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Am Wochenende startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In den vergangenen zwei Spielzeiten hat der VfB Stuttgart nur knapp den Klassenverbleib geschafft. Bleibt der VfB auch dieses Mal drin?

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Bleibt der VfB drin?

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Lebensstil verschlingt Flächen

Projekt Weltacker zeigt, wie viel Fläche nötig ist, um uns zu ernähren, zu kleiden und Energie zu erzeugen

Nicht jeder Mensch nutzt die gleiche Fläche, um sich zu ernähren, zu kleiden und seinen Energiebedarf zu decken. Wo viele tierische Produkte auf den Tisch kommen, wird mehr Fläche benötigt. Das Projekt Weltacker der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) möchte den Zusammenhang von Konsumverhalten und Flächenverbrauch verdeutlichen und zeigen, wie groß die Fläche ist, die im Durchschnitt weltweit pro Mensch zur Verfügung steht. Auf dem Hofgut Tachenhausen in Oberboihingen kann man beispielhaft diese Fläche besichtigen.
Ein Gefühl für das eigene Konsumverhalten vermitteln möchte die Professorin für Agrarökologie Maria Müller-Lindenlauf, die mit ihrem Team den Weltacker umgesetzt hat. Der Flächenverbrauch in Deutschland ist mit 4300 Quadratmetern pro Person deutlich größer, heißt es in der Projektbeschreibung, die folgert: „Wir nutzen also pro Kopf etwa doppelt so viel Fläche, wie uns im Durchschnitt zustünde.“
Berechnet wurde dies auf der Basis von acht Milliarden Menschen weltweit (Stand November 2022). Da sich die Weltbevölkerung laut HfWU etwa 1,5 Milliarden Hektar Ackerland teilt, stehen jedem Menschen rechnerisch 1850 Quadratmeter Ackerfläche zur Verfügung.
An diesem Abend steht Müller-Lindenlaufs wissenschaftliche Mitarbeiterin Hannah Weinläder auf dem Feld und erklärt, dass Getreide als wichtigster Kohlenhydratlieferant für die menschliche Ernährung den größten Flächenanteil auf dem Weltacker in Tachenhausen einnimmt.
Die drei wichtigsten Arten Weizen, Reis und Mais benötigen etwa 40 Prozent der Fläche, wobei Reis hier nicht angebaut wird. Etwa 91 Prozent der weltweiten Ernte stammt aus China, Indien und Südostasien, erklärt Weinläder. Die HfWU habe von 2017 an drei Jahre lang zwar Reis in Tachenhausen angebaut, aber trotz Bewässerung sei der Reis nicht reif geworden.
Von der globalen Getreideproduktion wird nur die Hälfte direkt für die menschliche Ernährung verwendet. Weitere 40 Prozent dienen als Viehfutter und etwa 10 Prozent werden für industrielle Nutzungen, vorwiegend als Biotreibstoffe, eingesetzt.
Konzipiert von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft werden in Tachenhausen maßstabsgetreu 40 Kulturen angebaut, die pro Erdenbewohner benötigt werden. Dazu gehören Getreide zum Brotbacken, der Kaffee, den wir zum Frühstück trinken, aber auch die Baumwolle für Kleidung und der Raps für Biodiesel oder technische Öle. Dauergrünland sowie Nahrung aus Jagd und Fischfang sind auf dem Weltacker allerdings nicht abgebildet.
Während die Besucher das Getreide, Gemüse und die Ölpflanzen begutachten und sich über die Probleme rund ums Gießen austauschen, reicht Weinläder Abbildungen herum. Eine Darstellung beeindruckt besonders, wonach für einen Liter Hafermilch 0,8 Quadratmeter Fläche gebraucht werden – für einen Liter Kuhmilch dagegen das Zehnfache.
Der Weltacker macht deutlich, dass die Einteilung dieser Fläche von den Verbrauchs- und Ernährungsgewohnheiten abhängt. „Mit jedem Einkauf erteilen wir Landwirten den Auftrag, ein Stück Acker zu bestellen. Was wir zu welchem Preis kaufen, bestimmt, wie der Acker bestellt wird“, steht in der Beschreibung. Und nicht nur der Mensch brauche diese Ackerfläche zum Leben, sondern auch eine Vielzahl weiterer Organismen. Wie die Flächen bewirtschaftet werden, bestimme, welche Arten dort leben können. Und auch der Bezug zur Artenvielfalt wird deutlich, denn mehr Ackerfläche bedeute weniger Wiesen, Wälder und andere Biotope – alles Flächen, die solche Arten, die nicht vorwiegend auf Ackerflächen vorkommen, zum Leben brauchen. In der Beschreibung zum Weltacker ist auch zu lesen, dass die Hälfte des Ackerfußabdrucks von Deutschland mit dem Konsum tierischer Produkte zusammenhängt, ein Viertel mit dem Konsum pflanzlicher Nahrungsmittel und das letzte Viertel mit Nichtnahrungsmitteln, die für Kleidung und Energie benötigt werden.
„Welche Fläche dürfen wir eigentlich verbrauchen, und wie müssten wir unser Ess- und Konsumverhalten ändern, damit die Flächen für alle ausreichen?“ Diese Fragen wurden auch während der Besichtigung immer wieder im Zwiegespräch diskutiert. Auch das Thema Klimawandel spielte an dem Abend eine Rolle. Und egal ob Dürre oder Überschwemmungen – die Wetterkapriolen setzten den Landwirten mächtig zu, sagte die Landwirtin.

