Kult-Institution für Generationen

Vor 40 Jahren begann die Geschichte der Reichenbacher Kulturinitiative „Die Halle“

Das Gebäude der ersten Halle stand südwestlich der heutigen Bahnhofsunterführung zwischen den Bahngleisen und der Fils. Drei Jahre nach dem Start mussten die Kulturschaffenden umziehen, da ihr Domizil dem vierspurigen Ausbau der B 10 weichen musste. In den Räumen eines nahe gelegenen ehemaligen Gasthauses in der Kanalstraße ging es 1989 nach Umbau und Renovierung weiter. Bis heute locken hier übers Jahr verteilt Konzerte, Partys und die beiden Kneipentage mittwochs und donnerstags ein generationenübergreifendes Publikum an, das teils lange Anfahrtswege in die Reichenbacher Kult-Institution auf sich nimmt.
Anfang der 2000er-Jahre wurde auf dem benachbarten Otto-Areal zusätzlich die größere Halle „H2O“ übernommen, der Betrieb aber aufwandsbedingt und aus finanziellen Gründen nach zehn Jahren wieder eingestellt. Sehr beliebt war ebenfalls zehn Jahre lang der Freibad-Schwoof, bis er aufgrund einer Lärmbeschwerde zum Bedauern vieler eingestellt werden musste. Seither konzentriert sich alles wieder auf die traditionelle „Halle“, die allein schon dank ihrer übersichtlichen Größe einen ganz eigenen Charme hat und eine gemütliche Club- und Kneipenatmosphäre versprüht.
Dies schätzen Team, Besucher und Künstler gleichermaßen, erfährt man im Gespräch mit dem ehrenamtlich tätigen Vereinsvorsitzenden Sebastian Strauss sowie drei der aktiven Ehrenamtler: Marc Rohrbeck, Matthias Wagner und Mona Rößler. „Das ist für viele hier wie ein zweites Zuhause“, sagt Mona Rößler. Die Künstler schätzen ihrerseits die Nähe zum Publikum, ergänzt Marc Rohrbeck. Je nach Veranstaltung kommen zwischen 50 und 200 Besucher. Nicht nur beim Publikum gibt es Stammgäste, auch die Bands kommen teils in regelmäßigen Abständen wieder. Größere, mit teils prominenter Besetzung an andere Spielstätten der Region ausgelagerte Veranstaltungen werden unter dem Logo „Halle on Tour“ koordiniert.
Die Musikrichtungen bei den Konzerten im Reichenbacher Domizil sind vielfältig, sie reichen von Pop über Blues(rock) und Folk bis hin zu Heavy Metal. Einen großen Part haben die Rock-Bands. „Wir haben hier zum Beispiel Deep Purple-, Kiss- oder AC/DC-Tribute-Bands und genauso jene mit eigenem Programm“, sagt Matthias Wagner. Die Künstler kommen aus der Region ebenso wie aus ganz Deutschland, Europa und sogar aus den USA. Unter ihnen sind Newcomer, aber auch alte Hasen.
„Deichkind waren zum Beispiel hier – auch als sie schon bekannter waren“, berichtet Sebastian Strauss. Sogar der Ex-Gitarrist der Rolling Stones, Mick Taylor, spielte schon in der Halle, genauso Sebastian Krummbiegel von den Prinzen. Anfang März erst waren Fools Garden in Reichenbach.
Kuriose Geschichten kann das Halle-Team erzählen, etwa davon, dass manche ortsfremde Künstler versehentlich in einem anderen Reichenbach landeten – sei es in Reichenbach im Täle oder sogar in einem sächsischen Pendant. „Letzteres fiel zum Glück rechtzeitig auf, sodass die Band nach einer mehrstündigen Fahrt noch pünktlich in der Halle auf der Bühne stand“, erzählt Matthias Wagner. Mit einer Musikerin ging er spontan in Reichenbach einkaufen, sie hatte ihr Bühnenoutfit vergessen. Besondere Macken hätten die auftretenden Künstler keine, um die Verpflegung kümmert sich eine Halle-Mitarbeiterin.
Man müsse immer am Puls der Zeit bleiben, um die Generationen von den Teenies ab 16 Jahren bis hin zu den Rentnern konstant für die Halle zu begeistern, weiß das Team. Das klappe bisher sehr gut, auch wenn es im Lauf der Jahre Veränderungen gebe. War etwa früher die Mittwochs-Kneipe vor allem für die Jüngeren ein Publikumsmagnet, so ist es heute nicht mehr ganz so voll, dafür bei guter Musik und Falafeln umso gemütlicher. Donnerstags ist Zeit für die beliebte Kultrock-Kneipe mit einem Publikum im Alter von etwa Ende 40 bis 70, das teils von Stuttgart und weiter weg vorbeikommt. Und auch fürs Jubiläumsjahr hat sich das Team einiges überlegt. Im Reichenbacher Rathaus gibt es etwa eine Ausstellung mit Bildern aus den vergangenen 40 Jahren.

