Lange Schlangen, langer Antragsstau: Damit war der Esslinger Bürgerservice Einwanderung in die Schlagzeilen gerückt – Die Situation hat sich verbessert

Donnerstagmorgen, 8 Uhr: Rund 60 Menschen haben sich in die Schlange vor dem Esslinger Bürgeramt eingereiht. Rote Pylonen und ein paar Ordnungskräfte leiten die Wartenden in kleineren Gruppen in den ersten und zweiten Stock. Dort wartet eine Mitarbeiterin des Ausländeramts, das seit ein paar Monaten Bürgerservice Einwanderung heißt.
In den vergangenen Wochen hat es intensiv daran gearbeitet, diesem Namen irgendwann auch gerecht werden zu können. Die Mitarbeiterin nimmt die Kundinnen und Kunden in Empfang und verteilt sie je nach Anliegen und Anfangsbuchstaben auf rund zehn Zimmer. Vor denen warten sie dann abermals, bis sie an der Reihe sind. Denn in den jeweiligen Zimmern finden sie einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin speziell für ihre Belange.
„Ein Quantensprung“ – so bewertet der Esslinger Sozialamtsleiter Marius Osswald die Umstrukturierungen und deren Folgen für die Betroffenen. Noch im Oktober hatte die 90 000-Einwohner-Stadt, in der rund 25 000 Ausländer leben, mit ihrer Ausländerbehörde Negativschlagzeilen gemacht. Mails, Kontaktformulare und Anrufe liefen ins Leere. Die Betroffenen warteten monatelang auf eine Reaktion – und noch viel länger auf einen Termin. Mit teilweise fatalen Folgen. Auch die anderen Ausländerbehörden im Land sind überlastet, hatte eine SWR-Umfrage im Sommer ergeben. Grund seien der Krieg in der Ukraine, die Mehrbelastungen und der Personalmangel.
Dennoch waren die Probleme in Esslingen besonders eklatant. Mehr als 100 Menschen reihten sich am einzigen offenen Sprechtag in der Woche teils schon in den frühen Morgenstunden in einer Schlange im Freien ein, um überhaupt an das Amt heranzukommen. Bis einem Esslinger der Geduldsfaden riss, als seine Lebensgefährtin aus Kenia ihre neue Stelle wegen eines fehlenden Stempels nicht antreten konnte. Seine Online-Petition, die für Kundschaft und Mitarbeitende „unzumutbare Situation“ in der Ausländerbehörde endlich anzugehen, unterschrieben mehr als 300 Menschen. Die Kommentare dazu berichteten von Menschen, denen wegen fehlender Dokumente der Verlust von Wohnung und Arbeitsplatz drohte oder die gar nicht erst anfangen konnten zu arbeiten. Oder die ihre Familien im Ausland nicht besuchen konnten.
Wie bei dem ebenfalls kritisierten Bürgeramt, das mittlerweile ebenfalls große Schritte nach vorne gemacht hat, hat sich die Stadt in den vergangenen Wochen intensiv um den Service für ihre ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bemüht. Ende Oktober begann der Umzug aus den beengten Räumen in die ersten beiden Stockwerke des Bürgeramts. Dort stehen nunmehr zehn Räume zur Verfügung, in denen die Kundinnen und Kunden am offenen Sprechtag ein Gegenüber finden. Mehr noch: Da sie jetzt bereits in die Zimmer verwiesen werden, in denen sich auch ihre Unterlagen befinden, kommen sie laut Osswald an diesem Tag mit ihrem Anliegen auch wirklich ein Stück weiter. „Statt 80 können wir jetzt mehr als 400 Menschen bei der offenen Sprechstunde bedienen.“ Auch die Termine nach Vereinbarung stiegen von 80 auf 120 in der Woche.
Osswald will die derzeit mehr als 2000 offenen Anträge auf 750 drücken. „Auf null werden wir nie kommen, weil ja immer neue dazukommen. Aber wir haben jetzt die Struktur und das Personal so aufgestellt, dass wir unser Ziel auch angehen können.“ Ob das aufgeht, könne man frühestens drei Monate nach dem Umzug einschätzen. Erste Tendenzen machen jedenfalls Mut: Von rund 3100 Kontaktformularen, mit denen die Kunden ihr Anliegen online bei der Behörde äußern können, sind in diesem Monat gut 1500 noch offen oder in Bearbeitung, aber knapp 1600 erledigt – in den Monaten davor sah das Verhältnis deutlich schlechter aus. Durch die strukturelle Umstellung habe man auch mehr Zeit für die Sachbearbeitung der aufgelaufenen Fälle gewonnen, sagt die Abteilungsleiterin Stephanie Gutbrod. Von Januar an ist der Bürgerservice Einwanderung mit 26 Vollzeitstellen besetzt. Allein 2020 waren sieben Stellen dazugekommen, drei weitere werden noch ausgeschrieben.
Die Kundschaft äußert sich noch etwas verhalten in der Bewertung der Situation. „Ja, es ist hier draußen etwas besser geworden“, sagt ein Mann. „Aber das heißt noch nicht, dass die Arbeitsabläufe innen besser funktionieren“, ergänzt eine Ehrenamtliche, die einen jungen Asylbewerber begleitet. Wer kein Deutsch spreche und keinen Druck mache, komme nach wie vor nicht richtig voran. Die Verwaltung verweist auf die Komplexität der Verfahren. Osswald: „Aber unser Weg geht in eine gute Richtung. Und wir haben jetzt eine ganz andere Stimmung hier. Die Menschen sind deutlich entspannter.“
biz / Foto: Roberto Bulgrin