com / Foto: Ines Rudel


Kicken mit Römerschädeln

Auf dem Areal der ehemaligen Lindenturnhalle in Köngen läuft eine archäologische Voruntersuchung

Praktisch immer, wenn in Köngen irgendwo gebaut wird, sind zunächst die Archäologen am Zug. Die Vergangenheit der Kommune reicht bis in die Jungsteinzeit – die begann etwa 10 000 vor Christus und wird als die Epoche definiert, in der sich der Übergang von Jägern und Sammlern zu Hirten und Bauern vollzogen hat. Bekannt ist Köngen indes hauptsächlich aufgrund seiner römischen Vergangenheit – schon die Besatzer aus dem Süden schätzten die exponierte Lage über dem Neckartal und bauten um das Jahr 90 nach Christus ein Kastell.
Seit Mitte Juli steht das Areal der ehemaligen Lindenturnhalle am Ortseingang in Richtung Denkendorf im Fokus der Archäologen, denn dort soll ein Gebäude für Betreutes Wohnen entstehen. Die Grabung ziehe zahlreiche Neugierige an, sagt der Grabungsleiter Michael Wagschal von Archäo BW – das private Unternehmen gräbt im Auftrag des Bauherrn und des Landesamts für Denkmalpflege. Vor allem die betagteren Köngener haben dabei viele Geschichten parat. „Einige von den älteren Herrschaften können sich noch gut daran erinnern, dass in den 1950er-Jahren, als der Festplatz neu gestaltet wurde, zahlreiche Skelette gefunden wurden – sie erzählen, dass die Dorfjugend damals mit den alten Schädeln gekickt hätte“, sagt Wagschal. Jörg Bofinger, zuständiger Referatsleiter im Landesamt für Denkmalpflege und einer von den beiden obersten Archäologen des Landes, muss bei dieser Geschichte trocken schlucken. Es wird wohl ein Geheimnis bleiben, was damals alles verloren ging. Denn die heutige Adolf-Ehmann-Straße entspricht dem Verlauf der einstigen Römerstraße nach Cannstatt. „Und die Römer haben ihre Grabstätten gerne entlang von Straßen errichtet“, erklärt Bofinger. Berühmtestes Beispiel dafür ist die Via Appia bei Rom, die in der Antike von Grabmälern, Gutshöfen und Thermen gesäumt war.
Insofern war sich Bofinger eigentlich sicher, dass auch auf dem Areal der 2022 abgerissenen Lindenturnhalle, das direkt an den asphaltierten Festplatz angrenzt, römische Befunde zu erwarten sind. Mitnichten. Allerdings traten nach gut zwei Wochen aus dem etwa 50 mal 60 Meter großen Untersuchungsgebiet Spuren zweier sogenannter Schlitzgruben zutage, die die Archäologen auf das Jahr 6000 vor Christus datieren. Solche Schlitzgruben werden oft im Umfeld von jungsteinzeitlichen Siedlungen gefunden, in ihnen wurden wohl Tierfelle in diversen Flüssigkeiten wie etwa Urin gegerbt. Passen würde das – Bofinger begründet das mit Hinweisen einer jungsteinzeitlichen Behausung in der Oberen Neuen Straße nur einige hundert Meter entfernt. Der Grund für die Distanz ist einfach: Im Umfeld einer Gerberei stinkt es gewaltig.
Für den Laien spannender sind allerdings die neuzeitlichen Befunde: So wurde neben zwei Pfennigmünzen aus den Jahren 1899 und 1894 auch ein Limonadendeckel aus Porzellan gefunden. Beschriftet mit „R. Weis Köngen“: Das R steht für Richard, die Familie Weis ist seit über 100 Jahren in Köngen ansässig. Sie betreibt bis heute einen Getränkehandel, der sich direkt gegenüber des Lindenturnhallenareals befindet. „Mein Großvater hat auch Limonaden in den Geschmacksrichtungen Zitrone, Orange und Waldmeister abgefüllt und verkauft“, sagt Getränkehändler Gerhard Weis. Er datiert den von den Archäologen gefundenen Limodeckel auf die Zwischenkriegszeit. Vielleicht hat sich also einer der Arbeiter beim Bau der Lindenturnhalle, die 1928 eingeweiht wurde, mit einem einheimischen Getränk von gegenüber erfrischt. Der Limodeckel aber wird ins Zentrale Fundarchiv des Landes in Rastatt wandern.
„Die Lindenturnhalle war unterkellert“, erklärt Bofinger, auch deshalb sei nicht viel gefunden worden – die Eingriffe in den Boden in der Vergangenheit waren zu stark. Der Archäologe rechnet allerdings damit, dass die Befunddichte der beiden noch ausstehenden Areale, also der Festplatz und der Ortseingang in Richtung Denkendorf, um einiges höher sein wird. „Da wird sicherlich das eine oder andere Grab im Boden sein“, vermutet Bofinger.

