Mittlerweile herrscht mehr Klarheit zur Finanzlage – Vielerorts ist sie angespannt, aber nicht dramatisch

Landauf, landab hagelte es zu Beginn der Coronakrise düstere Prognosen: Riesige Einbußen, vor allem bei der Gewerbesteuer, brächten viele Kommunen finanziell ins Wanken. Mittlerweile sehen die Kämmerer klarer. Wie ist die aktuelle Situation? Städte und Gemeinden geben Auskunft.
Esslingen: Corona hat dem Stadtsäckel mächtig zugesetzt: Geringere Einnahmen und höhere Ausgaben machen sich nicht nur im städtischen Kernhaushalt bemerkbar, sondern zum Beispiel auch im Etat des städtischen Klinikums. Dabei musste Finanzbürgermeister Ingo Rust schon vor Corona mit spitzem Bleistift kalkulieren, weil die konjunkturelle Entwicklung und der Strukturwandel in der Wirtschaft Wirkung zeigten. Die lange Jahre sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen gingen merklich zurück. Corona hat diesen Trend verschärft: Die Gewerbesteuereinnahmen, die in den Rekordjahren 2017 und 2018 jeweils über 100 Millionen Euro lagen, erreichen 2021 nur noch etwa die Hälfte. Hinzu kommen stetig steigende Abschreibungen für Investitionen in Straßen, Brücken oder Gebäude. Dennoch will die Stadt bis 2026 fast 200 Millionen Euro in ihre Infrastruktur investieren. Dafür müssen nach zehn Jahren ohne neue Schulden und massiver Tilgungen nun wieder Kredite aufgenommen werden: Für die kommenden fünf Jahre droht eine Nettoneuverschuldung von 77 Millionen Euro.
Ostfildern: Viel besser als erwartet stellt sich die Finanzlage der Stadt Ostfildern dar. Statt eines Defizits in zweistelliger Millionenhöhe, das zu befürchten war, dürfte am Ende des Jahres unterm Strich sogar ein Plus von einer halben Million Euro stehen. „Wir dürfen letztlich zufrieden sein“, sagt Oberbürgermeister Christof Bolay. Bei der Gewerbesteuer war man Ende 2020 noch von 13,5 Millionen Euro ausgegangen, nun erwartet die Verwaltung Einnahmen von 17 Millionen Euro. Zudem profitiert Ostfildern vom kommunalen Hilfspaket des Landes. Hinzu kommt ein Einmalertrag von 4,5 Millionen Euro durch die Eingliederung des aufgelösten Eigenbetriebs Wohnungsverwaltung in den Kernhaushalt. 2022 erwartet die Stadt deutlich höhere Steuererträge. Dennoch rechnet Finanzbürgermeister Rainer Lechner mit einem Minus von 2,8 Millionen Euro im Ergebnishaushalt.
Plochingen: Die Stadt ist dieses Jahr „mit einem blauen Auge davongekommen“, berichtet der Beigeordnete und Kämmerer Michael Hanus. Zwar liegt der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer für 2021 eine Million Euro unter dem Planansatz von 9,7 Millionen Euro. Aber bei der Gewerbesteuer greift ein Sondereffekt: Dank Nachzahlungen aus vergangenen Jahren wird der Planansatz für 2021 von 8,9 Millionen Euro um fast zwei Millionen übertroffen. „Damit können wir den fehlenden Betrag bei der Einkommensteuer ausgleichen. Ohne diesen Einmaleffekt hätte uns Geld gefehlt.“ Auf der anderen Seite werden 150 000 bis 200 000 Euro für Desinfektionsmittel und Tests für Verwaltung, Kitas und Schulen an der Stadt hängen bleiben. Dabei braucht die Stadt jeden Euro: Im Doppelhaushalt 2022/23 muss sie alleine für die Sanierung des Gymnasiums mehr als 20 Millionen Euro aufbringen.
Nürtingen kommt finanziell betrachtet bisher einigermaßen gut durch die Coronakrise. Im ersten Pandemiejahr hat die Stadt mit 1,4 Millionen Euro Minus abgeschlossen. Ende dieses Jahres wird das Defizit wohl drei Millionen Euro betragen, doch es hätte deutlich schlimmer kommen können. Wie OB Johannes Fridrich in seiner Haushaltsrede sagte, hatte die Kämmerei mit einem zweistelligen Betrag gerechnet. Doch coronabedingte Einsparungen und die gute Entwicklung der Gewerbesteuer lassen das Defizit abschmelzen. Nach einem Einbruch 2020 haben sich die Einnahmen aus der Gewerbesteuer mit mehr als 20 Millionen Euro auf „einem ordentlichen Niveau stabilisiert“. Ordentlich für Nürtinger Verhältnisse, wie Fridrich erinnerte, denn im Kreis sei die Kommune das Schlusslicht unter den Großen Kreisstädten. Grund dafür seien die überschaubaren Gewerbeflächen in der Stadt.
Aichwald Ähnlich ergeht es der Gemeinde Aichwald, die für 2021 ein Defizit im laufenden Betrieb von mehr als 1,7 Millionen Euro befürchtet hatte. Da aber auch auf dem Schurwald die Gewerbesteuereinnahmen höher ausfallen als erwartet, schmilzt das Defizit. Positiv ausgewirkt haben sich höhere Schlüsselzuweisungen des Landes und verringerte Ausgaben. Der Aichwalder Kämmerer Andreas Jauß geht derzeit unterm Strich noch von einem Minusbetrag von 500 000 Euro im Ergebnishaushalt aus. Eventuell endet das Jahr sogar mit der Schwarzen Null. Doch das sind Sondereffekte. Mit Blick auf die Zukunft müssen und wollen Rathaus und Gemeinderat auf Kosten und Einnahmen schauen, um das strukturelle Defizit zu beheben.
red / Foto: Roberto Bulgrin