Zur Finanzierung des Gesundheitswesens gibt es einen neuen Vorschlag: Kassenpatienten sollen jährlich bis zu 2000 Euro Selbstbeteiligung zahlen. Ist das sinnvoll?

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2000 Euro zuschießen?
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Zur Finanzierung des Gesundheitswesens gibt es einen neuen Vorschlag: Kassenpatienten sollen jährlich bis zu 2000 Euro Selbstbeteiligung zahlen. Ist das sinnvoll?
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2000 Euro zuschießen?
In Esslingen orientiert sich die Fortschreibung des Mietspiegels bis 2024 erstmals nicht an der Inflation
Der Mietspiegel ist ein Instrument, das Streit zwischen den Mietparteien verhindern hilft, denn er liefert handfeste Fakten zur ortsüblichen Vergleichsmiete. In Esslingen sah es kurz so aus, als könnte das Werkzeug nun selbst zum Zankapfel werden. Es geht um den bestehenden Mietspiegel 2022, der um zwei Jahre fortgeschrieben werden muss. Das ist ein übliches Vorgehen. Der Mietspiegel, den es in Esslingen seit 1975 gibt und der seit 2002 nach wissenschaftlichen Kriterien als qualifizierter Mietspiegel vorliegt, wird mittels einer aufwendigen Umfrage alle vier Jahre ermittelt.
Zur Halbzeit dürfen die Werte dann auf einfachere Art und Weise entweder per Stichprobe erhoben werden oder sie orientieren sich am Verbraucherpreisindex und damit an der Inflation. Doch dieses Mal konnte sich die von der städtischen Stabstelle Wohnen koordinierte AG Mietspiegel nicht auf das weitere Vorgehen einigen. In dem Arbeitskreis sitzen unter anderem Wohnungsmarktexperten von Mieterbund, Haus und Grund Esslingen, der Baugenossenschaft Esslingen und Esslinger Wohnungsbau. Die Stadt hatte vorgeschlagen, den Mietspiegel zum ersten Mal nicht wie seit vielen Jahren üblich per Index fortzuschreiben, sondern die Mietpreisentwicklung erneut abzufragen, allerdings mit einem abgespecktem Fragebogen und mit kleinerem Datensatz. Die Stadt sieht das in der aktuellen Situation als „einzig gangbaren Weg“, um den Wohnungsmarkt realistisch abzubilden. Das unterstützt auch die Mieterseite in der AG Mietspiegel. Dagegen hatten die Vermietervertreter für diesen Fall angekündigt, ihre Zustimmung zum Mietspiegel zu verweigern.
Für beide Seiten geht es um viel. Der Verbraucherpreisindex ist derzeit vor allem von den extrem hohen Energie- und Lebensmittelpreisen als Folge des Ukrainekrieges geprägt. Würde man den Index für die Mietspiegel-Fortschreibung heranziehen, könnten die Basis-Netto-Kaltmieten deshalb um satte 15,8 Prozent steigen, wie die Stadt vorgerechnet hat.
So weit wird es nicht kommen. Der Esslinger Sozialausschuss hat sich Anfang Februar mehrheitlich für die von der Verwaltung vorgeschlagene Fortschreibungsvariante per Stichprobe ausgesprochen. Spätestens im Dezember 2023 soll es Ergebnisse geben, dann stimmt der Gemeinderat endgültig ab. Ein solcher Beschluss zum Mietspiegel ist neu und trägt einer Gesetzesänderung Rechnung. Seit 2021 gehört ein Mietspiegel zur Pflichtaufgabe für alle Städte über 50 000 Einwohner. Zugleich sind Mieter und Vermieter nun auskunftspflichtig. Auf die Empfehlung der AG Mietspiegel will man in Esslingen aber auch künftig nicht verzichten.
