Notvergabe des Bus-Linienbündels zwischen Aichtal und Filderstadt genehmigt – Das kommt den Landkreis teuer

Weil dem Unternehmen Omnibusverkehr Melchinger GmbH die Fahrer von der Fahne gegangen sind, war der Busfahrplan auf den Fildern im Herbst ordentlich aus dem Takt geraten. Die Buslinien zwischen Filderstadt und Aichtal wurden gar nicht oder zu spät bedient, die Fahrgäste standen im Regen. Nachdem eine Reihe von anderen Unternehmen unter der Führung der Firma Schlienz-Tours kurzfristig eingesprungen waren, hat sich die Lage wieder normalisiert. Die Busse verkehren wieder zuverlässig und pünktlich.
„Seit 14 Tagen ist Ruhe“, stellte der Esslinger Landrat Heinz Eininger in der Sitzung des Kreistagsausschusses für Verwaltung und Finanzen in der vergangenen Woche fest. Die Ruhe hat ihren Preis: Weil der Landkreis zu einer Notvergabe für das Linienbündel gezwungen war, laufen während der fünfmonatigen Vertragsdauer pro Monat rund 120 000 Euro an Kosten mehr auf, als es bei dem ursprünglich auf zehn Jahre ausgelegten Vertrag mit der Firma Melchinger der Fall gewesen wäre.
Immerhin gewinnt der Landkreis mit der kurzfristigen Notvergabe des Linienbündels an die bisher schon federführende Firma Schlienz-Tours Zeit, um eine Interimsvergabe vorzubereiten. Weil aber auch die auf zwei Jahre befristet ist, werden zusätzliche Kosten anfallen. Die Zwei-Jahres-Frist ist notwendig, um das vorgeschriebene europaweite Vergabeverfahren durchzuführen. Auf dessen Grundlage wird dann das Linienbündel 11 neu und dann auf acht bis zehn Jahre vergeben. Erst wenn das geschehen ist, dürfte sich der Landkreis finanziell wieder in ruhigerem Fahrwasser bewegen.
Mitte November war die zuvor schon unbefriedigende Situation auf den von der Firma Melchinger bedienten Linien eskaliert. Am 16. November dann hatte der vom zuständigen Amtsgericht Esslingen bestellte vorläufige Insolvenzverwalter reinen Tisch gemacht. Seine Mitteilung an das Landratsamt, wonach das Unternehmen sich nicht mehr in der Lage sieht, den Verkehr im Linienbündel 11 zu erbringen, machte der Hängepartie ein Ende.
Das Unternehmen ist schon der dritte Vertragspartner des Landkreises, der das Handtuch geworfen hat. Zuvor schon war die Firma Rexer aus dem Esslinger Nahverkehr ausgestiegen. Das in Grafenberg (Kreis Reutlingen) beheimatete Omnibusunternehmen Bader, das im Raum Nürtingen unterwegs gewesen war, hatte im Februar Insolvenz angemeldet.
Dass nun Witgar Weber, der Geschäftsführer des Verbands der baden-württembergischen Omnibusunternehmer, in einem Zeitungsinterview mit den Worten „wer Linien an Busunternehmen vergibt, die am billigsten fahren, muss sich über Probleme nicht wundern“, dem Landkreis eine Mitschuld an dem Dilemma gegeben hat, ist im Ausschuss gar nicht gut angekommen. Er habe selten so etwas Inkompetentes von einem Lobbyisten gehört, ereiferte sich Bernhard Richter, der Fraktionschef der Freien Wähler. „Es ist schlichtweg unverschämt, was dieser Mann von sich gibt“, kommentierte er Webers Vorwurf, der Kreistag würde Dinge beschließen, ohne sie aus eigener Erfahrung zu kennen und dann aus dem Hörensagen darüber diskutieren. Auch Eininger wies Webers Kritik als „holzschnittartig“ zurück. Das Angebot des Busunternehmens sei kein Dumping-Angebot gewesen. „Die Vergabe ist nach EU-Richtlinien erfolgt. Wir mussten den Unternehmen den Zuschlag erteilen. Wenn nicht, hätten wir jeden Vergabeprozess verloren“, so der Kreischef.
Während auf den Fildern die Kuh vorläufig vom Eis scheint, ist die Diskussion über die künftige Rolle des Nahverkehrs im Kreis Esslingen erst am Anfang. Bei der Fortschreibung des Nahverkehrsplans für die kommenden fünf Jahre kündigten alle Fraktionen noch erheblichen Diskussionsbedarf an. Der Plan, so die Kritik, würde den Verkehr lediglich verwalten und zeige keine überzeugende Zukunftsstrategien auf.
Adt/Foto: Ines Rudel