Weinbauern im Landkreis sind mit dem Jahrgang sehr zufrieden – Wengerter spüren Probleme der Gastronomie

Für viele Branchen und in vielen Bereichen verläuft das Jahr 2020 alles andere als gut. Die Wengerter im Land blicken jedoch auf ein erfreuliches Ergebnis: Der Wein habe eine sehr gute Qualität, allein die Menge lasse zu wünschen übrig, so heißt es unisono bei den Weinbauern im Kreis Esslingen.
Auch der Verein der Weinbergbesitzer Weilheim hat die Lese beendet. Der Vereinsvorsitzende Werner Kauderer sieht einen Spitzenjahrgang bei einer geringeren Menge heranreifen. 99 Grad Oechsle habe die Messung beim Spätburgunder ergeben.
Die Genossenschaft Hohenneuffen-Teck arbeitet an Neuerungen. So planen Geschäftsführerin Christine Anhut und ihr Team die Weiterführung der „Täleswein to go“ genannten Probierstände im Freien – im Winter vielleicht mit Glühwein. „Wir merken natürlich die Probleme der Gastronomie und der Veranstaltungsbranche, da ist der Absatz schon deutlich gesunken“, sagt Anhut. Die Winzer am Fuß der Alb wollen ihre Serie der fruchtigen Weine von zwei auf fünf Tropfen ausbauen. „Cool White und Easy Red kommen bisher vor allem bei jungen Leuten gut an“, so Anhut. Diese Weine bekommen auch neue Etiketten. Was den künftigen Inhalt der Flaschen betrifft, ist Anhut sehr zufrieden. „Wir können einen sehr guten Jahrgang mit sehr aromatischen Weinen erwarten“, sagt sie, „vor allem beim Rotwein.“
Die Qualität vergleicht Anhut mit dem Jahr 2018, die etwas geringere Menge mit der des Jahres 2017. Für das Weniger im Bottich seien die kleinen, leichten und kompakten Trauben verantwortlich, hervorgerufen durch die trockene Wärme.
Auf Esslinger Gemarkung ist die Lese abgeschlossen. „Das wird ein sehr guter Wein“, ist sich Ramona Fischer, die Geschäftsführerin der Esslinger Weingärtnergenossenschaft, sicher. „Wir haben aufgrund des warmen und trockenen Wetters wunderschöne Trauben geerntet.“ Unwetter gab es keine, ein Hagelstreifen im Mai habe allenfalls für einen geringen Ausfall gesorgt. Nur die Menge lasse in diesem Jahr zu wünschen übrig. Alle Trauben sind jetzt runter vom Rebstock, bis auf den Spätburgunder, den die Esslinger Wengerter zu einer Trockenbeerenauslese ausbauen wollen. Sie werden bis Mitte November hängen. Aktuell bieten die Esslinger ein Traubensaft-Schorle an, das auch Saft aus unreifen Trauben enthält, was das Getränk frisch und spritzig mache, erklärt Fischer. In Planung ist ein Traubenpunsch, ebenfalls ohne Alkohol, mit dem man auch auf coronabedingte Alkoholverbote reagieren könne.
Das spannendste Projekt der Esslinger Weinbauern ist die Probierstube, die in den Räumen des ehemaligen Cosmopolita, Am Marktplatz 25, eröffnet werden soll. „Mitte November öffnen wir die Vinothek“, kündigt Fischer an. Sie soll eine hochwertige Probierstube sein, ein In-Treff für Liebhaber des Esslinger Weins, für Touristen wie für Gäste aus der Region. Ausgeschenkt werde in 0,1- und 0,2-Liter-Gläsern, Essen gibt es dort nicht. Die Vinothek soll bis Januar offen bleiben, dann folgen größere Umbauarbeiten, bis die Vinothek im März dauerhaft geöffnet werden soll. Am Namen werde noch getüftelt.
Auf der anderen Seite des Neckars gibt es eine Premiere: Wein aus Ostfildern wird es in diesem Jahr erstmals seit langer Zeit geben. Seit 1925 genau genommen. Obst- und Weinbauer Christoph Clauss aus Esslingen hat auf der Domäne Weil, die zur Gemarkung Ostfildern gehört, auf rund drei Hektar Fläche Riesling und Spätburgunder angepflanzt und knüpft damit an eine alte Tradition an. „Auch auf dieser Seite des Neckars wurde früher Wein angebaut“, sagt Christoph Clauss. Das habe gedauert, bis die Reblaus kam und die Stöcke vernichtete. bob / Foto: Brändli