„Es ist keine Abstimmung für oder gegen Eigentümer, sondern eine Wahl für die derzeit passende Methode“, betonte Sozialbürgermeister Yalcin Bayraktar. Das sahen die Vertreter der Fraktionen überwiegend genauso. „Es ist das jetzt einzig richtige Instrument“, so Joachim Schmid von der SPD. „Wir haben einen extremen Ausreißer, den wir nicht heranziehen können“, sagte Annette Silberhorn-Hemminger für die Freien Wähler. Aglaia Handler von der CDU sprach von einer „Sondersituation“. Zustimmung gab es auch von Grünen und Linke. „Angesichts der Haushaltssituation haben wir bei den Kosten echt geschluckt“, monierte Brigitte Häfele. Sie stimmte wie ihr FDP-Kollege Sven Kobbelt dagegen. Die FDP geht davon aus, dass der Peak überschritten sei und sich eine Überzeichnung der Werte beim nächsten Mietspiegel ausgleichen könnte. Die Stadt rechnet mit 10 000 Euro Mehrkosten für die Stichprobe, die aus dem Budget der Stabsstelle getragen werden. Mit Erstellung und Fortschreibung des Mietspiegels ist das Hamburger ALP Institut für Wohnen und Stadtentwicklung beauftragt.
pep / Foto: Roberto Bulgrin
Der Ostfilderner Gemeinderat stimmt den Plänen für Kemnat zu und bringt das Bauprojekt auf den Weg
Gute Einkaufsmöglichkeiten in der Ortsmitte des Stadtteils Kemnat zu sichern, ist für Ostfildern eine der großen Zukunftsaufgaben. Die Pläne, Platz für einen großen Nahversorger an der Heumadener Straße zu schaffen, ließen sich zunächst nicht realisieren, weil ein Grundstückseigentümer nicht verkaufen will. Nun hat die Stadt dennoch eine Lösung gefunden, den Markt zu bauen. Zugleich soll die Aufenthaltsqualität an der Ortsdurchfahrt verbessert werden.
Wegen des vielen Verkehrs auf der Heumadener Straße sind die Bedingungen für die Geschäftsleute wie auch für ihre Kundschaft nicht optimal. Es häufen sich die Klagen. Im historischen Ortskern rund um das Rathaus und die Bartholomäuskirche klaffen Baulücken. Kleinode wie der Hirschbrunnen kommen an der Straße nur bedingt zur Geltung. Das soll sich nun ändern. Die Menschen, die in Kemnat leben, hoffen seit Langem auf eine städtebauliche Neuordnung. Das hat eine Bürgerbeteiligung deutlich gemacht.
Bereits seit 2019 wird über die Pläne für die Neugestaltung der Ortsmitte diskutiert. „Die Lebens- und Aufenthaltsqualität zu verbessern“ ist für Reinhardt Kampmann, den Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft Ostfildern, daher die zentrale Aufgabe. Dazu gehört für ihn zwingend, für einen Lebensmittelmarkt im Ortskern „bessere Perspektiven“ zu schaffen. Nur so lasse sich die Nahversorgung dauerhaft sichern. Außerdem ist der Wohnraum knapp.
In die Pläne für die Neugestaltung der Kemnater Ortsmitte sind Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger eingeflossen. Zurzeit liegt die Grasfläche in der Heumadener Straße 3 bis 7 brach. Dort sind ein Lebensmittelmarkt mit Tiefgarage, eine ambulant betreute Wohngemeinschaft mit zwölf Plätzen und etwa 20 weitere Wohneinheiten geplant. Die attraktive Geschäftsfläche soll dem Netto-Markt deutlich bessere Möglichkeiten bieten. Die Lebensmittelkette hat am bisherigen Standort in der Hauptstraße 5 zu wenig Platz. Außerdem ist die Lage dort nicht optimal.
