten
Zweimal im Jahr Weihnachten feiern – das klingt nach einem Traum vieler Kinder. Für Familie Hnativ ist das bittere Realität: Das erste Mal feierte die Familie Weihnachten am 7. Januar 2022 nach dem julianischen Kalender in der Ukraine, unbekümmert, ohne den bevorstehenden Krieg zu erahnen. Das zweite Weihnachten in diesem Jahr wird sie am 25. Dezember nach dem gregorianischen Kalender feiern – aufgrund des Krieges jedoch getrennt. Svitlana Hnativ feiert mit ihrem Sohn und ihrer Mutter in Stuttgart; ihre Brüder mit deren Familien und ihr Vater sind in der Westukraine. Ähnlich zerrissen sind viele Familien, die von Kriegen in die Flucht getrieben wurden oder diesen fast schutzlos ausgeliefert sind. Die 36-jährige Svitlana Hnativ schaut auf ihrem Smartphone wehmütig die Bilder vom Januar an. An Heiligabend ist die Familie, feierlich in Tracht gekleidet, um den Tisch im Haus der Eltern in Polyany, einem kleinen Ort in der Nähe von Lwiw, vereint. Auf dem Tisch stehen zwölf Speisen, angerichtet im Festtagsgeschirr. Ein glückliches Familienfoto. Damals ahnt niemand von ihnen, dass sie das nächste Weihnachten getrennt sein werden. Als Svitlana mit ihrer Mutter Sophia und ihrem Sohn Danylo Anfang März nach Stuttgart flieht, hat sie nur wenig Gepäck dabei. Schließlich ist die Hoffnung groß, bald wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Mit dem Essen werde an Heiligabend traditionell gewartet, bis der erste Stern am Himmel zu sehen ist, erklärt Sophia Hnativ. Bevor jedoch gegessen wird, breiten die Männer unter normalen Umständen Heu im Wohnzimmer aus – ein Hauch der Umstände von Christi Geburt. Anschließend beten alle gemeinsam, der Familienälteste zündet eine Kerze an. „Dann nimmt jeder seinen Löffel. Diesen darf man erst wieder ablegen, wenn man alle zwölf Speisen gegessen hat. Legt man ihn davor ab, wird einem das ganze Jahr der Rücken weh tun“, erzählt Svitlana Hnativ von ihrer speziellen Familientradition. Nach dem Essen werden Weihnachtslieder gesungen. Und es folgen weitere Traditionen: Abends ziehen Jugendliche von Tür zu Tür und singen Weihnachtslieder, bei „Vertep“ führt eine Gruppe Erwachsener ein Krippenspiel auf. Am späten Abend trifft sich dann das ganze Dorf in der Ortsmitte, neben Weihnachtsbaum und Krippe wird gesungen. „Im Haus bleiben die Gerichte für die Seelen der Verstorbenen auf dem Tisch stehen. Erst am nächsten Morgen räumen wir sie ab“, berichtet die 59-jährige Sophia Hnativ. Am ersten Weihnachtsfeiertag geht die Familie morgens in die Kirche. Drei Tage wird nun gefeiert, bevor der Familienälteste das Heu wieder aus dem Haus bringt. Ohne Heu, aber mit den zwölf Gerichten und vielen Liedern wollen Sophia, Svitlana und Danylo Hnativ ihr erstes Weihnachten in Deutschland feiern. Die ukrainische griechisch-katholische Kirche Stuttgart hat die Familie und andere eingeladen, die Weihnachtszeit gemeinsam zu verbringen. Mit den Männern wird man, wenn es die Stromversorgung in der Ukraine zulässt, per Video zusammenkommen. Svitlana Hnativs Brüder mit den Familien und ihr Vater werden sich in kleiner Runde in Polyany treffen. Die Schwägerin wird die zwölf Speisen zubereiten. Svitlana Hnativ ist froh, dass keiner ihrer Lieben im Krieg kämpfen muss. Ihre Brüder und ihr Vater unterstützen vor Ort, wo Hilfe benötigt wird, zum Beispiel nehmen sie Binnenflüchtlinge auf. Allein bei dem Gedanken an das getrennte Weihnachtsfest kommen den beiden Frauen die Tränen. Und trotzdem: „Wir danken Gott, dass alle Mitglieder der Familie am Leben und gesund sind und dass wir überhaupt Weihnachten feiern können“, sagt Sophia Hnativ. „Mit dem Herzen sind wir zu Hause, und dennoch freuen wir uns auf Weihnachten hier“, ergänzt ihre Tochter. Ihr Dank richtet sich an „die deutschen Bürger“, die Kirchengemeinde und an direkte Unterstützer. Sophia Hnativ sagt aber auch: „Dieses Jahr feiern wir Weihnachten in der Hoffnung, dass wir nächstes Jahr wieder alle gemeinsam in der Ukraine vereint an einem Tisch sind.“
Info: Helfer, Spendensammler und -vermittler für Menschen in der Ukraine oder auf der Flucht gibt es in der Region etliche. Darunter Kommunen wie die Stadt Esslingen, Kirchengemeinden, Hilfsorganisationen und private Initiativen. „Yes! Ehrenamt-Initiative Esslingen“ sucht etwa zur Unterstützung von Flüchtlingen Dolmetscher.
