Die schlauen Vögel richten erhebliche Schäden auf Feldern an – Manch Landwirt hat schon mehrfach nachsäen müssen

Da hinten“, stellt Frank Schober entsetzt fest, „ist schon wieder alles weg.“ Er zeigt auf eine große braune Stelle im Maisfeld, wo nichts mehr zu sehen ist als nackter Boden. Und kleine Löcher. „Jetzt mache ich da nichts mehr“, sagt der Landwirt aus Wolfschlugen resigniert. Seit Mitte April habe er auf insgesamt sieben Hektar Fläche schon zwei Mal, stellenweise sogar drei Mal Mais nachsäen müssen – weil Krähen nicht nur die Samen, sondern auch die Sprösslinge aus dem Boden pickten.
So schlimm wie in diesem Jahr sei es noch nie gewesen, meint Schober. Früher, erinnert er sich, da hätten sich kleine Gruppen von zehn bis zwanzig Vögeln über die Felder hergemacht. „Heute sind es riesige Schwärme mit über hundert Vögeln.“ Während der Bauer mit seinem Sohn Marcel den Acker inspiziert, lässt sich freilich keines der schwarzgefiederten Tiere blicken. Aber ihr markantes Krächzen ist aus den nahen Bäumen zu hören.
Schreckschüsse ohne Wirkung
Es seien ziemlich clevere und lernfähige Vögel, weiß Schober aus leidiger Erfahrung. Von Vogelscheuchen, raschelnden Flatterbändern, blinkenden Reflektoren, Windspielen oder Luftballonen am Holzpflock ließen sie sich nicht beeindrucken. „Nach zwei, drei Tagen haben die raus, dass davon keine Gefahr ausgeht.“ Auch mit Schreckschüssen, die von der Bevölkerung wegen Lärmbelästigung kritisiert werden, hat er es versucht. Vergeblich: „Die drehen eine Runde und sind kurz darauf wieder da.“
Selbst gut geschützter Mais sei vor den Krähen nicht sicher, fügt Marcel Schober hinzu. „Sie hocken auf den Siloballen und picken Löcher in die Folie, um sich was rauszuholen.“ Die Gefahr dabei sei, dass eintretende Luft das Tierfutter verfaulen lasse. Noch halte sich der Schaden mit mehreren hundert Euro in Grenzen, räumen die Landwirte ein. Doch ihre Sorge wächst. Der Maisanbau ist für sie enorm wichtig. Sie bauen die Kulturpflanze auf immerhin 45 Hektar Fläche auf den Fildern an – vorwiegend, um damit ihre 130 Mastrinder und die 340 Hühner zu füttern, aber auch für die Produktion von Strom und Wärme in einer Biogasanlage.
Die Schäden durch Saat- und Rabenkrähen, beklagt der Landesbauernverband (LBV) Baden-Württemberg, werden von Jahr zu Jahr größer. Gemeinsam mit dem Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband hat er die Mitgliedsbetriebe Anfang dieses Jahres zu ihren Erfahrungen im Jahr 2021 befragt. Insgesamt 166 Meldungen aus 21 Landkreisen gingen ein.
Schäden vor allem bei Mais
Fast jeder zweite Landwirt, der an der Umfrage teilnahm, hatte demnach Probleme mit Rabenvögeln. In den Regionen Stuttgart-Filder, Esslingen, Heilbronn, Ludwigsburg, Rhein-Neckar, Biberach, Karlsruhe und Hohenlohe sind offenbar besonders viele Betriebe betroffen.
Vor allem bei Mais sind die Schäden dem Bericht zufolge beträchtlich. „Das Ausmaß reicht bis zum Totalausfall“, sagt Jürgen Maurer, der Vorsitzende des Fachausschusses Pflanzliche Produktion im LBV. Die Liste der Pflanzen ist aber lang, sie reicht von Zuckerrüben, Gurken und Kohlrabi über Kürbis, Brokkoli und Möhren, hin zu Winterweizen, Sonnenblumen und Kirschen. Insgesamt sind es 24 unterschiedliche Pflanzenarten, die meist angepickt oder – nicht immer nur zum Futtern – aus der Erde herausgerissen werden. Die Höhe des Schadens variiert, liegt laut LBV im drei- bis fünfstelligen Bereich: bei Roter Bete sind es bis zu 10 500 Euro pro Betrieb, bei Salat bis zu 15 000 Euro, bei Erdbeeren bis zu 25 000 Euro.
Die Politik solle die Probleme „endlich ernst nehmen und zusammen mit der Landwirtschaft effektive und praxistaugliche Lösungen finden“, fordert der LBV, der eigenen Angaben zufolge 33 000 Landwirte in Baden-Württemberg vertritt. Denn die durch Saat- und Rabenkrähen verursachten Schäden hätten ein „nicht mehr tolerierbares Niveau erreicht“, meint Maurer. Die Kosten für Ernteverluste, Qualitätseinbußen, aber auch für Abwehrmaßnahmen würden die landwirtschaftlichen Betriebe erheblich belasten. Deshalb sei „eine effektive Bestandsregulierung zwingend erforderlich“. Gemeint ist damit die Jagd auf die geschützten Vögel.
Bejagung nicht erlaubt
In den 1950er-Jahren war die Saatkrähe in Baden-Württemberg fast ausgestorben, seither hat sich die Population erholt. Trotzdem dürfe sie – abgesehen von Einzelfällen – nicht bejagt werden, moniert der LBV. „Die Bestände beider Arten rechtfertigen diese Maßnahme“, ist Maurer überzeugt. Die Forderung des Landesbauernverbandes, sogenannte Vergrämungsabschüsse ganzjährig zu erlauben, kontert der Nabu: Die Krähen würden sich nur noch schneller vermehren, je höher die Abschussrate wäre. Das Ausmaß der Schäden durch Saatkrähen ist aus seiner Sicht noch nicht ausreichend erforscht.
Frank und Marcel Schober sehen „leider keine andere Möglichkeit“, als die Krähenbestände zu dezimieren. Auch, weil sie ein bewährtes Pflanzenschutzmittel nicht mehr einsetzen dürfen. Die Maisbeize wurde bis 2020 auf Saatgut und Pflanzen aufgetragen, damit es den Krähen nicht schmeckt. Die Alternativmittel aber zeigen keine Wirkung.
eh / Foto: Horst Rudel