Abgestimmt!

Das IOC hat entschieden: Unter Auflagen dürfen russische und belarussische Sportler wieder bei internationalen Wettkämpfen starten. Eine richtige Entscheidung?

Foto: dpa

Wieder starten lassen?

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Blitzer spülen Geld in Stadtsäckel

Esslingen hat 2022 mehr als doppelt so viele Bußgelder durch Verkehrsverstöße eingenommen wie im Vorjahr

Bitte recht freundlich! Doch bei Blitzerfotos fällt das Lächeln in der Regel eher schief aus. Die Stadt Esslingen aber hat gut lachen: „Die Bußgeldeinnahmen aufgrund von Verkehrsordnungswidrigkeiten sind von rund 2,9 Millionen Euro im Jahr 2021 auf rund sechs Millionen Euro im Jahr 2022 gestiegen“, teilt Marion Koch, die kommissarische Leiterin des Ordnungsamtes, mit.
An einer plötzlichen Zunahme von Verkehrsrowdys liegt es nicht. Die Zahl der Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße hat zwar nach Angaben der Stadt um gut 60 Prozent zugenommen. 136 000 waren es 2022 gewesen, im Vorjahr noch 84 000. Doch Raser und Ampelmuffel sind nicht auf dem Vormarsch. Den Anstieg der festgestellten Verkehrssünden führt die Stadt auf „die Einrichtung von Tempo-30-Strecken und die Optimierung des Personal- und Technikeinsatzes“ zurück.
Der effizientere Einsatz der Anlagen habe zu einem höheren Blitzgewitter im Straßenverkehr geführt: Die Messzeiten der Geräte sind laut Marion Koch erhöht, ihre Leerläufe verringert worden. So wurden Ersatzanlagen für Zeiträume angefragt, in denen die Technik bestehender Geräte gewartet und geeicht wird. Stand kein Personal zur Verfügung, wurden Messeinrichtungen aus Fahrzeugen in stationäre Anlagen eingebaut: „Daneben hat die Steigerung der Bußgeldsätze im neuen bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog ab November 2021 zu Mehreinnahmen beigetragen.“
Parksünder haben weniger zum Füllen des Stadtsäckels beigetragen. Die Zahl der erfassten Verstöße in diesem Bereich ist laut Stadt gesunken. Rund 41 000 waren es 2022 – gegenüber 48 000 im Vorjahr. Der Rückgang um 15 Prozent liege an der geringeren Personalstärke des Verkehrsordnungsdienstes. Die Messgeräte sind dagegen voll im Einsatz. Eine Säule zur Tempokontrolle kam im laufenden Jahr am östlichen Altstadtring hinzu. Bis Ende 2022 hatte die Stadt acht stationäre Anlagen in Betrieb: „Mit einem dieser Geräte können ausschließlich Rotlichtverstöße erfasst werden, mit zwei weiteren werden Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße erfasst.“ Verstärkung im Kampf gegen Verkehrssünder bieten zudem fünf mobile Anlagen, zu denen auch zwei Anhänger gehören.
Abzocke auf Kosten der Verkehrssünder möchte sich die Stadt nicht vorwerfen lassen: „Von 2020 bis 2022 wurden neben Instandhaltungsmaßnahmen lediglich Ersatzbeschaffungen vorgenommen.“ Für eine 2021 ausgemusterte Anlage sei im Vorjahr etwa ein zweiter Anhänger zur Geschwindigkeitskontrolle angeschafft worden: „Damit kann die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit insbesondere in den Tempo-30-Strecken der zweiten Lärmaktionsplanstufe mit relativ geringem Personalaufwand kontrolliert werden.“
Eine Aufrüstung der Messanlagen ist aber in der Pipeline. Ursache dafür sei der Lärmaktionsplan, sagt Marion Koch. Für seine dritte Stufe sollen laut Gemeinderatsbeschluss vom Oktober 2021 mehr Tempo-30-Strecken ausgewiesen werden. Das Gremium genehmigte zugleich Gelder in Höhe von ungefähr 200 000 Euro für die Anschaffung eines Anhängers zur Tempokontrolle und eine zusätzliche Vollzeitkraft in der Bußgeldstelle: „Die Mittel sind in der mittelfristigen Finanzplanung für das Jahr 2024 geplant.“ Denn die Anordnung dieser weiteren Tempo-30-Strecken aus Lärmschutzgründen sei nur zulässig, wenn begleitende Maßnahmen zu deren Einhaltung ergriffen werden, so Marion Koch.
Schwerpunkte für das Aufstellen von Messanlagen sind laut Verwaltung Stellen mit Unfallhäufung und Bereiche zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm. Wichtig sei auch die Erhöhung der Sicherheit vor Schulen, Kindergärten, Spielplätzen und Kindertagesstätten. Beschwerden von Anwohnern würden zudem berücksichtigt. Grundsätzlich müssten die Verkehrsteilnehmenden jedoch im gesamten Stadtgebiet damit rechnen, dass Verstöße geahndet werden.
Für die Kontrolle des ruhenden Verkehrs sind in Esslingen 8,5 Vollzeitstellen eingeplant, derzeit nimmt zudem der kommunale Ordnungsdienst solche Aufgaben wahr. Über eine Verstärkung des Verkehrsordnungsdiensts um drei Vollzeitstellen werde im Rahmen der Beratungen für den nächsten Doppelhaushalt entschieden.