eis / Foto: Katja Eisenhardt


Die Fils führt ein Schattendasein

Die Stadt Plochingen und das Land wollen den Fluss ökologisch aufwerten und besser erlebbar machen

Auf dem Plochinger Marktbrunnen sind der Neckar und die Fils, als Fisch-Mann und Fisch-Frau personifiziert, dargestellt. Doch während der Neckar seit der Landesgartenschau im Jahr 1998 wieder eng mit der Stadt verbunden ist, führt die Fils weiter ein Schattendasein. Auf ihrem Weg bis zur Mündung in den Neckar, durch das Gewerbegebiet im Osten der Stadt, gleicht sie eher einem Kanal als einem natürlichen Gewässer.
Doch jetzt stehen die Chancen gut, dass sich das ändert, denn hier treffen zwei ähnlich gelagerte Projekte zusammen: Auf der einen Seite möchte die Stadt im Zuge des Sanierungsgebiets Fils nicht nur Flächen neu ordnen, sondern auch den kleinen Fluss besser zugänglich und erlebbar machen. Gleichzeitig plant das Land im Zug der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die Fils zwischen Süßen und der Mündung in den Neckar ökologisch aufzuwerten.
Dem Abschnitt auf Plochinger Markung, direkt vor der Einmündung, kommt dabei besondere Bedeutung zu, wie Christian Pichler-Scheder von dem österreichischen Büro Blattfisch kürzlich im Ausschuss für Bauen, Technik und Umwelt erklärte. Das Büro erarbeitet im Auftrag des Landes die Studie „Gewässerökologie“ und macht Verbesserungsvorschläge.
Tatsächlich habe der Neckar „alle Fische, die in der Fils benötigt werden“, sagte der Fachmann. Aber nur die Barbe schaffe es, in den kleineren Fluss einzuwandern, und auch das nicht stabil. Die Fils habe zwar mittlerweile eine gute Wasserqualität, nachweisbar an entsprechenden Insektenlarven. Bei den Fischen sehe es aber nicht so gut aus, die Struktur des begradigten Flusses mit abgeschrägter Böschung rechts und links sei für sie ungünstig: Es fehle an Laichplätzen und flachen Uferzonen für die Entwicklung von Jungfischen und ebenso an tieferen Bereichen für großwüchsige Wanderfische. Das sei „eher ein Wasserkanal als ein Gewässerlebensraum“, sagte Pichler-Scheder.
Das Land möchte gemäß dem Konzept des österreichischen Büros auf Plochinger Markung drei Bereiche der Fils verändern: Die größte Veränderung betrifft das Ufer bei der jetzigen Kleintierzüchteranlage. Dort soll so abgegraben werden, dass ein Nebenarm des Flusses entsteht und das bestehende Ufer als Inselstreifen erhalten bleibt. An anderer Stelle soll durch die Umgestaltung die Dynamik des Gewässers angeregt werden, was wiederum dazu führen soll, dass sich Kiesbänke anlagern. Tiefe Rinnen und flache Zonen sollen entstehen sowie Aussichtsplattformen und große Stufen zum Wasser hin.
Das sei eine Win-win-Situation für Stadt und Land, urteilte der Bürgermeister Frank Buß. Erfreulich ist für Plochingen überdies, dass der ökologische Ausbau bei „Gewässern 1. Ordnung“ wie der Fils eine Aufgabe des Landes ist. Somit werde sie auch vom Land finanziert, bestätigte Eva de Haas vom Stuttgarter Regierungspräsidium, Referat Hochwasserschutz und Gewässerökologie. Auch der spätere Unterhalt liege beim Land, sagte sie. Joachim Hahn (SPD) verwies darauf, dass der für die Gartenschau angelegte Neckar-Altarm mittlerweile komplett verlandet sei. „Unser ureigenes Interesse ist, dass es nicht verlandet.“
Dennoch stelle die Fils die Planer vor große Herausforderungen, das sieht sowohl das Regierungspräsidium als auch das Büro Blattfisch so – ist doch das Filstal beengt und dicht bebaut, zudem verläuft der geplante Schnellradweg durch diesen Bereich.
Für die Stadt Plochingen ergibt sich ein weiterer Knackpunkt: Im Zuge der geplanten Vorhaben müssten die Kleintierzüchter ihr Gelände räumen. Ob sie jetzt einfach „weggebügelt“ würden, fragte der Einzelstadtrat Klaus Hink. Er habe bereits an den Vorsitzenden der Kleintierzüchter geschrieben, sagte Buß, und werde auch zu einem Gespräch einladen.
Auch aus Sicht des Landes sei eine Grundvoraussetzung, hier eine tragfähige Lösung zu finden, betonte de Haas: „Sonst müssen wir uns von dem Projekt verabschieden.“ Gerade der Bereich bei den Kleintierzüchtern sei die Schlüsselstelle der Planung. Mit dem Biber, der sich bereits im Bereich des Neckarknies angesiedelt hat, haben die Planer dagegen kein Problem, der werde einbezogen und sei in Sachen Gewässerökologie „sozusagen ein ehrenamtlicher Mitarbeiter“.

