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Begegnung unterm Mikroskop

Winfried Kretschmann ist Namenspatron einer Miniwespe – Deren Entdeckerin ist Marina Moser, Doktorandin aus Esslingen

Der Naturforscher krabbelt über die Wiese, dreht Grashalme um – und entdeckt eine neue Art. So ungefähr könnte man es sich vorstellen. Die Realität sieht allerdings anders aus, oft zeigt sich erst unter dem Mikroskop, dass man auf etwas bisher Unbekanntes gestoßen ist. So war es auch bei der mittlerweile nach dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann benannten Wespenart, die die Biologin Marina Moser entdeckt hat. Das Insekt ist nämlich nur einen Millimeter groß.
Marina Moser wohnt in Esslingen-Sulzgries und ist oft und gerne in der Natur unterwegs. Als Forschungsreferentin und Doktorandin im Stuttgarter Rosensteinmuseum verbringt sie allerdings auch viel Zeit am Schreibtisch oder am Mikroskop. Wie an jenem Tag, als sie sich sogenannte Alkoholproben von Insekten anschaute – „Hunderte von Tieren“. Zweck der Übung war, das Auge zu schulen und Routine beim Bestimmen zu bekommen. Denn die 27-Jährige nimmt an dem Projekt „German Barcode of Life“ teil, das eine Referenzbibliothek der deutschen Flora und Fauna erstellt. Dafür werden an mehreren Standorten in Baden-Württemberg regelmäßig Proben mit Keschern und Zeltfallen genommen und später mikroskopisch untersucht. Ein Schwerpunkt sind bislang wenig erforschte Insektengruppen, zu denen auch die parasitoiden Wespen gehören. Diese Tiere, die um ein Vielfaches kleiner sind als die bekannten schwarz-gelben Wespen und ihre Eier in einem anderen Insekt ablegen, haben es Marina Moser angetan. Bei einem Kurs zwischen dem Bachelor- und dem Masterstudium an der Uni Hohenheim hat sie die Insektengruppe entdeckt: „In den drei Kurswochen hat sich mir eine ganze Welt erschlossen.“

Der Professor in Amerika wundert sich
Die Gattung heißt Aphanogmus – und Marina Moser weiß mittlerweile viel über sie: Sie hat sie zum Gegenstand ihrer Doktorarbeit gemacht. Rund 50 Aphanogmus-Arten kennt man in Europa. Aber was die Doktorandin an jenem Tag beim Blick ins Mikroskop sah, verwunderte sie: Eine etwa einen Millimeter große Wespe hatte am Hinterleib nicht nur Haare, sondern eine Art Borsten oder Stacheln. Das war ungewöhnlich, und Moser schickte ein Foto an einen Experten in den USA, der beim Bestimmen helfen sollte. Weltweit gibt es nicht viele Experten auf diesem Gebiet. Der Professor in Amerika wunderte sich ebenfalls: So etwas hatte er noch nie gesehen.
Nach einigen Recherchen war klar, dass es sich um eine neue Art handeln könnte. Denkbar wäre auch ein einzelnes Tier mit einer Fehlbildung gewesen, doch das ist inzwischen widerlegt. „Wir haben mittlerweile 28 Exemplare gesammelt, die meisten am Spitzberg in Tübingen“, erzählt Marina Moser. Alle diese Miniwespen saßen an einem Südhang, offensichtlich mögen sie Wärme. Wofür die kleinen Stacheln da sind, kann man bisher nur vermuten. Denkbar wäre, dass die Wespe dieses Werkzeug wie eine Säge nutzt, um ihren Wirt für die Eiablage „zu öffnen“. Das ist eine Hypothese von Moser und ihren Kollegen, bewiesen ist es noch nicht. Ebenso wenig weiß man bisher, in welchem Wirt die Miniwespen ihre Eier ablegen. Aber egal welcher das ist, „wie so ein kleines Tier, nur einen Millimeter groß, in der komplexen Welt seinen einen Wirt findet – das fasziniert mich“, sagt die Entdeckerin.