kd / Foto: Kerstin Dannath


Fairteiler im Scharnhauser Park

Der Verein Schapanesen möchte zu einem bewussten Umgang mit Lebensmitteln beitragen

In Deutschland werden jedes Jahr rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt. Neben Ungenießbarem werden aber auch essbare Lebensmittel weggeworfen. Weltweit werden bis zu 40 Prozent der produzierten Lebensmittel nie gegessen.
Neben der Überproduktion von Lebensmitteln entstehen bei der energieintensiven Herstellung zudem jede Menge Treibhausgase. Genau hier will auch der Verein Schapanesen ansetzen und einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln schaffen. Anfang August wurde der neue Fairtailer im Scharnhauser Park eröffnet.
Resonanz von Anfang an groß
Hier können künftig Bürgerinnen und Bürger gerettete Lebensmittel umliegender Supermärkte, Bauernhöfe und Bäckereien kostenlos mitnehmen. „Es ist toll zu sehen, wie viele Menschen sich einbringen. Es ist in der Stadt ein Bewusstsein da, sich untereinander zu helfen. Es möge deshalb lange gelingen, das tolle Projekt aufrecht zu erhalten“, lobte Oberbürgermeister Christof Bolay anlässlich der Eröffnung des neuen Fairteilers. Auch Friedemann Joestel, der Leiter des Bürgertreffs Scharnhauser Park, freute sich über die bereit jetzt große Resonanz: „Von Anfang an, als die Idee aufgekommen ist, auch im Scharnhauser Park einen Fairteiler zu eröffnen, war die Beteiligung unglaublich. Angefangen von der Projektgruppe bis hin zum Bau des Fairteilers selbst.“
Hartmut Weber von den Schapanesen sagte: „Wir sind im Mai 2023 mit 216 Personen gestartet und mittlerweile sind es 400 Personen, die sich für das Projekt interessieren. Circa 40 Personen engagieren sich aktiv. Auch Privatleute können sich engagieren und Lebensmittel mitbringen.“ Die vorbeigebrachten und geretteten Lebensmittel werden im Fairteiler auf Qualität geprüft, nach aktuellen Vorschriften gelagert und ausgestellt. Ausgenommen sind tiefgefrorene Lebensmittel, da durch die Unterbrechung der Kühlkette, die Genießbarkeit nicht gewährleistet ist.
Lebensmittel im Fairteiler unterscheiden sich nicht wirklich von denen, die im Supermarkt erhältlich sind. Sie sind entweder leicht lädiert, haben nicht die perfekte Form. Oder das Mindesthaltbarkeitsdatum ist bald erreicht und sie dürfen daher nicht mehr im Einzelhandel verkauft werden.
Die Lebensmittel werden von sogenannten Foodsavern, wie es Lukasz Majchrzak von Foodsharing Deutschland ist, in den Fairteiler gebracht. Er hat mittlerweile schon einige Tonnen Lebensmittel vor dem Verfall gerettet.
Viele Beteiligte und Förderer
D
as Projekt wurde in Kooperation mit Schapanesen, Reset, Evangelische Kirchengemeinde Nellingen, Parksiedlung und Scharnhauser Park, Foodsharing, Bürgertreff Scharnhauser Park sowie mit Spenden in Höhe von 1000 Euro durch die Eßlinger Zeitung und mit einem Zuschuss von 5000 Euro durch die Stadt Ostfildern realisiert. Weitere 5000 Euro fließen in einen weiteren Standort in der Uhlandstraße in Nellingen, der voraussichtlich bis spätestens Ende des Jahres eröffnet.