aia / Foto: Karin Ait Atmane


Kosten steigen um 13,7 Millionen Euro

Der Neubau des Esslinger Landratsamts verteuert sich auf 143,4 Millionen Euro – Die Arbeiten liegen im Zeitplan

Die gute Nachricht zuerst: Die Bauarbeiten für das neue Esslinger Landratsamt liegen im Zeitplan. „Aus heutiger Sicht bleibt es beim Fertigstellungstermin im September 2025“, berichtet die Sprecherin der Kreisverwaltung, Andrea Wangner. Die schlechte Nachricht lautet: Der Neubau in den Pulverwiesen wird um 13,7 Millionen Euro teurer als geplant. Die Baukosten erhöhen sich auf 143,4 Millionen Euro, teilte die Kreisverwaltung mit.
Der Kreistag hatte im März 2021 eine Obergrenze für die Baukosten in Höhe von rund 129,7 Millionen Euro beschlossen. Mit dem Generalunternehmer Züblin, der den Neubau zwischen Merkelpark und Neckarufer schlüsselfertig errichtet, wurde damals ein entsprechender Festpreis vereinbart. Doch nun musste nachverhandelt werden.
Denn in den vergangenen Monaten haben sich „aufgrund des Ukraine-Kriegs die Rahmenbedingungen auf dem Bausektor maßgeblich geändert, mit zum Teil enorm gestiegenen Preisen aufgrund von anhaltender Materialknappheit und einer Störung der Lieferketten“, heißt es seitens der Verwaltung.
Der Aufschlag fällt mit elf Prozent üppig aus, Landrat Heinz Eininger betont jedoch: „Wir haben in unseren Verhandlungen eine für den Landkreis Esslingen als Bauherrn und für das Bauunternehmen faire Lösung gefunden. Dies gilt umso mehr, als dass damit sämtliche Preisanpassungsansprüche aufgrund des Ukraine-Kriegs und in dessen Folge auf Materialpreise bis zum Bauzeitende ausgeglichen und erledigt sind.“ Soll heißen: Mehr Geld gibt es nicht.
Das Bauprojekt kommt derweil gut voran. Sichtbar wurden die Arbeiten Ende Mai vergangenen Jahres, als damit begonnen wurde, das über 40 Jahre alte Bestandsgebäude zu entkernen. Im Oktober schließlich wurde der Abriss des sechsstöckigen Verwaltungsbaus in Angriff genommen. Diese Arbeiten sind laut Wangner wie geplant ohne Probleme verlaufen. „Es gab keine Verzögerungen.