sw / Foto: Roberto Bulgrin


Der Rote Teufel vom Schurwald

Domenico Tedesco hat als Trainer der belgischen Fußball-Nationalmannschaft einen furiosen Start hingelegt

Die Ortschaft Aichwald liegt idyllisch auf dem Schurwald. Hier lässt es sich gut leben, und zum Arbeiten nach Esslingen oder Stuttgart ist es nicht weit. Die Menschen in der Region schätzen das. Entsprechend beliebt ist es, sich dort anzusiedeln – oder, wenn man das Glück hatte, dort aufzuwachsen, zu bleiben. Mittlerweile wissen auch viele Belgier um die Reize der 7600-Einwohner-Gemeinde. Das liegt daran, dass Domenico Tedesco, der neue Trainer der dortigen Fußball-Nationalmannschaft, aus Aichwald stammt. Noch vor dem furiosen Start des 37-Jährigen – Siege in Schweden (3:0) und in Köln gegen Deutschland (3:2) – haben sich einige Medien des Beneluxlandes auf Spurensuche begeben. Zum Teil sogar vor Ort. Wo stammt der Mann her, der nach dem Abschied der „Goldenen Generation“ für Erfolge sorgen soll?
Philippe Gerday, Sportjournalist beim großen Zeitungsverbund Sudinfo und langjähriger Beobachter der belgischen Nationalmannschaft, hat Tedesco gleich eine ganze Artikelserie gewidmet. Er sprach mit Nicolas Fink, dem früheren Aichwalder Bürgermeister und heutigen stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, mit Hans-Peter Reifenrath, dem Jugendleiter des ASV Aichwald, mit Vertretern von 1899 Hoffenheim sowie des Deutschen Fußball-Bundes und dem Sportchef der Eßlinger Zeitung. Dort hat Tedesco, wie seinem Wikipedia-Eintrag zu entnehmen ist, einst ein Schülerpraktikum in der Sportredaktion absolviert, sein Vater und sein Onkel waren als Drucker beschäftigt. Wie schön es gewesen sein muss, in Aichwald aufzuwachsen, transportierte Gerday. „Und alle, mit denen ich gesprochen habe, haben betont, was für ein höflicher Mensch er ist“, erzählt der Belgier. Dass Fink berichtet, wie beliebt ihr „Dome“ im Ort sei und wie stolz sie dort auf ihn seien, aber gleichzeitig nichts Privates aus seinem Elternhaus preisgeben möchte, müssen der Journalist und seine Leser akzeptieren.
Die meisten belgischen Fußballfans kannten den Namen Domenico Tedesco nicht. Einige, so auch Gerday, hatten wahrgenommen, dass er mal Trainer des FC Schalke 04 war. In dem kleinen Land wisse man, dass man keinen international erfahreneren Mann als Coach bekommen könne, berichtet Gerday. Tedesco, nun jüngster Nationaltrainer der Welt, wurde daher wohlwollend empfangen. „Er hat mit RB Leipzig den DFB-Pokal und damit den ersten Titel in der Vereinsgeschichte gewonnen“, sagt der Journalist. Der junge Neue habe schon etwas erreicht und einige Stationen hinter sich – Jugendtrainer beim VfB Stuttgart und in Hoffenheim, Chefcoach bei Erzgebirge Aue, bei Schalke, bei Spartak Moskau und in Leipzig. Seit Anfang Februar nun ist er als Nachfolger von Roberto Martínez Trainer in Belgien. Immer geerdet in Aichwald und mit dem Hintergrund eines Einwandererkindes, das es geschafft hat. „Der Liebling von Aichwald“, titelt Gerday in den Sudinfo-Zeitungen. Und: „Der Deutsche mit einem italienischen Temperament.“
Der Empfang war freundlich, sie mögen Tedesco in Belgien jetzt schon. Aber die Fans erwarteten Ergebnisse, sagt Gerday. Die hat Tedesco erst mal geliefert. Nachdem sich die Spieler der „Goldenen Generation“ in den Fußball-Ruhestand verabschiedet haben oder kurz davor stehen, soll der Aichwalder den Umbruch einleiten. Bei der WM in Russland 2018 war die Mannschaft Dritter geworden, zuletzt in Katar war nach der Vorrunde Schluss. Gerday: „Immer, wenn es Zeit war, etwas zu gewinnen, sind wir gegen einen Großen gescheitert.“
Als die Roten Teufel werden in Deutschland die Kicker des 1. FC Kaiserslautern bezeichnet. In Belgien ist es die Nationalmannschaft. Die Fans sind ähnlich enthusiastisch. Domenico Tedesco, der Rote Teufel vom Schurwald. Nach den Siegen in der EM-Qualifikation in Schweden und im Freundschaftsspiel gegen Deutschland („Für die belgischen Fans hat es die Bedeutung eines Qualifikationsspiels“, sagt Gerday) wissen alle Belgier, wer Domenico Tedesco ist. Und viele, dass er aus Aichwald kommt und wie schön es dort ist.