Der Ministerpräsident kennt sich aus
Dass ausgerechnet Kretschmann zum Namensgeber wurde, ist kein Zufall. Zum einen hat er selbst einmal Biologie studiert, zum anderen hat Marina Moser ihn kennengelernt und als sehr kompetent und interessiert erlebt. So war der Ministerpräsident bei der Studierenden-Initiative „Bunte Wiese Stuttgart“ zu Gast, die sie mitgegründet hat. Außerdem fördere er die Forschung zur Biodiversität sehr, sagt sie. Und ihn störe auch nicht, dass eine parasitoide Wespe – umgangssprachlich würde man Schmarotzerwespe sagen – nach ihm benannt ist. Als Fachmann wisse er, dass diese Tiere enorm wichtig für das Ökosystem sind. „Er hat sich wirklich wahnsinnig gefreut“, sagt die junge Biologin. Inzwischen haben Winfried Kretschmann und sie einige gemeinsame Auftritte vor der Presse und dem Fernsehen absolviert.
Marina Moser wird weiter an den Miniwespen forschen und weiterhin auch ehrenamtlich aktiv sein. In Hohengehren aufgewachsen, stieß sie vor einigen Jahren zum Naturschutzbund Plochingen-Reichenbach und ist mittlerweile dessen Insekten-Spezialistin. Kürzlich hat sie dort einen Vortrag über Wespen gehalten. Es war bestimmt nicht das letzte Mal.

aia/Foto: Karin Ait Atmane


Paketzentrum-Ausbau rückt näher

Die Post-Tochter DHL will den Standort in Köngen erweitern – Die Kommunalpolitik stellt Weichen

Seit einigen Jahren steht im DHL-Postfrachtzentrum in Köngen eine Erweiterung an – und sorgt für reichlich Arbeit in der Kommunalpolitik: Mehr als 1000 Seiten, darunter sieben Fachgutachten von Verkehr über Lärm- und Artenschutz bis hin zum Mikroklima, hatten die Gemeinderäte von Köngen und Wendlingen durchzuackern, um die zunächst anstehende Änderung des Flächennutzungsplans sowie den Bebauungsplan auf den Weg bringen zu können. Beide Gremien erteilten ihre Zustimmung, den endgültigen Beschluss treffen die Vertreter aus Köngen und Wendlingen nun im Juni bei einer Sitzung des Gemeindeverwaltungsverbands Wendlingen.
Nötig wird die Erweiterung, weil durch den zunehmenden Onlinehandel und die damit verbundene Erhöhung des Sendungsaufkommens die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Paketzentrums Köngen weit überschritten sind – was etwa in der Vorweihnachtszeit zu langen Staus rund um das Paketzentrum führt. Mit der Erweiterung soll auch die Verkehrssituation verbessert werden, wie der Stadtplaner Robert Schneider von der Architektenpartnerschaft Stuttgart (ARP) den Köngener Gemeinderäten kürzlich erläuterte.