Info: Wer Interesse hat, kann sich über einen QR-Code direkt am Fairteiler beim Gemeindezentrum Sophie-Scholl-Haus im Scharnhauser Park, beteiligen.

red / Foto: Osterholzer


Abgestimmt!

Nach dem Vorrunden-Aus der deutschen Fußball-Frauen bei der WM bleibt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg im Amt. Ist sie noch die Richtige?

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Noch die Richtige?

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Kommt Zeit, kommt Radweg

Die neue Strecke von Aichwald in Richtung Plochingen ist eingeweiht worden – Kritik an der langen Planungszeit

Während der Einweihung des neuen Rad- und Gehwegs von Aichschieß in Richtung Plochingen klagten viele Redner über die lange Planungszeit. Doch nun wurde die bis zur Deponie Weißer Stein führende Strecke vor wenigen Tagen ihrer Bestimmung übergeben. Gleichzeitig war die Fahrbahn der parallel zum Radweg verlaufenden Landesstraße erneuert worden.
Nach den Reden und dem obligatorischen Durchschneiden des Bandes schwangen sich Prominente und Bürger in den Sattel und traten in die Pedale, um die neu gebaute Strecke mit einer Radtour einzuweihen. Gut 1,7 Kilometer lang ist der Rad- und Fußweg, der von Aichwald bis zur Deponie führt und dort an einen bereits bestehenden Radweg angeschlossen ist. Im Oktober des vergangenen Jahres sei mit den Arbeiten begonnen worden, berichtete der Projektleiter Martin Frank vom Esslinger Tiefbauamt. Zuvor hätten Radfahrer die Straße genutzt oder seien durch den Wald gefahren.
Doch nun gibt es endlich eine bessere und vor allem sichere Alternative. Witterungsbedingt habe es im Winter Verzögerungen beim Bau gegeben, so Frank. Aber auch ein Stromkabel sowie eine Telekomleitung im Erdreich hätten den Baufortschritt behindert. Sie seien in den Plänen nicht verzeichnet gewesen und hätten in mühevoller Handarbeit freigelegt werden müssen. Länger gedauert habe der Bau auch wegen einer ursprünglich nicht geplanten Weiterführung des Radwegs, erklärte der Planer. Ein etwa 200 Meter langes Stück vom Parkplatz bei der Waldschenke bis hin zum Ortseingang von Aichschieß sei ebenfalls als Rad- und Gehweg angelegt worden.
Die Bauleitung hatte die Stadt Esslingen übernommen. Etwa 2000 Arbeitsstunden hätten zehn Mitarbeitende aus verschiedenen Ämtern in die Arbeiten gesteckt, rechnete der Esslinger Oberbürgermeister Matthias Klopfer in seinem Statement vor. Auch er beklagte die sich lange hinziehenden Vorarbeiten. Schon im Jahr 2002 habe es eine erste Planungsidee gegeben, 2023 könne nun Einweihung gefeiert werden: „Das ist nicht die Geschwindigkeit, die wir uns in Deutschland bei der Verkehrswende wünschen.“ Aichwalds Bürgermeister Andreas Jarolim hatte die Vorarbeiten mit einer Redensart beschrieben: „Was lange währt, wird endlich gut.“
Der Radweg sei zweieinhalb Meter breit – ein Stück Wald und Böschungen hätten dafür geopfert werden müssen, erläuterte Martin Frank. Dafür habe es aber ökologische Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle gegeben. Dazu gehören nach Angaben des Regierungspräsidiums Stuttgart die Wiederherstellung von Flächen für die Schmetterlingsart Spanische Flagge, das Anlegen von Brutflächen für Vögel und die Ausweisung eines Waldrefugiums. Auch für die Zauneidechsen wurde etwas getan. Amphibienschutzzäune sind entstanden, und als zeitweiliges Habitat sollen Reisigstapel dienen. Längerfristig sollen die Tiere in Baumstämmen und Trockenbaumauern eine endgültige Heimat finden. Ein Grund für den Neubau war laut Berthold Frieß, dem Ministerialdirektor im Stuttgarter Verkehrsministerium, dass die Anbindung von Aichwald nach Plochingen, Baltmannsweiler sowie ins Neckar- und Filstal erleichtert werden sollte.