“ Was angesichts der Dimensionen nicht so selbstverständlich war: Allein 31 500 Tonnen Beton, 455 Tonnen Ziegel, 1220 Tonnen Metalle, 147 Tonnen Glas, 800 Tonnen Holz, 400 Tonnen Gipsdielen, 20 Tonnen Kunststoff, 90 Tonnen Mineralwolle und 43 Tonnen Dachpappe aus dem Altbau sind zur ­weiteren Nutzung von speziellen Firmen aufbereitet worden. Mehr als 90 Prozent der angefallenen Baustoffe wurden dem Kreislauf wieder zugeführt. Auch der Neubau selbst wird hohen ökologischen Vorgaben gerecht. Vorgesehen ist unter anderem der Einsatz einer mit Neckarwasser gespeisten Wärmepumpe für Heizung und Kühlung sowie eine großflächige Photovoltaikanlage zur Eigenstromversorgung.
Rund 14 000 Kubikmeter Erdreich wurden in den vergangenen Wochen für die riesige Baugrube ausgehoben, die immerhin 140 Meter lang, 55 Meter breit und gut sieben Meter tief ist. Inzwischen ist bereits der Bewehrungsstahl der Bodenplatte verlegt. Diese wird laut Wangner derzeit in mehreren Abschnitten betoniert. Auch bei den nächsten Bauschritten werde nicht mit Schwierigkeiten gerechnet, „sie sind bereits vorbereitet“. Aus heutiger Sicht könnten die Rohbauarbeiten im Frühjahr 2024 abgeschlossen sein.
Entstehen wird ein zweiteiliger Gebäudekomplex in Form einer liegenden Acht mit großzügigen Innenhöfen. Gut 33 000 Quadratmeter Nutzfläche verteilen sich auf vier und fünf Etagen sowie zwei Untergeschosse. Der an das benachbarte, elfgeschossige Hochhaus des Landratsamtes angebundene Neubau wird Raum bieten für insgesamt 675 Arbeitsplätze für die Verwaltungsspitze und Mitarbeitende aus elf Ämtern. Hinter der großzügig verglasten Fassade finden zum Beispiel die Kfz-Zulassungsstelle, der Große und Kleine Sitzungssaal, eine Kindertagesstätte mit zwei Gruppen und eine Kantine Platz. Ende 2025/Anfang 2026, wenn die ausgelagerten Ämter und Dienststellen aus ihren Interimsunterkünften wieder zurückgezogen sind an den Standort Pulverwiesen, kann der Verwaltungsbetrieb dort aufgenommen werden. Die Esslinger Kreisverwaltung zählt insgesamt 2300 Beschäftigte an den Standorten Esslingen und Plochingen.

eh / Foto: Roberto Bulgrin


Abgestimmt!

Das IOC hat entschieden: Unter Auflagen dürfen russische und belarussische Sportler wieder bei internationalen Wettkämpfen starten. Eine richtige Entscheidung?

Foto: dpa

Wieder starten lassen?

