Baustellenbesichtigung: Arbeiten an der Vogelsangbrücke in vollem Gang – Lager für Pfeiler werden ausgetauscht

Derzeit wird die Vogelsangbrücke in Esslingen saniert. Nach Wochen der Vorbereitungen haben nun die eigentlichen Arbeiten begonnen. Die Brücke soll auf ihr Grundgerüst reduziert und dann verstärkt wieder aufgebaut werden.
Bis Oktober läuft die erste Bauphase, in der zunächst der westliche Brückenteil ertüchtigt wird. Der schadhafte Konstruktionsbeton wird ausgebessert. Dann werden Brückenausbauten wie Abdichtungen, Fahrbahnbeläge, Gehwege, Geländer, Beleuchtung, Lichtsignalanlagen, Entwässerungs-, Strom- und Nachrichtenleitungen sowie die Gas- und Wasserleitungen der Stadtwerke Esslingen erneuert. Zusätzlicher Stahlbeton im Brückenhohlkasten, verstärkte Brückenpfeiler sowie Brückenlager und Kohlefaserlamellen – mit etwa zwei Kilometer Gesamtlänge – an der Unterseite der Brücke stützen das Bauwerk.
Auch unter der Brücke und an den Rampen tut sich einiges: Der Austausch der tragenden Lager an den Rampenpfeilern ist in Vorbereitung. Die Rampe, die vom Hauptbahnhof her auf die Brücke führt, ist gesperrt, ebenso wie Teile der Fahrbahn in Richtung Pliensauvorstadt. Dort wird die Auflage der Brücke – eine wenige Zentimeter dicke Schicht aus Asphalt und darunterliegendem Harz – abgefräst. Regine Zunker, die Leiterin der Abteilung Ingenieurbauwerke beim Tiefbauamt, drückt es so aus: „Wir reduzieren das Bauwerk auf sein Grundskelett und bauen es dann wieder auf.“ Dabei werden auch 140 Sensoren eingebaut, so dass Veränderungen in der Stabilität und Tragfähigkeit per Ferndiagnose gecheckt werden können.
Noch ist nicht der gesamte Belag abgefräst, an einigen Stellen hält sich auch das Harz recht hartnäckig, so dass Spezialfräser im Einsatz sind. Bei den Arbeiten fallen auch frühe Bausünden auf: An einigen Stellen an der Rampe schaut nach dem Fräsen die Bewehrung heraus, weil die Betonauflage zu dünn war. Die Hauptsorge bereitet die Spannbetonkonstruktion der Brücke. „In den 70er-Jahren wurden Stahllegierungen verwendet, die nicht so langlebig waren, wie die später verwendeten“, erklärt Zunker. Zudem seien die Belastungen durch den Verkehr enorm gestiegen.
Das Abfräsen der Oberfläche der Brücke hat auch die Möglichkeit geschaffen, die Stahlkonstruktionen im Inneren der Brücke besser zu beurteilen. Eine sogenannte Streufeldmessung gibt Auskunft. Dafür fährt ein Magnet über den Beton, der Stahl im Inneren wird aufgeladen. Brüche und Risse zeigen sich dann durch Polbildung. Mit den Ergebnissen der Untersuchungen rechnet das Tiefbauamt demnächst. Die Erkenntnisse daraus beeinflussen wiederum die Platzierung der Sensoren. An kritischen Stellen könnten dann beispielsweise mehrere Sensoren sitzen.
Unter der gesperrten Rampe wird an den auf den Pfeilern sitzenden Lagern gearbeitet. Diese Metallkonstruktionen gleichen die Bewegungen und die Gewichtsbelastungen zwischen Rampe und Pfeiler aus. Durch die Verschiebung der Hauptlast in die Mitte der Rampe ändert sich die Belastung.
Neue Lager, Metallkästen von rund einer halben Tonne Gewicht, werden deshalb eingebaut. Die Brücke wird dafür über den Pfeilern ein paar Zentimeter angehoben. Insgesamt werden acht neue Lager verbaut. „Diese Teile werden extra für Esslingen angefertigt“, erklärt Oberbauleiter Kai Händler von der Firma Züblin, die gemeinsam mit der Firma Leonard Weiss die Arbeiten ausführt. Laut Händler arbeiten bis zu 25 Personen aus bis zu 15 Gewerken derzeit an der Sanierung. Nach den Arbeiten ist die Brücke ertüchtigt und kann die zusätzliche Verkehrslast aufnehmen, die durch den geplanten Abbruch und Neubau der Hanns-Martin-Schleyer-Brücke entsteht.
„Die Brücke hat nach der Sanierung wieder eine Restlebensdauer von mindestens 20 Jahren“, erklärt Sufian Kurdi, der Projektleiter der Baustelle. Etwa 43 000 Fahrzeuge benutzen die Vogelsangbrücke täglich. 19,4 Millionen Euro kostet die Sanierung, 5,9 Millionen Euro gibt das Land. „Allein der Gerüstaufbau und die Sicherung der Baustelle haben 3,5 Millionen Euro verschlungen“, erklärt Uwe Heinemann, Leiter des Esslinger Tiefbauamts. Bis Oktober 2020 soll die Brücke wieder offen sein. bob / Foto: bob