Info: Das gesamte Bauprojekt hat gut 3,2 Millionen Euro gekostet (Fahrbahnsanierung ungefähr 500 000 Euro, Radweg etwa 1,7 Millionen Euro, die restlichen Ausgaben wurden auch für den Arten- oder Naturschutz getätigt). Um die Sicherheit auf dem Radweg zu verbessern, wurden am Kirschbaumweg und am Postweg Querungsmöglichkeiten mit Mittelinseln eingerichtet. Die Ausschilderung des Landkreises im Umfeld wird angepasst.

sw / Foto: Roberto Bulgrin


„Die Armut wächst“

Inflation, steigende Energiepreise, hohe Lebenshaltungskosten: Der Kreisdiakonieverband schlägt Alarm

Sie ist 60 Jahre alt und steht vor einer ganz neuen, schwierigen Lebenssituation. Wie das passieren konnte, davon berichtete die Frau, die auf den Fildern lebt, jüngst während einer Pressekonferenz des Kreisdiakonieverbands Esslingen: Ihr ganzes Leben lang habe sie gearbeitet, sei im sozialen Bereich tätig gewesen, habe unter anderem Demenzkranke betreut und begleitet. Ein erfüllender Beruf, aber auch ein anstrengender und schlecht bezahlter. Wegen einer Krankheit habe sie ihren Job aufgeben müssen. Der Rentenanspruch sei sehr gering. Seit zwei Jahren beziehe sie Bürgergeld – doch das reiche hinten und vorne nicht.
Schicksale wie das der 60-Jährigen kennt Reinhard Eberst vom Kreisdiakonieverband aus seinem Beratungsalltag. Die Biografien ähnelten sich, sagt er. Alleinerziehende, Menschen mit niedrigem Einkommen, Familien mit vielen Kindern oder Geringverdiener mit oft zwei Jobs seien gerade so über die Runden gekommen. Rücklagen, Erspartes, ein finanzielles Polster hatten sie nicht. In­flation und hohe Energiekosten hätten sie hart getroffen: „Die Armut wächst.“
Das hat die 60-Jährige am eigenen Leib erfahren. Über hilfreiche Apps, sagt sie, habe sie Metzger und Bäcker ausfindig gemacht, die ihre Waren abends zu einem geringeren Preis abgeben, und einen Discounter, der Artikel kurz vor dem Verfallsdatum günstig verkaufe. Ihre Freunde wüssten, dass sie bei ihrer Geburtstagsfeier kein großes Menü auftischen könne. Ein selbst gebackener Kuchen und Kaffee seien für ihre Gäste in Ordnung. Das Beantragen staatlicher Leistungen sei aufwendig – viele Formulare, viel Bürokratie, viel Verzweiflung: „Man hat das Gefühl, man steht ganz alleine da.“
Eberhard Haußmann, Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands, erlebt solche Gefühlslagen oft bei seinen Klienten. Ärmere Haushalte seien aufgrund ihres geringen Einkommens und des hohen Anteils der Kosten für Lebensmittel und Heizung stärker von der Teuerung betroffen als andere Bevölkerungsgruppen. Im vergangenen Jahr habe der Kreisdiakonieverband 170 000 Euro, die hauptsächlich durch Spenden und Charity-Aktionen zusammengekommen seien, an Betroffene verteilt, um die größte Not zu lindern. 2021 seien es 110 000 Euro gewesen. In manchen Familien reiche das Geld am Monatsende nur noch für Nudeln mit Ketchup. Das Bürgergeld, fügt Reinhard Eberst hinzu, stehe jedem Menschen zu, der sein Leben nicht aus eigenen Kräften finanzieren könne. Arbeitsfähige Personen, die gesundheitlich zu bis zu drei Stunden Arbeit pro Tag in der Lage wären, würden in der Regel 502 Euro im Monat zusätzlich zur Übernahme der Miete mit Nebenkosten erhalten.