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Blitzer spülen Geld in Stadtsäckel

Esslingen hat 2022 mehr als doppelt so viele Bußgelder durch Verkehrsverstöße eingenommen wie im Vorjahr

Bitte recht freundlich! Doch bei Blitzerfotos fällt das Lächeln in der Regel eher schief aus. Die Stadt Esslingen aber hat gut lachen: „Die Bußgeldeinnahmen aufgrund von Verkehrsordnungswidrigkeiten sind von rund 2,9 Millionen Euro im Jahr 2021 auf rund sechs Millionen Euro im Jahr 2022 gestiegen“, teilt Marion Koch, die kommissarische Leiterin des Ordnungsamtes, mit.
An einer plötzlichen Zunahme von Verkehrsrowdys liegt es nicht. Die Zahl der Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße hat zwar nach Angaben der Stadt um gut 60 Prozent zugenommen. 136 000 waren es 2022 gewesen, im Vorjahr noch 84 000. Doch Raser und Ampelmuffel sind nicht auf dem Vormarsch. Den Anstieg der festgestellten Verkehrssünden führt die Stadt auf „die Einrichtung von Tempo-30-Strecken und die Optimierung des Personal- und Technikeinsatzes“ zurück.
Der effizientere Einsatz der Anlagen habe zu einem höheren Blitzgewitter im Straßenverkehr geführt: Die Messzeiten der Geräte sind laut Marion Koch erhöht, ihre Leerläufe verringert worden. So wurden Ersatzanlagen für Zeiträume angefragt, in denen die Technik bestehender Geräte gewartet und geeicht wird. Stand kein Personal zur Verfügung, wurden Messeinrichtungen aus Fahrzeugen in stationäre Anlagen eingebaut: „Daneben hat die Steigerung der Bußgeldsätze im neuen bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog ab November 2021 zu Mehreinnahmen beigetragen.“
Parksünder haben weniger zum Füllen des Stadtsäckels beigetragen. Die Zahl der erfassten Verstöße in diesem Bereich ist laut Stadt gesunken. Rund 41 000 waren es 2022 – gegenüber 48 000 im Vorjahr. Der Rückgang um 15 Prozent liege an der geringeren Personalstärke des Verkehrsordnungsdienstes. Die Messgeräte sind dagegen voll im Einsatz. Eine Säule zur Tempokontrolle kam im laufenden Jahr am östlichen Altstadtring hinzu. Bis Ende 2022 hatte die Stadt acht stationäre Anlagen in Betrieb: „Mit einem dieser Geräte können ausschließlich Rotlichtverstöße erfasst werden, mit zwei weiteren werden Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße erfasst.“ Verstärkung im Kampf gegen Verkehrssünder bieten zudem fünf mobile Anlagen, zu denen auch zwei Anhänger gehören.
Abzocke auf Kosten der Verkehrssünder möchte sich die Stadt nicht vorwerfen lassen: „Von 2020 bis 2022 wurden neben Instandhaltungsmaßnahmen lediglich Ersatzbeschaffungen vorgenommen.“ Für eine 2021 ausgemusterte Anlage sei im Vorjahr etwa ein zweiter Anhänger zur Geschwindigkeitskontrolle angeschafft worden: „Damit kann die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit insbesondere in den Tempo-30-Strecken der zweiten Lärmaktionsplanstufe mit relativ geringem Personalaufwand kontrolliert werden.“
Eine Aufrüstung der Messanlagen ist aber in der Pipeline. Ursache dafür sei der Lärmaktionsplan, sagt Marion Koch. Für seine dritte Stufe sollen laut Gemeinderatsbeschluss vom Oktober 2021 mehr Tempo-30-Strecken ausgewiesen werden. Das Gremium genehmigte zugleich Gelder in Höhe von ungefähr 200 000 Euro für die Anschaffung eines Anhängers zur Tempokontrolle und eine zusätzliche Vollzeitkraft in der Bußgeldstelle: „Die Mittel sind in der mittelfristigen Finanzplanung für das Jahr 2024 geplant.“ Denn die Anordnung dieser weiteren Tempo-30-Strecken aus Lärmschutzgründen sei nur zulässig, wenn begleitende Maßnahmen zu deren Einhaltung ergriffen werden, so Marion Koch.
Schwerpunkte für das Aufstellen von Messanlagen sind laut Verwaltung Stellen mit Unfallhäufung und Bereiche zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm. Wichtig sei auch die Erhöhung der Sicherheit vor Schulen, Kindergärten, Spielplätzen und Kindertagesstätten. Beschwerden von Anwohnern würden zudem berücksichtigt. Grundsätzlich müssten die Verkehrsteilnehmenden jedoch im gesamten Stadtgebiet damit rechnen, dass Verstöße geahndet werden.
Für die Kontrolle des ruhenden Verkehrs sind in Esslingen 8,5 Vollzeitstellen eingeplant, derzeit nimmt zudem der kommunale Ordnungsdienst solche Aufgaben wahr. Über eine Verstärkung des Verkehrsordnungsdiensts um drei Vollzeitstellen werde im Rahmen der Beratungen für den nächsten Doppelhaushalt entschieden.