Begrünter Lärmschutz
Erweitert werden soll das Gelände in nordöstliche Richtung: Geplant sind der Neubau einer sogenannten Co-Location, ein Erweiterungsbau zum bestehenden Postfrachtzentrum, zwei Parkhäuser, zusätzliche Stellplätze, größere Rangierflächen sowie ein neuer Anschluss an die Plochinger Straße am nordöstlichen Rand des erweiterten Areals. Um die Vorgaben des Lärmschutzes einzuhalten, wird eine auf der Köngener Seite bis zu 16 Meter hohe, teilweise begrünte Lärmschutzwand um das gesamte 15,6 Hektar große Betriebsgelände gezogen. Zur Bundesstraße B 313, also zur Wendlinger Seite hin, ist die Wand sechs Meter hoch. Der Motorsportclub Köngen-Wendlingen, der lange um seine Existenz bangte, gibt für die Erweiterung sein angestammtes Areal auf und wird auf das benachbarte Gelände der ehemaligen Lackfabrik umgesiedelt, wo eine moderne Trialanlage gebaut werden soll.
Bisher kann das Postfrachtzentrum nur über die Robert-Bosch-Straße angefahren werden – der Bau der neuen Zufahrt an der Plochinger Straße, über die dann fast der gesamte An- und Abfahrtsverkehr laufen soll, soll die Situation wesentlich entzerren. Rückstaus auf der Landstraße sollen aufgrund der größeren Kapazitäten für wartende Lastwagen innerhalb des Zentrums der Vergangenheit angehören. Die Zulieferer, die von der A 8 kommen, sollen bis zur Ausfahrt Köngen-Nord fahren und über den Kreisel auf die Plochinger Straße gelangen. Von Stuttgart aus soll die Abfahrt Wernau der B 313 genutzt werden. „Damit das funktioniert, ist allerdings ein Leitsystem für die Fahrer zwingend notwendig“, sagte Schneider. Tabu sein soll die Abfahrt Köngen-Wendlingen der B 313, die bislang immer mal wieder von Zulieferern genutzt wird. Empfohlen wird zudem, die geltende Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Plochinger Straße von 70 auf 50 Kilometer pro Stunde zu reduzieren.

Mehrbelastung durch Verkehr
Den Köngener Gemeinderat Günter Hoffelner (Freie Wähler) treibt neben dem erhöhten Verkehrsaufkommen besonders der Lärm um: „Die Lärmschutzwände schützen uns vor dem Lärm, der vom DHL-Gelände ausgeht, aber nicht vor dem Verkehrslärm.“ Bürgermeister Otto Ruppaner räumte ein, dass mit der Erweiterung eine verkehrliche Mehrbelastung einhergehe. Entscheidend sei aber, dass der Verkehr nicht durch den Ort geführt werde. Auch der Unterhalt der Straßen und ein möglichst simples Leitsystem trieben die Köngener Gemeinderäte um – letztlich fiel der Beschluss aber wie auch in Wendlingen einstimmig.
Den Wendlinger Kommunalpolitikern bereitete neben möglichen Schallreflexionen an der Lärmschutzwand auch das teils wilde Parken von DHL-Fahrzeugen im Gewerbegebiet am Schäferhauser See Sorgen. Laut DHL-Vertretern würden Schallreflexionen an der Wand aber durch eine hohe Absorptionsfähigkeit des Materials vermieden. Und Parkplätze sollen künftig innerhalb des Betriebsgeländes in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.

kd/Foto: Kerstin Dannath


Klare Spielregeln für Feste

Esslinger Verwaltung will mehr Veranstaltungstage in Innenstadt ermöglichen – Open-Air-Richtlinien überarbeitet

Die Esslinger Innenstadt bietet reizvolle Kulissen, um zu feiern und um Kultur unter freiem Himmel zu genießen. Doch was Besucher und Veranstalter freut, kann für Anwohner von Marktplatz, Rathausplatz und Hafenmarkt zur Bürde werden. Seit 1997 regeln Open-Air-Richtlinien, was in der Innenstadt möglich ist. Dass Anwohner, Bürgerausschuss, Marktbetreiber und Veranstalter versuchen, einen gemeinsamen Weg zu gehen, hat sich nach Einschätzung der Stadtverwaltung bewährt. Weil das sommerliche Veranstaltungstreiben zuletzt immer wieder Ausnahmen nötig machte, will die Stadt das Regelwerk jedoch anpassen – und einige zusätzliche Veranstaltungstage festschreiben.
Gewöhnlich sind Veranstaltungen in der Innenstadt werktags bis 20 Uhr möglich. Im Ausnahmefall können sie bis 23 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen zugelassen werden. Näheres regeln die Open-Air-Richtlinien – unter anderem die maximale Zahl von Veranstaltungen, die nach 20 Uhr enden. Zusätzliche Tage muss der Gemeinderat im Einzelfall legitimieren. Das soll nun anders werden – sofern die Ratsmitglieder am 16. Juni der geplanten Änderung des Regelwerks zustimmen. „Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen der Veranstaltungen auf dem Marktplatz/Rathausplatz müssen die Open-Air-Richtlinien Innenstadt angepasst werden“, ließ die Verwaltung den Verwaltungsausschuss wissen.