sip/hin / Foto: dpa


Attraktiv, aber taktlos

Die Neckar-Alb-Bahn Richtung Tübingen glänzt durch Unpünktlichkeit – Steigende Fahrgastzahlen – Strecke ist überlastet

Sie ist ein Opfer ihres Erfolgs, die Neckar-Alb-Bahn von Stuttgart über Esslingen, Plochingen, Wendlingen und Nürtingen nach Tübingen. Seit Langem eine der bundesweit bestfrequentierten Regionalverbindungen, fährt eine stetig wachsende Zahl von Fahrgästen auf der Schiene in die Uni-Stadt und ins dicht besiedelte Albvorland. Was die Schienenstrecke selbst an die Kapazitätsgrenze bringt: Das der Nachfrageentwicklung entsprechende, im Lauf der Zeit stark erweiterte Zugangebot offenbart die „infrastrukturellen Schwachpunkte“, teilt die SWEG Bahn Stuttgart (SBS) auf Anfrage mit, die derzeit den Großteil der Verkehrsleistungen auf dieser Linie erbringt. Konkret: Die Strecke ist überlastet vom Zugverkehr, zu dem sich bis zur Fertigstellung von Stuttgart 21 noch der Fernverkehr Richtung München gesellt, der in Wendlingen in die neue Schnellstrecke einfädelt.
Die Folge: Der Taktverkehr gerät aus dem Takt, die Neckar-Alb-Bahn verbucht eine relativ bescheidene Pünktlichkeitsrate, die die SBS zurzeit mit 80 Prozent angibt. Damit ist der Nürtinger Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel bei weitem nicht zufrieden. Im Sommer 2022, so Gastel, sei der Anteil pünktlicher Züge teilweise sogar auf 70 Prozent abgesunken. In der Diagnose gibt er dem Bahnunternehmen recht: „Die Infrastruktur der Strecke ist mit der zunehmenden Zahl der auf ihr verkehrenden Züge nicht mitgewachsen.“
Die Deutsche Bahn (DB) als Netzbetreiber gelobt Besserung im Rahmen zeitnaher Möglichkeiten: Eine zusätzliche Weichenverbindung im Bahnhof Bad Cannstatt soll schon in diesem Jahr für Entlastung sorgen, sagt eine DB-Sprecherin. Fürs kommende Jahr sei dann eine „Blockverdichtung“ bei Bempflingen geplant. Was bedeutet: Ein Block ist im Eisenbahnjargon der Streckenabschnitt zwischen zwei Signalen. Pro Block und Gleis darf, unabhängig von der Länge des Abschnitts, nur ein Zug verkehren. Bei einer Blockverdichtung wird die Zahl der Signale und damit die Kapazität erhöht.