sw / Foto: Roberto Bulgrin


Der Rote Teufel vom Schurwald

Domenico Tedesco hat als Trainer der belgischen Fußball-Nationalmannschaft einen furiosen Start hingelegt

Die Ortschaft Aichwald liegt idyllisch auf dem Schurwald. Hier lässt es sich gut leben, und zum Arbeiten nach Esslingen oder Stuttgart ist es nicht weit. Die Menschen in der Region schätzen das. Entsprechend beliebt ist es, sich dort anzusiedeln – oder, wenn man das Glück hatte, dort aufzuwachsen, zu bleiben. Mittlerweile wissen auch viele Belgier um die Reize der 7600-Einwohner-Gemeinde. Das liegt daran, dass Domenico Tedesco, der neue Trainer der dortigen Fußball-Nationalmannschaft, aus Aichwald stammt. Noch vor dem furiosen Start des 37-Jährigen – Siege in Schweden (3:0) und in Köln gegen Deutschland (3:2) – haben sich einige Medien des Beneluxlandes auf Spurensuche begeben. Zum Teil sogar vor Ort. Wo stammt der Mann her, der nach dem Abschied der „Goldenen Generation“ für Erfolge sorgen soll?
Philippe Gerday, Sportjournalist beim großen Zeitungsverbund Sudinfo und langjähriger Beobachter der belgischen Nationalmannschaft, hat Tedesco gleich eine ganze Artikelserie gewidmet. Er sprach mit Nicolas Fink, dem früheren Aichwalder Bürgermeister und heutigen stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, mit Hans-Peter Reifenrath, dem Jugendleiter des ASV Aichwald, mit Vertretern von 1899 Hoffenheim sowie des Deutschen Fußball-Bundes und dem Sportchef der Eßlinger Zeitung. Dort hat Tedesco, wie seinem Wikipedia-Eintrag zu entnehmen ist, einst ein Schülerpraktikum in der Sportredaktion absolviert, sein Vater und sein Onkel waren als Drucker beschäftigt. Wie schön es gewesen sein muss, in Aichwald aufzuwachsen, transportierte Gerday. „Und alle, mit denen ich gesprochen habe, haben betont, was für ein höflicher Mensch er ist“, erzählt der Belgier. Dass Fink berichtet, wie beliebt ihr „Dome“ im Ort sei und wie stolz sie dort auf ihn seien, aber gleichzeitig nichts Privates aus seinem Elternhaus preisgeben möchte, müssen der Journalist und seine Leser akzeptieren.
Die meisten belgischen Fußballfans kannten den Namen Domenico Tedesco nicht. Einige, so auch Gerday, hatten wahrgenommen, dass er mal Trainer des FC Schalke 04 war. In dem kleinen Land wisse man, dass man keinen international erfahreneren Mann als Coach bekommen könne, berichtet Gerday. Tedesco, nun jüngster Nationaltrainer der Welt, wurde daher wohlwollend empfangen. „Er hat mit RB Leipzig den DFB-Pokal und damit den ersten Titel in der Vereinsgeschichte gewonnen“, sagt der Journalist. Der junge Neue habe schon etwas erreicht und einige Stationen hinter sich – Jugendtrainer beim VfB Stuttgart und in Hoffenheim, Chefcoach bei Erzgebirge Aue, bei Schalke, bei Spartak Moskau und in Leipzig. Seit Anfang Februar nun ist er als Nachfolger von Roberto Martínez Trainer in Belgien. Immer geerdet in Aichwald und mit dem Hintergrund eines Einwandererkindes, das es geschafft hat. „Der Liebling von Aichwald“, titelt Gerday in den Sudinfo-Zeitungen. Und: „Der Deutsche mit einem italienischen Temperament.“
Der Empfang war freundlich, sie mögen Tedesco in Belgien jetzt schon. Aber die Fans erwarteten Ergebnisse, sagt Gerday. Die hat Tedesco erst mal geliefert. Nachdem sich die Spieler der „Goldenen Generation“ in den Fußball-Ruhestand verabschiedet haben oder kurz davor stehen, soll der Aichwalder den Umbruch einleiten. Bei der WM in Russland 2018 war die Mannschaft Dritter geworden, zuletzt in Katar war nach der Vorrunde Schluss. Gerday: „Immer, wenn es Zeit war, etwas zu gewinnen, sind wir gegen einen Großen gescheitert.“
Als die Roten Teufel werden in Deutschland die Kicker des 1. FC Kaiserslautern bezeichnet. In Belgien ist es die Nationalmannschaft. Die Fans sind ähnlich enthusiastisch. Domenico Tedesco, der Rote Teufel vom Schurwald. Nach den Siegen in der EM-Qualifikation in Schweden und im Freundschaftsspiel gegen Deutschland („Für die belgischen Fans hat es die Bedeutung eines Qualifikationsspiels“, sagt Gerday) wissen alle Belgier, wer Domenico Tedesco ist. Und viele, dass er aus Aichwald kommt und wie schön es dort ist.