Der Kreis Esslingen wird 50 Jahre alt, die Kreissparkasse 175 – In einem Buch werden beide Jubilare gewürdigt
Hätten Sie’s gewusst? 839 Menschen leben rein rechnerisch auf einem Quadratkilometer im Landkreis Esslingen, hier gibt es 220 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und 800 000 Streuobstbäume. 3811 Kunstwerke umfassen die Kunstsammlungen der Kreissparkasse sowie der Kreisverwaltung. Und 618 Kilometer Länge entsprechen die in einem Jahr als Verbandsmaterial benötigten Binden an den drei Standorten der kreiseigenen Medius-Kliniken, würde man sie aneinanderreihen. Diese und weitere wissenswerte Fakten sind in einem eigens herausgegebenen Buch zusammengetragen, das zwei runde Jubiläen vereint: Im kommenden Jahr begeht der Landkreis Esslingen sein 50-jähriges Bestehen, die Kreissparkasse (KSK) Esslingen-Nürtingen kann auf eine 175-jährige Geschichte blicken. Und weil beide Institutionen nicht nur geschichtlich eng miteinander verbunden sind, wird 2023 auch gemeinsam gefeiert: Ein Jubiläumsjahr voller Programm erwartet die Bewohnerinnen und Bewohner des Kreises. Die Planungen dafür laufen auf Hochtouren. Der Auftakt indes ist bereits gemacht: Das Buch zum Doppeljubiläum haben Landrat Heinz Eininger und Burkhard Wittmacher, der Vorstandsvorsitzende der KSK, kürzlich voller Stolz präsentiert. Gut eineinhalb Jahre Arbeit stecken in dem Druckwerk, das kein historischer Rückblick, sondern eine Art Lesebuch ist. „Es zeigt die Verbundenheit von Landkreis und Kreissparkasse und die Verbundenheit beider mit den Menschen hier“, betonen Eininger und Wittmacher. Auf 180 Seiten werden beispielhaft Themen aus Kommunalpolitik, Leben, Umwelt, Gesundheit, Bildung, Arbeit, Tourismus und Kultur aufgegriffen – „aus ungewöhnlichen Perspektiven und mit leichter Feder geschrieben“, fügt Eininger hinzu. Dafür würden die fünf Autoren stehen, die allesamt als langjährige Journalisten im Kreis unterwegs waren und „beeindruckende, bewegende und berührende Geschichten zu Papier gebracht haben“. Zusammen mit vielen großformatigen Bildern des Nürtinger Fotoateliers Ebinger werde so deutlich, was den Landkreis Esslingen ausmache: seine wirtschaftliche Stärke, seine faszinierende Landschaft, sein kultureller Reichtum, sein gesellschaftlicher Zusammenhalt und vor allem seine Menschen. Erzählt werden zum Beispiel die Geschichten von Feuerwehrfrau Daniela Lohrmann aus Neckartenzlingen, vom Owener Schäfer Jörg Schmid, von Diakonissin Renate Mosch aus Kirchheim sowie von Matti Zeh, der sich in Esslingen ehrenamtlich um Demenzkranke kümmert. Erzählt wird aber auch von Burgen und Museen, von Messe und Flughafen, von Filderkraut und Steillagenweinbau, von Weltmarktführern und Familienbetrieben, von internationalen Partnerschaften und lokalen Kooperationen. „Dieses Buch macht sich auf Spurensuche nach dem Wesen des Landkreises“, sagt Eininger, der das umfangreiche Werk Einheimischen wie Zugezogenen gleichermaßen ans Herz legt. Für ihn ist es zugleich „ein ideales Repräsentationsgeschenk“. 2000 Exemplare wurden in erster Auflage gedruckt. Das Buch „50 Jahre Landkreis Esslingen. 175 Jahre Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen“ ist im Buchhandel zum Preis von 24,90 Euro erhältlich. Eine Übersicht über die geplanten Veranstaltungen ist auf der eigens initiierten Internetseite www.jubilaeum2023.de zu finden.
