Beharren auf neutraler Position

Die Debatte um die geplante Abflugroutenänderung wollen Lärmschutzbeauftragter und Flugsicherung nicht begleiten

Mehr Transparenz beim Entscheidungsprozess zur geplanten Flugroutenänderung am Stuttgarter Flughafen fordern die künftig wohl stärker betroffenen Kommunen Neuhausen, Köngen, Wolfschlugen und Nürtingen. Fast 10 000 Bürgerinnen und Bürger haben eine Online-Petition gegen die Pläne unterzeichnet. Mehr als 15 000 Unterschriften haben Gegner der Route der Lärmschutzbeauftragten der Landesregierung, Elke Zimmer, überreicht. Im März wird die Fluglärmkommission wohl entscheiden. Wird die neue Abflugroute Richtung Osten genehmigt, soll es einen Testbetrieb geben.
Im Krisengipfel mit den Vertretern der Fluglärmkommission hatten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann eine bessere Kommunikation in Aussicht gestellt. Die neue Abflugroute soll vom Flughafen zunächst nach Süden führen und ist nach dem Luftfahrt-Wegpunkt TEDGO benannt, an dem sie endet. Allerdings läuft das Verfahren nun zunächst wieder nichtöffentlich weiter. Die Debatte schwelt, die Fronten bleiben verhärtet.
Derzeit beschäftigt sich ein Arbeitskreis mit der Machbarkeit eines Lärmgutachtens, das die Situation auf den Fildern wie auch im Neckartal in den Blick nehmen soll. Eingebunden sind auch Vertreter der künftig stärker betroffenen Kommunen. Auf Basis dieser Expertise soll die Fluglärmkommission dann beschließen. Die neue Arbeitsgruppe hat offenbar erstmals am 6. Dezember getagt. An die Öffentlichkeit ist noch nichts gedrungen. Das ärgert Rolf Keck, den Sprecher der Initiativen gegen die Route: „Jeder Straßenbau muss planfestgestellt und mit der Bevölkerung ergebnisoffen diskutiert werden. Eine Flugroute anscheinend nicht.“
Für Kritik in der Debatte hatte gesorgt, dass die Piloten Valentin Reinhardt von der Lufthansa und Oliver Hasenbein von Eurowings die neue Route nicht nur ausgearbeitet haben. Sie stellten die Pläne auch in den Gemeinderäten der Kommunen vor. Viele vermissten eine neutrale Stimme, etwa von einem Vertreter der Deutschen Flugsicherung (DFS) oder von Stefan Köhler, dem vom Regierungspräsidium (RP) beauftragten Lärmschutzbeauftragten für den Flughafen Stuttgart.
Köhlers Rolle sieht das RP allerdings anders. „Der Lärmschutzbeauftragte hat in den Sitzungen der Fluglärmkommission eine beratende Funktion“, erläutert Stefanie Paprotka, Pressesprecherin des RP. Der Lärmschutzbeauftragte könne insbesondere Vorschläge zur Lärmminderung im Benehmen mit der DFS und der Flughafen Stuttgart GmbH erarbeiten. Bei der Änderung eines Flugverfahrens ist nach Paprotkas Worten Folgendes entscheidend: „Flugverfahren werden durch die DFS geplant und vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung durch Rechtsverordnung festgelegt.“ Der Lärmschutzbeauftragte nehme in beratender Funktion als Gast an den Sitzungen der Fluglärmkommission teil. Den Prozess der Meinungsbildung in Gemeinderäten zu begleiten, sei nicht Köhlers Aufgabe. Die Teilnahme des Lärmschutzbeauftragten an Gemeinderatssitzungen zu anderen Themen stuft Paprotka hingegen als „sehr sinnvoll“ ein.
Die Aufgaben der DFS liegen nach den Worten der Sprecherin Kristina Kelek nicht in der Kommunikation vor Ort: „Die DFS ist für die Flugverfahrensplanung verantwortlich, und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung prüft die vorgelegten Routenvarianten genau.“ Bei Abflugverfahren stehe trotz höchster Lärmschutzanforderungen die Sicherheit an erster Stelle. Die harsche Kritik von Seiten etlicher Kommunalpolitiker, dass die neue Flugroute in den Gemeinderäten von Vertretern der Fluggesellschaften und nicht von unabhängiger Seite vorgestellt wurde, kontert Kelek: An solchen Gemeinderatssitzungen teilzunehmen, widerspreche vom Grundsatz her dem Neutralitätsprinzip der DFS.

eli / Foto: Horst Rudel


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