sip/hin / Foto: dpa


Attraktiv, aber taktlos

Die Neckar-Alb-Bahn Richtung Tübingen glänzt durch Unpünktlichkeit – Steigende Fahrgastzahlen – Strecke ist überlastet

Sie ist ein Opfer ihres Erfolgs, die Neckar-Alb-Bahn von Stuttgart über Esslingen, Plochingen, Wendlingen und Nürtingen nach Tübingen. Seit Langem eine der bundesweit bestfrequentierten Regionalverbindungen, fährt eine stetig wachsende Zahl von Fahrgästen auf der Schiene in die Uni-Stadt und ins dicht besiedelte Albvorland. Was die Schienenstrecke selbst an die Kapazitätsgrenze bringt: Das der Nachfrageentwicklung entsprechende, im Lauf der Zeit stark erweiterte Zugangebot offenbart die „infrastrukturellen Schwachpunkte“, teilt die SWEG Bahn Stuttgart (SBS) auf Anfrage mit, die derzeit den Großteil der Verkehrsleistungen auf dieser Linie erbringt. Konkret: Die Strecke ist überlastet vom Zugverkehr, zu dem sich bis zur Fertigstellung von Stuttgart 21 noch der Fernverkehr Richtung München gesellt, der in Wendlingen in die neue Schnellstrecke einfädelt.
Die Folge: Der Taktverkehr gerät aus dem Takt, die Neckar-Alb-Bahn verbucht eine relativ bescheidene Pünktlichkeitsrate, die die SBS zurzeit mit 80 Prozent angibt. Damit ist der Nürtinger Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel bei weitem nicht zufrieden. Im Sommer 2022, so Gastel, sei der Anteil pünktlicher Züge teilweise sogar auf 70 Prozent abgesunken. In der Diagnose gibt er dem Bahnunternehmen recht: „Die Infrastruktur der Strecke ist mit der zunehmenden Zahl der auf ihr verkehrenden Züge nicht mitgewachsen.“
Die Deutsche Bahn (DB) als Netzbetreiber gelobt Besserung im Rahmen zeitnaher Möglichkeiten: Eine zusätzliche Weichenverbindung im Bahnhof Bad Cannstatt soll schon in diesem Jahr für Entlastung sorgen, sagt eine DB-Sprecherin. Fürs kommende Jahr sei dann eine „Blockverdichtung“ bei Bempflingen geplant. Was bedeutet: Ein Block ist im Eisenbahnjargon der Streckenabschnitt zwischen zwei Signalen. Pro Block und Gleis darf, unabhängig von der Länge des Abschnitts, nur ein Zug verkehren. Bei einer Blockverdichtung wird die Zahl der Signale und damit die Kapazität erhöht.