Allerdings kommen laut der SBS-Sprecherin weitere Faktoren für Unpünktlichkeit hinzu, namentlich die „Durchbindung der Neckar-Alb-Bahn über den Knoten Stuttgart hinaus“, das heißt: die Weiterfahrt der von Tübingen kommenden Metropolexpresszüge nach Heilbronn oder Osterburken und umgekehrt. Die längere Laufzeit erspart etlichen Fahrgästen das zeitraubende Umsteigen, erhöht aber auch das Verspätungsrisiko. Auch „wiederkehrende Baumaßnahmen“ trübten der Sprecherin zufolge die Pünktlichkeitsbilanz speziell der Strecke nach Tübingen.
Die Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete Natalie Pfau-Weller treibt das Thema ebenfalls um. Im Rahmen einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung richtet sie den Blick vor allem in die Zukunft, wenn voraussichtlich Ende 2027 – so die Antwort des Verkehrsministeriums – die Stuttgart-21-Strecke über den Flughafen vollständig fertig sein wird. Über diese künftige Schnellstrecke geht es dann von Tübingen/Reutlingen im Stunden- und von Nürtingen sogar im Halbstundentakt rasant in den Stuttgarter Tiefbahnhof und darüber hinaus. Da selbstverständlich auch der Fernverkehr diese Route nimmt, wird die Teilstrecke über Wendlingen und Esslingen entlastet.
Für die zukünftige Pünktlichkeit verheißt das Verkehrsministerium neue, doppelstöckige und „besonders spurtstarke“ Triebwagenzüge sowie Geschwindigkeiten bis zu 200 Kilometer pro Stunde. Außerdem würden in die Fahrpläne Pufferzeiten als „zusätzliche Reserven“ eingearbeitet. Davon wolle die SBS noch nichts wissen: Eine Ausweitung der Wendezeiten an den Endbahnhöfen, die einen Puffer für Verspätungen bilden könnte, „würde einen nicht darstellbaren Mehrbedarf an Fahrzeugen generieren“.
Unklar ist im Übrigen, wer die Strecke in den kommenden Jahren befährt. Die Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG) hat mit einem Aufsichtsratsbeschluss im Oktober 2022 klargemacht, dass sie sich bis spätestens 2023 von ihrer Tochter SBS trennen wird. Als Grund wurde der Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft GDL angegeben. Die SBS entstand, nachdem die SWEG 2021 die insolvente baden-württembergische Tochter des niederländischen Bahnunternehmens Abellio und den Betrieb der Abellio-Li­nien im Land übernommen hatte. An der anstehenden Neuausschreibung dieser zurzeit von der SBS erbrachten Verkehrsleistungen werde man sich nicht beteiligen, teilt die SWEG mit.
Manche Branchenkenner erwarten, dass die DB Regio ins Rennen um die früher von ihr befahrenen Strecken gehen wird. Doch von dort ist nur zu hören: „Zu anstehenden oder laufenden Ausschreibungsverfahren äußern wir uns nicht.“

mez / Foto: Roberto Bulgrin