Die Pandemie bringt nicht nur Kliniken an ihre Grenzen – Auch Rettungsdienste im Kreis stöhnen über Mehrbelastung

Die Rettungsdienste sind sich einig: Das System werde eine dauerhafte Belastung wie in diesen Tagen und Wochen nicht verkraften. „Extrem angespannt“ sei die Situation, sagte die Sprecherin der Johanniter im Regionalverband Ostwürttemberg, Mareen Kupka, Ende des vergangenen Jahres. „Jeder Transport eines infizierten Patienten erfordert Sorgfalt, ist aufwendig und anstrengend“, sagt sie. Die Einschätzung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ist ähnlich. „Die körperliche Belastung hat sich verdoppelt“, sagt Michael Wucherer, Rettungsdienstleiter des DRK Esslingen-Nürtingen.
Die Rettungsdienstmitarbeiter arbeiten in einem Zwölf-Stunden-Schichtsystem. Eigentlich gibt es bei diesem Schichtsystem stets auch Bereitschaftszeiten, die einer kurzen Erholung zwischen den Einsätzen dienen sollen. Die Bereitschaftszeiten fallen aber derzeit weitgehend weg. Die Rettungsdienstmitarbeiter arbeiten durch, an manchen Tagen ohne Pause, so Wucherer. Hinzu kommt, dass die Arbeit wegen des Virus oft in Schutzanzügen gemacht wird.
„Wir haben die Grenze der Belastbarkeit unserer Mitarbeiter eigentlich überschritten“, sagt der Rettungsdienstleiter. Überstunden werden aufgebaut, die nicht zeitnah abgebaut werden können, und Urlaubsanträge können beim DRK teils nicht genehmigt werden. Bei den Johannitern ist es ähnlich. Von einer strikten Urlaubssperre sieht man aber ab – wohlwissend, dass die Mitarbeiter die Urlaubstage dringen zu Erholung benötigen.
Die Hygienemaßnahmen nach einem Einsatz mit einem Coronapatienten sind umfangreich. So müssen die Fahrzeuge in Schutzanzügen desinfiziert werden. Anschließend werden die Schutzanzüge entsorgt. Wer ohne Schutzanzug Kontakt zu einem Coronapatienten hatte, muss sich komplett umziehen und duschen. Die möglicherweise mit Viren belastete Kleidung wird in einem speziellen Kunststoffsack verschlossen. Die Kleidung kommt samt Sack in die Waschmaschine, wo dieser sich auflöst. Das Prozedere kostet Zeit und zehrt an den Nerven der Rettungsdienstmitarbeiter.
„Irgendwann müssen wir wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen“, sagt Wucherer. Wann das sein wird, kann er aber nicht sagen. Die vorgeschriebenen Hilfsfristen könnten trotz der Belastung weiterhin eingehalten werden, betont er. Für die Mitarbeiter bedeute es allerdings erhöhten Stress, wenn sie beispielsweise während der Patientenübergabe in einem Krankenhaus direkt in den nächsten Einsatz gerufen werden. Dass die Einsatzzeiten und die Notversorgung auch unter den Pandemiebedingungen aufrecht erhalten werden, versprechen auch die Johanniter. „Jeder Einsatz wird mit der gewohnten gleichbleibenden Qualität abgearbeitet“, sagt Kupka.
Coronabedingte Ausfälle unter den Rettungskräften gebe es dank einer hohen Impfquote und den beschriebenen Schutzmaßnahmen bei der Arbeit nicht allzu häufig. „Der Rettungsdienst ist mit einer sehr hohen, im Vergleich zu anderen Diensten herausragenden Impfquote vergleichsweise gut auf die Virusvariante vorbereitet“, so die Johanniter-Sprecherin Kupka.
bra / Foto: Philipp Braitinger