Auch im Kreis Esslingen fehlt es an den Fachkräften – Respektlosigkeit von Badegästen ist nur ein Grund dafür

Vorfälle wie dieser steigern gewiss nicht die Attraktivität des Bademeister-Berufs: Im Freibad wird wegen Hochbetriebs im Becken der Sprungturm gesperrt. Eine Gruppe Jugendlicher springt trotzdem. Das Personal weist sie aus dem Bad, ein Teil weigert sich zu gehen. Es kommt zu Rempeleien, einem Polizeieinsatz, Anzeigen. Das Ganze trug sich am 19. Juni in Deizisau zu, es hätte jederzeit auch in jedem anderen Bad passieren können.
Der Respekt vor bademeisterlicher Autorität schwindet überall, ist von Bäderbetreibern und Verbänden zu hören. Und das ist ein Grund, warum Bademeister zum Mangelberuf wurde. Aber nicht der einzige.
Mindestens 2500 Bademeisterinnen und -meister fehlen in Deutschland, schätzt Peter Harzheim, Präsident des Bundesverbands Deutscher Schwimmmeister – „und von der Tendenz her wird die Lücke noch größer.“ Eine Facette also des umfassenden Themas Fachkräftemangel, die auch im Kreis Esslingen spürbar ist. Auch wenn es hier – anders als in Freiburg, Bad Mergentheim, Friedrichshafen, Mannheim oder einigen bayerischen Kommunen – bisher zu keinen großen Einschränkungen kommt. Lediglich das Kirchheimer Freibad hat den Kassenschluss von 20 Uhr auf 19.30 Uhr vorverlegt, weil „aktuell auch bei uns Bademeister fehlen“, sagt Robert Berndt, Pressesprecher der Stadt Kirchheim. Nicht einen Auszubildenden für den Beruf habe man in dieser Saison finden können. Die Stadtwerke Esslingen (SWE), die die Esslinger Bäder betreiben, werben laut Prokurist Dominik Voelker auf mehreren Kanälen für das „vielseitige Berufsbild“. Reichenbach und Deizisau behelfen sich mit externen Dienstleistern.
Leichter indes wird der Job in Zeiten hitziger Temperaturen und offenbar auch Temperamente nicht. „Der Ton wird rauer“, bestätigt Eleonore Wagner vom DLRG-Landesverband Württemberg. Voelker stellt fest: „Leider ist eine Zunahme von Verstößen gegen die Haus- und Badeordnung oder die Anweisungen des Personals zu verzeichnen.“ Beleidigungen und Beschimpfungen des Schwimmbadpersonals seien „besonders an heißen, gut besuchten Tagen an der Tagesordnung“. In den Esslinger Freibädern komme daher zu solchen Stoßzeiten ein Sicherheitsdienst zum Einsatz. Dasselbe in Kirchheim: Beleidigungen seien häufig, Körperverletzungen oder mutwillige Sachbeschädigungen eher selten. Im Schnitt einmal pro Monat müsse das Freibadpersonal die Polizei rufen. In Deizisau komme dies einmal pro Saison vor, sagt Bürgermeister Thomas Matrohs. Trotz der „ärgerlichen Vorgänge“ vom 19. Juni sei man „ein kleines, familiäres Bad“ und wolle dies bleiben. Deshalb achte das Personal konsequent auf Einhaltung der Regeln, brauche dabei aber „schon ein dickes Fell“, räumt der Bürgermeister ein – auch wenn nicht gleich die Polizei kommen muss.
Das musste sie im Jahr 2019 zu rund 40 Straftaten in Freibädern im Kreisgebiet (2020 und 2021 lag die Zahl coronabedingt deutlich niedriger). Bei aller Problematik der statistischen Auswertung, auf welche die Pressestelle der Polizei ausdrücklich hinweist, geht aus den Zahlen hervor, dass Freibäder relativ sicher und keine Brennpunkte der Kriminalität sind. Anzeigen wegen Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch bewegten sich jeweils im einstelligen Bereich – pro Jahr auf den Kreis Esslingen berechnet.
Auch schwere Badeunfälle wie am 14. Mai in Neuhausen, als ein Neunjähriger durch das beherzte Eingreifen einer Bademeisterin vor dem Ertrinken gerettet wurde, sind laut Badbetreibern selten. Einsätze wegen in Not geratener Nichtschwimmer oder unbeaufsichtigter Kleinkinder, so Voelker, nehmen jedoch zu. Die Verantwortung im wimmelnden Freibad mag die Attraktivität des Fachberufs zusätzlich zum mangelnden Respekt mindern. Diesen hält Jens Popke, beim Schwimmmeister-Bundesverband zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, auch für die Folge eines veränderten Berufsbilds: „Heute soll der Bademeister nicht mehr der strenge Beckenrandlatscher sein, sondern eine nette Servicekraft. Natürlich geht das mit einem gewissen Autoritätsverlust einher.“ Umso mehr komme es darauf an, freundlich, aber bestimmt Regelverletzungen zu unterbinden.
Ansonsten spielen auch bei der Entscheidung gegen den Bademeister-Beruf die üblichen Verdächtigen des Fachkräftemangels eine wichtige Rolle: Unisono wird auf unattraktive Arbeitszeiten mit Schichten von frühmorgens bis spätabends und besonders am Wochenende verwiesen. Hinzu komme, so Eleonore Wagner von der DLRG, eine Ausbildungslücke wegen der Corona-Lockdowns; beziehungsweise eine „Abwanderung von Kollegen, die jetzt als ungelernte Kraft in der Industrie mehr verdienen wie als Fachkraft im Bad“, sagt Verbandspräsident Harzheim. Ein Faktor dabei, ergänzt Popke, sei die regionale Kaufkraft: „Deshalb ist der Bademeister-Mangel im Süden Deutschlands größer als im Norden.“
Von der Wasserchemie bis zur Wiederbelebung
Nicht jeder sogenannte Bademeister oder jede Bademeisterin ist „Geprüfte/r Meister/in für Bäderbetriebe“, wie die offizielle Bezeichnung des Meisterberufs heute lautet. Doch auch ohne diesen Meistertitel haben die professionellen Bademeister eine dreijährige Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe absolviert, an die sich die Weiterbildung zum Meister anschließen kann.
Die Ausbildungsinhalte für diesen Beruf sind außergewöhnlich vielseitig und zugleich umfassend. Laut der Heinrich-Lanz-Schule in Mannheim, der zentralen Bademeister-Schmiede Baden-Württembergs, zählt selbstverständlich Schwimm- und Rettungsunterricht dazu, aber auch medizinische Notfallhilfe bis hin zur Wiederbelebung, die an einer Herz-Lungen-Puppe geübt wird.
Hinzu kommen die Fächer Wasserchemie und Bädertechnik für Theorie und Praxis des Schwimmbadbetriebs mit seinen komplexen Anlagen. Auch die Didaktik von Schwimmkursen kann Teil der Ausbildung sein.
Der 1973 gegründete Verband Deutscher Schwimmmeister mit derzeit 3800 Mitgliedern versteht sich als Interessenvertretung des Berufsstands in fachlichen und arbeitsrechtlichen Fragen.
mez / Foto: Ines Rudel