Eberst berichtet von einer Frau mit drei Kindern und einem schwer pflegebedürftigen Mann, die in seine Sprechstunde kam. Vor acht Jahren sei sie nach Deutschland gekommen, beherrsche die Sprache gut, doch ihre im Heimatland erworbenen Zeugnisse würden hier nicht oder nur nach vielen bürokratischen Hürden anerkannt. Das erschwere die Berufstätigkeit. Insgesamt 6000 Euro habe sie sich bei finanziellen Engpässen von Verwandten geliehen – und die wollten ihr Geld zurück. Menschen wie diese Frau wüssten meist nicht, welche Unterstützung sie beantragen könnten. Oft, ergänzt Andreas Caspar, beim Kreisdiakonieverband für Öffentlichkeitsarbeit und Projekte zuständig, müssten fünf bis sechs Anträge vor dem Bezug staatlicher Leistungen gestellt werden. Ein Klient habe zu ihm gesagt: „Armsein – das ist ein Fulltime-Job.“
Diese Situation hat auch eine Frau mit vier Kindern kennengelernt, berichtet Eberst von seiner Beratungstätigkeit. Sie arbeite seit vielen Jahren in einer großen Firma im Raum Kirchheim und verdiene etwa 1900 Euro netto. Bisher sei es irgendwie gegangen – doch die Stromrechnung habe die Frau finanziell aus der Bahn geworfen. Aus solchen Erfahrungen leitet Eberhard Haußmann Forderungen ab: Staatliche Leistungen müssten erhöht, der Mindestlohn für die etwa sechs Millionen Bezieher weiter angehoben werden. Den politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen schreibt er einen Ausbau der Kinderbetreuungsangebote ins Stammbuch, damit etwa Alleinerziehende arbeiten könnten. Der soziale Wohnungsbau müsse vorangetrieben werden.
Bei der Frage nach der Finanzierbarkeit verweist Haußmann auf die hohen Folgekosten, die ein Unterlassen solcher Maßnahmen nach seiner Einschätzung nach sich ziehen würde: Kinder und Jugendliche bräuchten ein stabiles Umfeld, finanziell gesicherte Verhältnisse, die Chance zum Nutzen der Bildungsangebote und die Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Fehlten diese Voraussetzungen, könnten die Folgen gravierend sein. Dann berichtet er von einer scheinbaren Nebensächlichkeit: Der Kreisdiakonieverband achte darauf, dass Schulanfänger einen neuen Schulranzen bekämen. Gebrauchte seien zwar billiger, doch sie würden Kindern ein Gefühl der Ausgrenzung, des Andersseins, der Isolation vermitteln. Das solle vermieden werden: „Denn die Kinder sind unsere Zukunft.“

sw / Foto: imago/Martin Wagner


Die Schleyer-Brücke ist Geschichte

Nach langer Diskussion ist der Namensstreit entschieden – Neuer Esslinger Neckarüberweg wird Mettinger Brücke heißen

