Zum Tag der Organspende wurde eine erneut ernüchternd niedrige Zahl an Organspenden veröffentlicht. Haben Sie einen Organspendeausweis?

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Sperrung wegen der Bauarbeiten zur Lärmschutzwand in Esslingen ist Geschichte – Neuer Asphalt auf dem Abschnitt
Seit Freitag vergangener Woche gilt in der Ulmer Straße wieder in beide Richtungen: freie Fahrt. Die Strecke war etwa ein Jahr gesperrt wegen des Baus einer 720 Meter langen Lärmschutzwand entlang der Bahngleise. Betroffen war der Bereich zwischen der Abzweigung zur Merkelstraße und dem Gebäude Hausnummer 32. Zur Freude der Projektverantwortlichen, Verkehrsteilnehmer und Anrainer wurde die Baustelle sogar einen Monat früher fertig als geplant – vorgesehen war eigentlich, die Maßnahmen Ende Juni abzuschließen. Ein optimierter Bauablauf und die milde Witterung über den Winter nennt die Verwaltung als Gründe für den zeitigeren Abschluss.
Einen kleinen Wermutstropfen gibt es allerdings: Im Kreuzungsbereich zwischen Ulmer Straße und Olgastraße sind noch bis etwa Ende Juni Einschränkungen zu erwarten. Grund ist die Lieferung des Ampelmastes, die noch aussteht. Die derzeitige provisorische Ampelanlage bleibt solange in Betrieb. Die Folgen für die Verkehrsteilnehmer: Das Linksabbiegen aus der Ulmer Straße in die Olgastraße und umgekehrt, das Linksabbiegen aus der Olga- in die Ulmer Straße, ist solange nicht möglich.
Die Verwaltung hat im Zuge der Arbeiten für die Lärmschutzwand auch den Fahrbahnbelag auf der gesamten Baustellenlänge durch „lärmreduzierenden Asphalt“ erneuert, sagt Uwe Heinemann, Leiter des Tiefbauamts der Stadt. Außerdem wurde die Ampel an der Kreuzung Olgastraße mit einem Blindenleitsystem und abgesenkten Bordsteinen versehen, was den Übergang mit Rollstühlen und Kinderwagen erleichtert. Die Stadt beziffert die Kosten dafür auf etwa 400 000 Euro. Durch die Lärmschutzwand und die Erneuerung des Straßenbelags gebe es nun doppelten Lärmschutz, sagt Heinemann. Konkret betrage die Lärmreduzierung in den ersten Häuserreihen zehn Dezibel. Angestrebt wird laut Verwaltung eine Lärmreduzierung auf 57 Dezibel in der Nacht. Zum Vergleich: Der Wert von 60 Dezibel entspricht in etwa dem Geräuschpegel in Büros oder Restaurants.
Durch die Maßnahmen werden etwa 340 Wohneinheiten direkt vor Lärm geschützt, indirekt sogar mehr als 1000. Auch die Bewohner der von der Bahnstrecke weiter entfernt liegenden Gebäude profitieren den Verantwortlichen zufolge von der Wirkung des Schallschutzes. „An einigen Gebäuden werden wir noch passive Schallschutzmaßnahmen durchführen“, sagt Hasan Ilhan, Leiter des Bereichs Lärmemission Süd-West bei der DB Netz. Unter passiven Schallschutzmaßnahmen versteht man das Dämmen von Rollladenkästen, Türen oder Fassaden. Die Kosten in Höhe von etwa 3,9 Millionen Euro trägt die DB Netz. Die Lärmschutzwand ist Teil eines Investitionsprogramms des Bundes, das lärmbelastete Bahnstrecken mit Schallschutz ausstattet.
Aber auch der Spruch „Des einen Freud, des anderen Leid“ traf im Fall der Lärmschutzwand zu. Denn der Bau, die damit verbundene Sperrung und die Umleitung hatten vor allem in den ersten Wochen bei einigen Händlern und Betrieben in der Ulmer Straße für Unmut gesorgt. So mancher klagte über die unzureichende Beschilderung, eine geringere Kundenfrequenz und infolgedessen Umsatzeinbußen. Zu Beginn hätten vor allem Ortsunkundige Probleme gehabt, die dort ansässigen Läden zu finden, sagt Markus Ender vom Fachbaumarkt Profi Ernst. Er gibt an, dass man bis zu 50 Prozent weniger Kunden gehabt habe. Benachbarte Händler klagten über ähnliche Folgen. Aus diesem Grund hatte die Verwaltung vergangenes Jahr bei der Beschilderung nachjustiert.
