Trickbetrüger gehen immer dreister vor, um Menschen um ihre Ersparnisse zu bringen – Mehrere Maschen kombiniert

Weg mit der Höflichkeit! In manchen Situationen gibt es nur eines: Den Telefonhörer auflegen! Das, so erklärt Andrea Kopp von der Pressestelle des auch für den Landkreis Esslingen zuständigen Polizeipräsidiums Reutlingen, ist die einzige sichere Methode gegen Trickbetrüger am Telefon. Denn die Kriminellen gehen immer dreister vor und kombinieren verschiedene Abzockmethoden miteinander, um vorwiegend ältere Menschen um ihre Ersparnisse zu bringen. Nahezu alle Gemeinden im Einzugsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen seien schon betroffen gewesen, meint Andrea Kopp, und sie spricht von „regelrechten Anrufwellen“.
Mit weinerlicher Stimme
Die Seniorin aus einer kleineren Gemeinde im Kreis Esslingen erschrak zu Tode. Ein Anrufer meldete sich Anfang August bei der 81-Jährigen. Er sprach mit schwer verständlicher, weinerlicher Stimme, sodass die Frau ihn für ihren Enkel hielt. Kurz darauf meldete sich ein angeblicher Polizeibeamter: Die Tochter der Seniorin habe bei einem Autounfall einen Menschen getötet. Ein falscher Staatsanwalt fügte im gleichen Telefonat hinzu, nur durch einen fünfstelligen Betrag könne die Tochter vor dem Gefängnis bewahrt werden. Das Geld wurde kurze Zeit später von einem Mann am Wohnhaus der Seniorin abgeholt. Der Enkeltrick, verbunden mit dem Auftreten falscher Polizeibeamter oder Amtspersonen, ist eine der Maschen von Betrügern, sagt Andrea Kopp.
Die Kriminellen würden im Telefonbuch gezielt nach Menschen Ausschau halten, die dort schon längere Zeit eingetragen seien oder früher eher gängige Vornamen hätten. Durch diese Suche hofften die Täter, auf ältere Mitbürger als Opfer ihrer üblen Machenschaften zu stoßen. Die Senioren werden dann durch Schockanrufe in Angst und Schrecken versetzt, ständig mit Telefonaten bombardiert und verbal bearbeitet, sodass sie gar nicht zum Nachdenken kommen.
Viele Opfer würden sich nach der Tat in Grund und Boden schämen und weder ihre Angehörigen noch die Polizei informieren. Die Dunkelziffer sei darum hoch, und eine Strafverfolgung der Täter sei so nicht möglich.
Grund für Scham gibt es laut Andrea Kopp aber nicht. Denn die Betrüger werden in ihrer Methodik immer ausgefeilter und raffinierter. Als Beispiel nennt die Pressefrau einen Vorgang Anfang August in Reutlingen, der sich so überall ereignen könne: Ein Krimineller rief bei einem Senior an, gab sich als dessen Neffen aus und bat um Geld. Richtigerweise legte der Mann auf. Da kam ein erneuter Anruf. Ein angeblicher Polizeibeamter des Landeskriminalamts erklärte, der vorherige Anrufer sei ein Betrüger gewesen. Der Senior solle zum Schein auf die Forderungen des ersten Anrufers eingehen, damit der Kriminelle dingfest gemacht werden könne. Weisungsgemäß hinterlegte der 82-Jährige daraufhin einen fünfstelligen Geldbetrag auf dem Vorderreifen eines abgestellten Autos.
Keinen Namen nennen
Gerade diese Kombination verschiedener Maschen sei äußerst perfide, betont Andrea Kopp: „Damit gelingt es den Betrügern geschickt, aufkommende Bedenken der potenziellen Opfer, die zunächst richtigerweise von einem Betrug ausgehen, zu zerstreuen.“ Die Täter melden sich mit aufgebrachter Stimme und berichten von einer Notlage. Meist nennt der Angerufene dann den Namen eines Angehörigen. Etwa: „Andreas, bist du das?“ Diesen Hinweis greift der Täter auf und bestätigt es: „Ja, genau. Ich bin es.“ So erschleiche er sich zusätzlich das Vertrauen seines Opfers. Darum, so die Pressesprecherin, sollte in solchen Situationen nie ein Name genannt werde.
Krimineller Erfindungsreichtum
Der Respekt und die Glaubwürdigkeit von Amtspersonen und Uniformierten wird von den Betrügern ausgenutzt. Das Vorgehen entspreche mit leichten Veränderungen meist einem bestimmten Muster: Ein angeblicher Polizeibeamter gibt bei einem Anruf vor, ein Einbruch stehe kurz bevor. Die Wertsachen seien zu Hause nicht mehr sicher, der Bank sei ebenfalls nicht zu trauen, die Angestellten seien kriminell. Darum müsse das Ersparte sofort abgehoben werden. Falsche Polizisten würden dann Geld oder Wertsachen abholen und übernehmen. Diese scheinbar leicht durchschaubare Methodik hat ihre Tücken: Die Flexibilität und der kriminelle Erfindungsreichtum der Täter mache Prävention generell zu einer Herausforderung, erklärt Andrea Kopp.
Und die Pressesprecherin des Reutlinger Präsidiums warnt nochmals eindringlich: „Wenn jemand anruft und egal aus welchem Grund Geld will – auflegen. Das ist immer richtig.“ Wer ganz sicher gehen wolle, könne bei der nächsten Polizeidienststelle anrufen und sich rückversichern: „Aber auf keinen Fall die Rückruftaste drücken, sonst landen Sie wieder bei den Kriminellen. Suchen Sie die Nummer selbst heraus oder wählen Sie den Polizeinotruf 110.“
sw / Foto: dpa