Lange Schlangen, langer Antragsstau: Damit war der Esslinger Bürgerservice Einwanderung in die Schlagzeilen gerückt – Die Situation hat sich verbessert
Donnerstagmorgen, 8 Uhr: Rund 60 Menschen haben sich in die Schlange vor dem Esslinger Bürgeramt eingereiht. Rote Pylonen und ein paar Ordnungskräfte leiten die Wartenden in kleineren Gruppen in den ersten und zweiten Stock. Dort wartet eine Mitarbeiterin des Ausländeramts, das seit ein paar Monaten Bürgerservice Einwanderung heißt. In den vergangenen Wochen hat es intensiv daran gearbeitet, diesem Namen irgendwann auch gerecht werden zu können. Die Mitarbeiterin nimmt die Kundinnen und Kunden in Empfang und verteilt sie je nach Anliegen und Anfangsbuchstaben auf rund zehn Zimmer. Vor denen warten sie dann abermals, bis sie an der Reihe sind. Denn in den jeweiligen Zimmern finden sie einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin speziell für ihre Belange. „Ein Quantensprung“ – so bewertet der Esslinger Sozialamtsleiter Marius Osswald die Umstrukturierungen und deren Folgen für die Betroffenen. Noch im Oktober hatte die 90 000-Einwohner-Stadt, in der rund 25 000 Ausländer leben, mit ihrer Ausländerbehörde Negativschlagzeilen gemacht. Mails, Kontaktformulare und Anrufe liefen ins Leere. Die Betroffenen warteten monatelang auf eine Reaktion – und noch viel länger auf einen Termin. Mit teilweise fatalen Folgen. Auch die anderen Ausländerbehörden im Land sind überlastet, hatte eine SWR-Umfrage im Sommer ergeben. Grund seien der Krieg in der Ukraine, die Mehrbelastungen und der Personalmangel. Dennoch waren die Probleme in Esslingen besonders eklatant. Mehr als 100 Menschen reihten sich am einzigen offenen Sprechtag in der Woche teils schon in den frühen Morgenstunden in einer Schlange im Freien ein, um überhaupt an das Amt heranzukommen. Bis einem Esslinger der Geduldsfaden riss, als seine Lebensgefährtin aus Kenia ihre neue Stelle wegen eines fehlenden Stempels nicht antreten konnte. Seine Online-Petition, die für Kundschaft und Mitarbeitende „unzumutbare Situation“ in der Ausländerbehörde endlich anzugehen, unterschrieben mehr als 300 Menschen. Die Kommentare dazu berichteten von Menschen, denen wegen fehlender Dokumente der Verlust von Wohnung und Arbeitsplatz drohte oder die gar nicht erst anfangen konnten zu arbeiten. Oder die ihre Familien im Ausland nicht besuchen konnten. Wie bei dem ebenfalls kritisierten Bürgeramt, das mittlerweile ebenfalls große Schritte nach vorne gemacht hat, hat sich die Stadt in den vergangenen Wochen intensiv um den Service für ihre ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bemüht. Ende Oktober begann der Umzug aus den beengten Räumen in die ersten beiden Stockwerke des Bürgeramts. Dort stehen nunmehr zehn Räume zur Verfügung, in denen die Kundinnen und Kunden am offenen Sprechtag ein Gegenüber finden. Mehr noch: Da sie jetzt bereits in die Zimmer verwiesen werden, in denen sich auch ihre Unterlagen befinden, kommen sie laut Osswald an diesem Tag mit ihrem Anliegen auch wirklich ein Stück weiter. „Statt 80 können wir jetzt mehr als 400 Menschen bei der offenen Sprechstunde bedienen.“ Auch die Termine nach Vereinbarung stiegen von 80 auf 120 in der Woche. Osswald will die derzeit mehr als 2000 offenen Anträge auf 750 drücken. „Auf null werden wir nie kommen, weil ja immer neue dazukommen. Aber wir haben jetzt die Struktur und das Personal so aufgestellt, dass wir unser Ziel auch angehen können.“ Ob das aufgeht, könne man frühestens drei Monate nach dem Umzug einschätzen. Erste Tendenzen machen jedenfalls Mut: Von rund 3100 Kontaktformularen, mit denen die Kunden ihr Anliegen online bei der Behörde äußern können, sind in diesem Monat gut 1500 noch offen oder in Bearbeitung, aber knapp 1600 erledigt – in den Monaten davor sah das Verhältnis deutlich schlechter aus. Durch die strukturelle Umstellung habe man auch mehr Zeit für die Sachbearbeitung der aufgelaufenen Fälle gewonnen, sagt die Abteilungsleiterin Stephanie Gutbrod. Von Januar an ist der Bürgerservice Einwanderung mit 26 Vollzeitstellen besetzt. Allein 2020 waren sieben Stellen dazugekommen, drei weitere werden noch ausgeschrieben. Die Kundschaft äußert sich noch etwas verhalten in der Bewertung der Situation. „Ja, es ist hier draußen etwas besser geworden“, sagt ein Mann. „Aber das heißt noch nicht, dass die Arbeitsabläufe innen besser funktionieren“, ergänzt eine Ehrenamtliche, die einen jungen Asylbewerber begleitet. Wer kein Deutsch spreche und keinen Druck mache, komme nach wie vor nicht richtig voran. Die Verwaltung verweist auf die Komplexität der Verfahren. Osswald: „Aber unser Weg geht in eine gute Richtung. Und wir haben jetzt eine ganz andere Stimmung hier. Die Menschen sind deutlich entspannter.“