Monatelang wurde in Esslingen diskutiert, ob der neue Neckarüberweg bei Mettingen wie sein Vorgänger nach Hanns Martin Schleyer benannt werden soll. Nun ist der Namensstreit entschieden. Grüne, SPD, Linke und FÜR hatten sich Ende Juli im Gemeinderat für die Bezeichnung Mettinger Brücke ausgesprochen. Die Ratsmehrheit teilte die Einschätzung von Stadtarchivar Joachim Halbe­kann, dass Schleyer mit Blick auf dessen Rolle in der NS-Zeit aus heutiger Sicht kein passender Namensgeber mehr für ein kommunales Bauwerk sein sollte.
Der frühere OB-Kandidat Gebhard Mehrle und der Musiker Jörg Krauß hatten im März angeregt, den alten Namen nicht einfach auf die neue Brücke zu übertragen: „Die Umbenennung wäre ein Akt der Ehrlichkeit, gerade auch vor unseren Versäumnissen in der Vergangenheit.“ Grüne und Linke hatten dann im Mai gefordert, einen anderen Namen zu suchen. Ihr Argument: Die neue Brücke, die Mettingen, Brühl und Weil verbindet, könne „nicht weiterhin nach einer Person benannt sein, deren NS-Vergangenheit mittlerweile sehr gut erforscht und öffentlich ist.“ Der Sohn des Namensgebers, Jörg Schleyer, hatte derweil betont: „Dass mein Vater damals – so wie viele andere auch – Teil des NS-Systems war, ist unstrittig. Aber nicht jeder war per se ein Mörder. Um seine Rolle zu bewerten, genügt es nicht, ihn nur als alten Nazi abzutun.“
Stadtarchivar Halbekann spricht von einem „schwierigen Abwägungsprozess“. Der frühere Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer war eines der prominentesten Opfer des Terrors der Roten-Armee-Fraktion (RAF), die ihn 1977 entführt und dann ermordet hatte. Unter dem Eindruck der Ereignisse hatte der Gemeinderat 1978 entschieden, die damalige Mettinger Brücke nach ihm zu benennen, weil man fand, dass Schleyer „als Beispiel eines Demokraten für einen jeden von uns stand und für uns alle gestorben ist“.
Besondere Situation
Halbekann verweist auf „die besondere Situation, in der dieser Beschluss gefasst wurde“. Schleyers Rolle in der NS-Zeit sei damals bekannt gewesen, angesichts seiner Ermordung jedoch nicht thematisiert worden. Heute sei es „unvermeidlich, andere Maßstäbe anzulegen als 1978“. Der Stadtarchivar findet, dass es in dieser Frage kein Richtig oder Falsch gibt. Nach Abwägung aller Argumente empfahl er einen neuen Namen. Ein Argument sei, dass es sich um ein neues Bauwerk handelt. Und auch wenn man Schleyer trotz seiner Beteiligung an der Ausbeutung des Protektorats Böhmen und Mähren nicht zu den Haupttätern des NS-Regimes zählen könne, habe er „mindestens systemstabilisierend funktioniert“.
Andreas Fritz (Grüne) findet es selbstverständlich, der neuen Brücke nicht den alten Namen zu belassen. Schleyers Ermordung und die seiner Begleiter durch die RAF sei durch nichts zu relativieren. Eine wehrhafte Demokratie brauche jedoch eine zeitgemäße Erinnerungskultur. Martin Auerbach (Linke) begrüßte es, dass der Vorstoß zu einer Neubenennung des Mettinger Neckarüberwegs aus der Bevölkerung gekommen war. Andreas Koch (SPD) fand, Schleyer eigne sich heute weniger denn je zum Namenspatron , er habe „sich zu keinem Zeitpunkt vom eigenen politischen Irrweg distanziert“.
Alexander Kögel (Freie Wähler) fand, das Unrecht des NS-Systems sei genauso zu verurteilen wie die RAF-Verbrechen. Das sah Rena Farquhar (FDP) ähnlich: „Wenn wir Spuren der Vergangenheit tilgen, gehen uns Anknüpfungspunkte zur historischen Diskussion verloren.“ Dennoch fand sie, für beide Positionen im Namensstreit gebe es gute ­Argumente. Tim Hauser (CDU) sah in der Stadt ein differenziertes Meinungsbild, beide Haltungen ließen sich wohl begründen. Der Kontext, in dem der damalige Rat die Brücke nach Schleyer benannt hatte, habe sich nicht geändert. Ein klares Ja zur Umbenennung kam von Sigrid Cremer (FÜR). Der Oberbürgermeister Matthias Klopfer verwies derweil auf „ein ausgewogenes Gutachten“ des Stadtarchivars, und er bedankte sich bei den Initiatoren der Namensdebatte.

adi / Foto: Roberto Bulgrin


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Die Bundesregierung will das Rauchen im Auto verbieten, wenn Schwangere oder Minderjährige mit im Fahrzeug sitzen. Befürworten Sie ein Rauchverbot im Auto?

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Rauchverbot im Auto?

