Schon mehrfach schien die Fußgängerverbindung dem Untergang geweiht – Nun ergeben sich ganz neue Perspektiven
Seit Jahren bewegt der Alicensteg die Gemüter. Immer wieder scheint es, als sei die Fußgängerverbindung zwischen Merkelpark und Zollberg dem Untergang geweiht – nur, um dann doch erhalten zu bleiben. Erst Anfang des Jahres wurde der Abriss beschlossen, der Beschluss aber bald auf Eis gelegt. Inzwischen ist wieder alles anders: Neuerdings favorisieren das Land und die Stadt Esslingen die Führung des Radschnellwegs über den Alicensteg. Das könnte nun die Wende für die schon mehrfach abgeschriebene Brücke bringen.
Denn damit ist klar, dass der Alicensteg komplett abgerissen und neu gebaut werden muss. Zuletzt hatte sich der Gemeinderat für einen Neubau der Fußgängerbrücke auf dem bestehenden Unterbau ausgesprochen. Doch wenn der sogenannte RS 4, der geplante Radschnellweg zwischen Stuttgart und Reichenbach, über den Steg führen soll, reicht der aktuelle Unterbau nicht aus. Schließlich muss der Radschnellweg gemäß den Vorgaben vier Meter breit sein. Zudem soll ein Fußgängerweg über den Alicensteg führen. Beim Regierungspräsidium Stuttgart (RP), das die Planungen für den Radschnellweg vorantreibt, rechnet man deshalb mit einer Breite von mindestens 6,50 Meter für den neuen Alicensteg. Vom RP heißt es: „Für die neue Radschnellwegbrücke kann der bestehende Alicensteg nicht genutzt werden.“ Man müsse eine neue Brücke errichten.
Diese muss nicht nur breiter sein als der jetzige Steg, sondern auch barrierefrei. Die Treppen, die aktuell die beiden Ebenen des Alicenstegs verbinden, sind damit ebenfalls passé. Stattdessen soll künftig ein durchgehend mit dem Rad befahrbares Gesamtbauwerk den Neckar und die B 10 überspannen, das laut den Vorgaben für Radschnellwege nicht mehr als sechs Prozent Steigung haben darf. Welche Dimension das Gesamtbauwerk haben werde, sei ebenso wenig Gegenstand der derzeitigen Planungsphase wie die genaue Lage des künftigen Alicenstegs, heißt es aus dem RP. Auch zum Bauablauf sowie zu möglichen Einschränkungen des Verkehrs auf der B 10 oder auf dem Neckar während der Bauarbeiten könne man sich noch nicht äußern.
Nach Einschätzung von Uwe Heinemann, Leiter des Esslinger Tiefbauamts, dürfte es aber durchaus möglich sein, den Neubau des Alicenstegs ohne längere Sperrungen der B 10 oder des Schiffsverkehrs zu stemmen. Bei einem kompletten Neubau könnten zunächst die Fundamente errichtet und der fertige Überbau quasi in einer Hauruck-Aktion aufgesetzt werden.
Im Gemeinderat hatte Heinemann stets davor gewarnt, längere Sperrungen von B 10 und Neckarschifffahrt zu riskieren – jedoch im Zusammenhang mit einer Instandsetzung des Unterbaus des Alicenstegs. Für Arbeiten am Bestand reicht der Platz neben der B 10 laut Heinemann nicht aus. Bei einem Neubau sei das anders. Klar sei: „Das neue Bauwerk hat nichts mehr mit dem Alicensteg in seiner jetzigen Form zu tun.“
Eigentlich hätte der Alicensteg bei den Haushaltsberatungen des Esslinger Gemeinderats wieder auf der Agenda gestanden. Auf Antrag der SPD hatte das Gremium entschieden, erst auf Grundlage eines noch zu erstellenden Brücken-, Stege- und Wegekonzepts für die Gesamtstadt über die Zukunft des Stegs zu entscheiden. Doch: „Solange der Radschnellweg über den Alicensteg diskutiert wird, hat sich das Thema im Gemeinderat erledigt“, sagt Heinemann. Schließlich sei das Land für den Radschnellweg zuständig – und damit auch für dessen Planung und Finanzierung.
Allerdings müsse wohl über eine Kostenbeteiligung der Stadt für den Fußgängerweg auf der neuen Brücke gesprochen werden, so Heinemann. Denn für diesen ist das Land nicht zuständig. Vom RP heißt es dazu, dass eine Kostenteilung auf Grundlage des Straßengesetzes Baden-Württemberg erfolge. Konkrete Zahlen könne man aber noch nicht nennen. Auch der Zeitplan stehe noch nicht. Aber man gehe davon aus, dass die ersten Abschnitte des RS 4 frühestens im Jahr 2026 fertiggestellt werden könnten.
meb/Foto: Roberto Bulgrin