Nach 51 Jahren schließt die Uhrmacherin Karin Häfner zum Jahresende ihren Laden in Hochdorf

Die Dame vor der Ladentür sieht nicht mehr besonders gut. Karin Häfner kennt sie. Sie hat ihr kürzlich eine Armbanduhr mit Zeitansage verkauft. Die Kundin benötigt Hilfe bei der Einstellung der Uhr und schaut deshalb bei der Uhrmacherin vorbei. Eigentlich hat sie an diesem Mittwochnachmittag wie immer geschlossen. Dass sie ihrer ratlosen Kundin trotzdem weiterhilft, ist für Karin Häfner gar keine Frage: „Lassen Sie mir die Uhr bis morgen da, dann schaue ich sie mir in Ruhe an und stelle sie ein.“
Diese kurze Episode spiegelt wider, wie wichtig die Uhrmacherin für die Hochdorfer, aber auch für zahlreiche auswärtige Kunden ist. Seit stolzen 51 Jahren übt die 75-Jährige ihren Beruf im Ort aus. Allzu viele Kollegen und Kolleginnen gebe es in der näheren Umgebung nicht mehr, sagt sie. Vor allem keine, die noch aufwendigere Reparaturen übernehmen. Dazu gehören beispielsweise Reparaturen von bis zu 100 Jahre alten Stand- und Wanduhren.
Bevor sie das Geschäft in der Kirchheimer Straße 5 im Jahr 1970 übernahm, gehörte es seit den 1950er-Jahren bereits ihren Eltern. „Mein Vater konnte seinen Bäckerberuf nach dem Krieg aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben“, erzählt sie. Zunächst hat er einem befreundeten Goldschmied in Stuttgart ausgeholfen. „Schließlich hat er sich in Hochdorf um den An- und Verkauf von Uhren gekümmert.“ Ein weiterer Schwerpunkt habe früher auf dem Verkauf von Schmuck und Haushaltswaren gelegen. Auch heute findet man diese in den Vitrinen und Regalen des Geschäfts. „Als sich bei meinem Vater dann immer mehr Leute nach Reparaturen für ihre Uhren erkundigten, rieten mir meine Eltern zur Uhrmacherlehre. Bis dato gab es im Ort noch keinen Uhrmacher.“
1970 sei dann ein sehr ereignisreiches Jahr gewesen: „Ich hatte meinen Meister, ich habe geheiratet, das Geschäft wurde umgebaut und danach als Uhrmacherladen neu eröffnet.“ Seither steht die Uhrmachermeisterin ihren Kunden mit Rat und Tat zur Seite, ob nun die Batterie gewechselt werden muss oder eine komplexe Großreparatur ansteht. Ein besonderes Schmuckstück, eine rund hundertjährige Wanduhr, hat Karin Häfner gemeinsam mit ihrem vier Jahre älteren Mann Emil, einem gelernten Schreiner, aufwendig repariert und restauriert. „Die darf bleiben, die gehört mittlerweile mir. Das ist einfach ein Liebhaberstück“, sagt Karin Häfner.
In dem Kämmerlein hinter dem Verkaufsraum hat sie sich vor 51 Jahren ihren Arbeitsplatz eingerichtet. Viel ist es nicht, was die Uhrmacherin für ihre oft filigrane Arbeit braucht. Neben einem guten Licht sind dies vor allem ihre Werkzeuge, darunter Lupe, Pinzetten, verschiedene Schraubendreher oder Zangen aller Art. „Als Uhrmacher braucht man gute Augen, ruhige Hände, Geduld und viel Licht“, sagt Häfner. Dass einmal der Tag kommen würde, an dem sie ihre Ladentür für immer schließt, hat die Uhrmacherin in den vergangenen Jahren immer im Hinterkopf gehabt. „Man lässt im Alter ja auch irgendwann nach, die Hände werden zittriger, die Augen schlechter“, sagt Karin Häfner. Dass nun die Entscheidung gefallen sei, Ende des Jahres in den Ruhestand zu gehen, sei dennoch ein komisches Gefühl: „Das ist nicht leicht, nach so langer Zeit aufzuhören. Aber es ist jetzt gut so.“
Am meisten werde ihr der Kundenkontakt fehlen, zumal viele Stammkunden über die Jahrzehnte hinweg den Weg bis heute in ihr Geschäft finden. Anfang Oktober startete der Ausverkauf. „Bis zum Jahresende habe ich ja auf jeden Fall noch geöffnet“, sagt Karin Häfner.
Und was kommt nach dem letzten Arbeitstag? Sie lese sehr gern und viel. Auch könne ein bisschen mehr Bewegung als bisher sicher nicht schaden, sagt sie. Und dann sei da ja noch der familieneigene Gemüsegarten ergänzt Emil Häfner. Seit fast 50 Jahren sind die Häfners Mitglied bei den Hochdorfer Gartenfreunden und haben ihr Grundstück in deren Anlage: „Da gibt es immer was zu tun“, sagt Emil Häfner. Das sieht seine Frau genauso. „Langweilig wird es mir sicher nicht.“
eis/Foto: Katja Eisenhardt