Allerdings kommen laut der SBS-Sprecherin weitere Faktoren für Unpünktlichkeit hinzu, namentlich die „Durchbindung der Neckar-Alb-Bahn über den Knoten Stuttgart hinaus“, das heißt: die Weiterfahrt der von Tübingen kommenden Metropolexpresszüge nach Heilbronn oder Osterburken und umgekehrt. Die längere Laufzeit erspart etlichen Fahrgästen das zeitraubende Umsteigen, erhöht aber auch das Verspätungsrisiko. Auch „wiederkehrende Baumaßnahmen“ trübten der Sprecherin zufolge die Pünktlichkeitsbilanz speziell der Strecke nach Tübingen.
Die Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete Natalie Pfau-Weller treibt das Thema ebenfalls um. Im Rahmen einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung richtet sie den Blick vor allem in die Zukunft, wenn voraussichtlich Ende 2027 – so die Antwort des Verkehrsministeriums – die Stuttgart-21-Strecke über den Flughafen vollständig fertig sein wird. Über diese künftige Schnellstrecke geht es dann von Tübingen/Reutlingen im Stunden- und von Nürtingen sogar im Halbstundentakt rasant in den Stuttgarter Tiefbahnhof und darüber hinaus. Da selbstverständlich auch der Fernverkehr diese Route nimmt, wird die Teilstrecke über Wendlingen und Esslingen entlastet.
Für die zukünftige Pünktlichkeit verheißt das Verkehrsministerium neue, doppelstöckige und „besonders spurtstarke“ Triebwagenzüge sowie Geschwindigkeiten bis zu 200 Kilometer pro Stunde. Außerdem würden in die Fahrpläne Pufferzeiten als „zusätzliche Reserven“ eingearbeitet. Davon wolle die SBS noch nichts wissen: Eine Ausweitung der Wendezeiten an den Endbahnhöfen, die einen Puffer für Verspätungen bilden könnte, „würde einen nicht darstellbaren Mehrbedarf an Fahrzeugen generieren“.
Unklar ist im Übrigen, wer die Strecke in den kommenden Jahren befährt. Die Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG) hat mit einem Aufsichtsratsbeschluss im Oktober 2022 klargemacht, dass sie sich bis spätestens 2023 von ihrer Tochter SBS trennen wird. Als Grund wurde der Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft GDL angegeben. Die SBS entstand, nachdem die SWEG 2021 die insolvente baden-württembergische Tochter des niederländischen Bahnunternehmens Abellio und den Betrieb der Abellio-Li­nien im Land übernommen hatte. An der anstehenden Neuausschreibung dieser zurzeit von der SBS erbrachten Verkehrsleistungen werde man sich nicht beteiligen, teilt die SWEG mit.
Manche Branchenkenner erwarten, dass die DB Regio ins Rennen um die früher von ihr befahrenen Strecken gehen wird. Doch von dort ist nur zu hören: „Zu anstehenden oder laufenden Ausschreibungsverfahren äußern wir uns nicht.“

mez / Foto: Roberto Bulgrin