Um das Genehmigungsverfahren nun zügig voranzubringen, stellten die Stadträte in ihrer Sitzung Anfang Februar die Weichen für den Bebauungsplan „Heumadener Straße West – Ortsmitte“. „Darauf hat ganz Kemnat sehnsüchtig gewartet“, brachte Werner Schmidt (SPD) die allgemeine Erleichterung der Kommunalpolitiker auf den Punkt. Im Mai 2019 habe der Gemeinderat den Beschluss gefasst, doch erst jetzt zeichne sich die Lösung ab. Seither habe die Öffentlichkeit „keine Fortschritte bei der Umsetzung gesehen“. Durch die Aufteilung des Plangebiets in drei Bereiche könne man nun „unabhängig und rasch eine Bebauung möglich machen“. Schmidt sieht bei dem städtebaulichen Vorhaben die Chance für „ein zukunftsweisendes Quartier“. Der Kommunalpolitiker hofft, „dass der Investor bei der Stange bleibt“. Er wünscht sich, „dass der endgültige Beschluss nun im April gefasst werden kann“.
„Endlich zeichnet sich eine Lösung zur Sicherung der Nahversorgung ab“, sagte der CDU-Rat Axel Deutsch. Das betrachtet er als die zentrale Aufgabe in Kemnat. Die Größe des Einkaufsmarkts mit 1000 Quadratmetern bedeute für den Laden „fast eine Verdoppelung der Fläche“. Das schafft aus seiner Sicht deutlich bessere Voraussetzungen für die Entwicklung des Einzelhandels.
„Durch die Aufteilung in drei Bereiche kommen wir dem Neubau endlich ein großes Stück näher“, sagt Petra Hönschel-Gehrung. Die Fraktionschefin der Freien Wähler hofft, dass durch die Umplanung die Nahversorgung gesichert ist. Da es im Ort bereits drei Bäckereien gebe, hat sie jedoch Probleme damit, einen Bäcker in dem Markt vorzusehen. „Das müssen wir sehr genau prüfen.“ Da möchte sie die gewachsenen Strukturen im Stadtteil Kemnat schützen.
„Alles wird gut, das haben wir immer wieder vernommen. Sehr lange wurde es nicht gut“, sagte Jürgen Kleih (Bündnis 90/Grüne). Nun habe er die Hoffnung, dass doch alles gut werde. Mit der ambulanten betreuten Wohngemeinschaft, die im Zusammenhang mit dem Lebensmittelmarkt entstehen soll, ist Kleih ebenfalls einverstanden.
eli / Foto: Ines Rudel
Enttäuscht und verbittert reagieren Betroffene auf den Planungsstopp für ein Wohnheim mit Kurzzeitpflegeplätzen für Kinder mit Behinderung in Baltmannsweiler
Fahrten nach Stuttgart und Ulm müssen die Familien auf sich nehmen, wenn sie ihre mehrfach behinderten Kinder betreuen lassen wollen. Wohnortnahe Angebote, die diesen Kindern und Jugendlichen beispielsweise den Schulbesuch während dieser Zeit ermöglichen würden, gibt es nicht im Kreis Esslingen. Seit zehn Jahren laufen entsprechende Planungen von Kreisverwaltung und Diakonie Stetten (Rems-Murr-Kreis) – doch erneut scheiterte jetzt die Umsetzung. Wegen steigender Baukosten hat die Diakonie Stetten den Bau des Wohnprojekts in Baltmannsweiler mit 18 stationären Plätzen und sechs Kurzzeitplätzen abgesagt. Das trifft die Betroffenen hart.
„Sprachlos und schockiert“ hat Judith Kuhn die Nachricht vom Aus für das in Baltmannsweiler geplante Wohnheim aufgenommen, das die Diakonie Stetten mit den steigenden Baukosten begründet. „Wir fühlen uns alleine gelassen, ich war kurz mal am Verzweifeln“, erklärt die Mutter von drei Kindern, deren mittlere Tochter wegen Sauerstoffmangels bei der Geburt schwere Hirnschäden davon getragen hat. Die Sechsjährige schläft nachts nicht, und auch tagsüber braucht sie ständig Betreuung. Den Weg von Ostfildern nach Baltmannsweiler hätten die Gymnasiallehrerin und ihr Mann, ebenfalls Pädagoge, in Kauf genommen, damit die Tochter eine Schule besuchen kann.