„Toleranz der Bewohner nicht überstrapazieren“
Zuvor hatten Verwaltung und Stadtmarketing ihre Überlegungen mit dem Bürgerausschuss erörtert. Dessen langjährige Vorsitzende Barbara Frey hatte in der jüngsten Einwohnerversammlung betont: „Die Toleranz der Innenstadt-Bewohner ist groß, aber sie darf nicht überstrapaziert werden.“ Erklärtes Ziel der Stadt ist deshalb „ein möglichst reibungsloses Miteinander der Bewohner, der anliegenden Geschäfte und Gastronomen und der Stadt“. Dazu gehört auch, dass eine konkrete und zeitlich möglichst eng begrenzte Auf- und Abbauplanung Teil der Genehmigung sein muss.
Die Verwaltung ist vom Handlungsbedarf überzeugt: Wenn alle wiederkehrenden Veranstaltungen weiterhin gesetzt sind, bleiben nach den bislang gültigen Richtlinien nur noch zwei Veranstaltungstage mit Ende vor 22 Uhr zur freien Vergabe übrig. Damit würde die Stadt etwa beim Schwörfest, wie sich das Bürgerfest künftig nennt, Probleme bekommen: Nach dem neuen Konzept beginnt das dreitägige Fest nämlich bereits am Freitag auch auf dem Marktplatz, und es endet am Sonntag um 18 Uhr. Damit am Freitag bis 24 Uhr gefeiert werden kann, musste der Kulturausschuss einen zusätzlichen Tag bis Mitternacht separat genehmigen.
Ähnliches beim Estival: Das Stadtmarketing möchte die Open-Air-Sause von elf auf 13 Tage ausdehnen. „Somit sind auch hier zwei weitere Veranstaltungstage nach 22 Uhr nötig“, heißt es in der Sitzungsvorlage für den Gemeinderat. „Dies ist nach den alten Richtlinien nicht mehr möglich.“ Und für außergewöhnliche Veranstaltungen wie etwa das CVJM-Jubiläum gäbe es ohnehin keine freien Tage mehr im Veranstaltungskalender. Vor allem von Juli bis Anfang August ballen sich auf dem Marktplatz die Veranstaltungen. „Dies würde 2023 durch das Landeskinderturnfest nochmals verschärft“, erläutert die Verwaltung. Für das Kulturfest „Stadt im Fluss“ sind alle drei Jahre sowohl für den Markt- und Rathausplatz als auch für den Hafenmarkt drei zusätzliche Tage nötig, zwei davon mit einem Veranstaltungsende nach 22 Uhr. Auch das soll künftig in den Richtlinien dauerhaft berücksichtigt werden.
Derzeit verlangen die Open-Air-Richtlinien nach zwei Veranstaltungswochenenden zwingend ein Ruhewochenende. „Ein Verzicht auf diese Ruhewochenenden wenigstens für Juli/August wäre sinnvoll“, heißt es im Rathaus. Dies würde auch den Wochenmarktbeschickern entgegen kommen.
Diesem Vorschlag sei der Bürgerausschuss Innenstadt allerdings nicht gefolgt. Signalisiert habe der Ausschuss jedoch seine grundsätzliche Bereitschaft, bei konkreter terminlicher Kollision im Einzelfall auch mal Ausnahmen hinzunehmen. Erstmals würden die überarbeiteten Open-Air-Richtlinien für die Innenstadt in der Freilichtsaison 2024 gelten – allerdings nur, wenn der Gemeinderat am 16. Juni seine Zustimmung dafür gibt.

adi/Foto: Roberto Bulgrin