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Genuss für Gaumen und Gemüt

Das Estival auf dem Esslinger Marktplatz findet vom 4. bis 16. August statt – Vielfältiges Unterhaltungsprogramm

Nach der laut Veranstalter erfolgreichen Premiere folgt nun die zweite Auflage: Mit dem Estival wird der Esslinger Marktplatz dreizehn Tage lang, vom 4. bis 16. August, zum Festareal. Wobei sich zu den kulinarischen Höhepunkten ein Unterhaltungsprogramm gesellt, das sich sehen lassen kann. Sieben Wirte servieren unter der Federführung des Esslinger Stadtmarketings Genüsse für Gaumen und Gemüt – und das in der einzigartigen Festarchitektur rund um den Marktplatz.
Die Besucherinnen und Besucher erwartet ein umfangreiches Angebot an Schlemmereien, Begegnungen und Erlebnissen. In den Holzlauben werden Speisen von klassisch schwäbisch bis Tradition neu gedacht, von international bis regional interpretiert, von kesselfrischen Kässpätzle bis zu vegetarischen Zwiebelzupfern.
Sieben Wirte
Die Wirteschar bleibt gegenüber dem Premierenjahr 2022 unverändert. Es machen mit: Kielmeyers 1582 (moderne Crossover-Küche), Pinsa Bar Pino e Accanto (saisonale italienische Kulinarik mit schwäbischen Einflüssen), Fleischmann Steakhouse und Weinbar, „Der Rote Hirsch“ (traditionelle Gerichte mit Zutaten und Einflüssen aus aller Welt), Currles Culinarium (kreativ-schwäbischer Küche), Finni’s (leichte, traditionelle deutsche Küche), Weinstube Eißele (schwäbische Esskultur).
Weitere Akzente
Daneben werden rund um den Marktplatz weitere kulinarische Akzente gesetzt: Die Lounge der Sektkellerei Kessler, Joe Pena’s Bar, Poushe Strudelmanufaktur, Almpizza und die Lounge vom Teamwerk mit den Esslinger Weinen warten auf das Publikum.
Umrahmt werden die dreizehn Tage im Zeichen der Schlemmerei mit einem Unterhaltungs- und Erlebnisprogramm. Damit soll dem Festival im Namen alle Ehre gemacht werden. Von Straßenkünstlern auf dem Festplatz bis zu Lichtkunst an den Fachwerkfassaden, von südländischer Lebensfreude am mediterranen Sommerabend bis zum Kinder- und Familientag – es ist für Jung und Alt etwas geboten. hin

Info: Das Estival auf dem Esslinger Marktplatz ist vom 4. bis 16. August täglich von 11.30 bis 23 Uhr, freitags und samstags bis 24 Uhr geöffnet (www.estival-esslingen.de).

4. August:  OB Matthias Klopfer eröffnet um 16 Uhr die Veranstaltung, Erich Koslowski von den Galgenstricken moderiert die Vorstellung der Gastronomen. Ab 19.30 Uhr spielt das Jazz-Duo Lö Fuh.
4. und 5. August: Die Lichtkünstler Nina und Daniel Liewald inszenieren ab 22 Uhr die Fassaden der Fachwerkhäuser Kielmeyerhaus und Marktplatzbesen.
5. August: Die Songwriterin Nagomi tritt ab 19 Uhr auf.
6. August: Das Wolfgang Fuhr Jazz Trio spielt ab 19 Uhr.
7. August: Die Bossa Boys spielen ab 19 Uhr Jazzklassiker sowie Interpretationen von Pop-Standards.
9. August: Die beiden Songwriterinnen Nagomi und Lavinia Hope treten ab 19 Uhr auf.
10. August: Die Bossa Boys bieten ab 19 Uhr Songs von Dean Martin, Frank Sinatra, Eric Clapton und Sting dar.
11. August: Das Daniel Aubeck Duo tritt ab 19 Uhr auf (ein Mix aus amerikanischem Pop-Country-Spirit und deutschen Texten).
12. August: Das Trio Sud­americana aus Kolumbien und Uruguay bietet ab 19 Uhr lateinamerikanisches Flair.
13. August: Am Kinder- und Familienerlebnistag gibt es von 11.30 bis 19 Uhr viel zu entdecken.
14. und 15. August: Von 16 bis 22 Uhr sind jeweils nationale und internationale Straßenkünstler auf dem Marktplatz und um die Lauben dabei.
16. August: Das Abschluss-Highlight setzt ab 19 Uhr die Romy Acoustic Pop Band.
Montags bis freitags von 11.30 bis 14.30 Uhr gibt es einen Mittagstisch mit wechselnden Angeboten. Flankiert wird dies alles von täglichen Führungen durch die Altstadt und die Weinberge.

hin/red / Foto: Horst Rudel