Doch daraus wird so schnell nichts. Und auch nichts aus der erhofften Entlastung. „Wir brauchen mal Pause in der Pflege, aber wir bekommen sie nicht“, klagt die Pädagogin, die einfach mal durchschlafen möchte, bevor sie mit ihren Schülern ins Deutsch-Abi geht.
Wenn sie ihre Tochter in Ulm oder Stuttgart für ein paar Tage Auszeit anmelden möchte, steht die Familie hinten auf der Liste, weil kreiseigene Kinder Vorrang haben. Und als Auswärtige müssen sie auch noch mehr bezahlen. „Wenn Familien auf Angebote bis nach Ulm oder den Bodensee verwiesen werden, ist dies unzumutbar für alle Beteiligten“, sagt dazu Simone Fischer, die Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Pflegende Familien bräuchten Entlastungsstrukturen in ihrer Nähe. „Wo sollen wir denn hin, wenn es hier nichts gibt?“, fragt sich auch Caroline Habrik, deren Tochter, mit einem Gendefekt geboren, in diesem Sommer die Schule verlassen muss, weil sie 18 Jahre alt wird. „Für unsere Kinder gibt es zu wenig Werkstattplätze“, ergänzt die Esslingerin, es hake an allen Ecken und Enden. Auch für ihre Familie sei das Aus in Baltmannsweiler ein Schock. Diesen Mangel an Versorgung bezeichnet Habrik als „unsäglich“, vor allem in einem Landkreis, der ja nicht arm sei.
Dieser Gedanke treibt auch Ursula Hofmann um, die sich seit vielen Jahren zusammen mit den genannten Müttern im Esslinger Verein „Rückenwind. Pflegende Mütter behinderter Kinder stärken!“ engagiert und zu dessen Gründerinnen zählt. „Es müsste sich doch jemand finden, der jetzt einspringt“, fordert die gelernte Hebamme, die ihre Tochter Anne pflegt, seit diese vor 20 Jahren mit einem Gendefekt auf die Welt kam. Den Beruf musste die vierfache Mutter an den Nagel hängen und damit sei Altersarmut – ähnlich wie bei vielen anderen pflegenden Müttern – programmiert. Immerhin erkenne die Kreisverwaltung inzwischen den Bedarf der Eltern an, sagt die Esslingerin, die 90 Familien hinter sich weiß.
Moralische Unterstützung kommt immerhin von Jutta Pagel-Steidl, Geschäftsführerin im Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung. Sie sagt: „Der Landkreis war und ist in der Verantwortung, Lösungen zur Entlastung zu finden. Es ist beschämend, wie der Kreis mit den Nöten der Familien umgeht.“
Den Bedarf bestätigt auch Christian Greber, der das Amt für allgemeine Kreisangelegenheiten leitet und „den Rückzug der Diakonie Stetten sehr bedauert“. Die Suche nach einem anderen Vertragspartner und Alternativen habe die Landkreisverwaltung eingeleitet und den Angehörigenvertretungen zugesichert. Dass die vorherigen Planungen am Standort Plochingen nicht umgesetzt werden konnten, „lag nicht in der Verantwortung des Landkreises“, ergänzt Greber mit Blick auf die vergeblichen Anläufe der Diakonie, das Angebot 2018 in Plochingen zu schaffen.
Einer Beteiligung des Kreises an gestiegenen Baukosten erteilt der Amtsleiter eine klare Absage: „Ein Baukostenzuschuss kommt nicht in Frage.“ Immerhin erfolge die Refinanzierung solcher Investitionskosten über Tagessätze, die von den Landkreisen finanziert werden.
com / Archivfoto: Gottfried Stoppel