Dennoch kamen weniger Kunden als üblich. Darum wurde man bei Profi Ernst kreativ und hat Postkarten mit einer Anfahrtsskizze verteilt. Markus Ender: Die Maßnahme an sich ist „richtig und wichtig für die Anwohner“. Nur bei der Umleitung hätte er sich eine Variante gewünscht, die für weniger Verwirrung hätte sorgen können.
jas / Foto: Roberto Bulgrin
Transnet BW will neben dem Kraftwerk eine Bevorratung einrichten – „Zeit mit Blick auf kommenden Winter drängt“
Der Klimawandel gefährdet offenbar indirekt die Energiesicherheit im Südwesten. Weil Frachtschiffe infolge niedriger Pegelstände im Rhein teilweise nicht an ihr Ziel kommen, will der Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW am Standort Altbach ein neues Kohlelager bauen. So sollen Kraftwerke der EnBW in der Region in Zeiten von Lieferschwierigkeiten dennoch Strom produzieren können. Die Projektbeteiligten werben um Zustimmung der Kommunen und Grundstückseigner.
„Seit 2015 hatten wir fast jedes Jahr Niedrigwasser, was die Betriebsbereitschaft der Kraftwerke gefährdet“, sagte Volker Dütsch von Transnet BW in einer Sitzung des Esslinger Ausschusses für Technik und Umwelt. Zwar ist der Kohleausstieg politisch beschlossen, derzeit sind aber Kraftwerke wie das in Altbach noch in Betrieb, um in Zeiten ohne Wind und Sonne Energiesicherheit zu gewährleisten – in Altbach ist der neuere Steinkohleblock 2 der EnBW noch am Markt, der ältere in der sogenannten Netzreserve.
Altbach werde bislang zwar vor allem über die Schiene mit Kohle beliefert, das aber habe sich auch als störanfällig erwiesen. Das einzige was wirklich helfe, sei vereinfacht ausgedrückt ein Kohlehaufen vor der Haustüre, so Dütsch. Aktuell besteht bereits ein Kohlelager auf dem Gelände der EnBW für 20 000 Tonnen Vorrat. Die Fläche wird durch den geplanten Bau eines Gaskraftwerks aber verringert – ein Grund, weshalb Transnet BW nun das Projekt anstößt.
Platz für 80 000 Tonnen Kohle
Das Lager soll auf einer derzeit landwirtschaftlich genutzten Fläche von 10 400 Quadratmetern am Neckar entstehen, zwischen Block 1 sowie der Entsorgungsfirma Scherrieble und der Firma E. Bayer Baustoffwerke. 80 000 Tonnen Steinkohle könnten gelagert werden, das reicht früheren Angaben zufolge für etwa 20 Tage unter Volllast. Die Fläche gehört in Teilen der Firma Bayer, der Gemeinde Altbach und der Stadt Esslingen.
Von den ersten beiden waren zustimmende Signale gekommen, zuletzt hat der Esslinger Gemeinderatsausschuss bei einer Gegenstimme (Johanna Renz, Linke) grundsätzlich grünes Licht zur Fortführung der weiteren Planung erteilt.
Transnet BW kalkuliert mit Kosten von 1 bis 1,5 Millionen Euro. Nach etwa vier Jahren soll das Lager wieder rückgebaut werden. Für Bau und Betrieb will man die Expertise der Firma Bayer nutzen. Die Kohle soll per Schiff über den Neckar zum Anleger von Scherrieble und von Bayer zum Lager gebracht werden. Wird sie benötigt, erfolgt der Transport zum Kraftwerk Altbach, nach Heilbronn oder Walheim per Schiff. Nach Angaben von Dütsch hat Transnet BW auch Alternativstandorte geprüft, etwa in Gaisburg oder flussaufwärts. Sie kamen wegen fehlender Infrastruktur oder fehlender Genehmigungen für den Schiffsumschlag nicht infrage. Zumal in Altbach der größte Kohlebedarf bestehe.
„Wir haben sehr starken Druck“, erklärte Dütsch. Man schaue auf den nächsten Winter, der mit Blick auf die Temperaturen womöglich nicht so glimpflich verlaufe wie der vergangene.
Demnächst möchten die Bauherren den Genehmigungsantrag beim Landratsamt stellen. Dieses ist für das immissionsschutzrechtliche Verfahren zuständig. Die Stadt Esslingen wird im weiteren Verlauf auch in baurechtlichen, städtebaulichen und weiteren Fragen miteinbezogen. Transnet BW hofft, dass möglichst im September der Bau starten kann.
gg / Archivfoto: Philipp Braitinger
Für den 143,4 Millionen Euro teuren Neubau des Landratsamtes ist der Grundstein gelegt – Einzug ist 2026 geplant
Nur wenige Monate nach dem Abriss des mehr als 40 Jahre alten Verwaltungsgebäudes wurde auf der Baustelle in den Esslinger Pulverwiesen nun feierlich der Grundstein für den Neubau gelegt. Landrat Heinz Eininger, Stephan von der Heyde, Vorstandsmitglied des mit dem Bau beauftragten Generalunternehmers Züblin, und Esslingens Erster Bürgermeister Ingo Rust versenkten symbolträchtig eine mit zeitgeschichtlichen Dokumenten gefüllte „Zeitkapsel“ im Fundament. Es bedürfe schon einer ausgefeilten Falttechnik, um da alles reinzubekommen, scherzte Eininger. Das Kupfergefäß hat schließlich einen Durchmesser von gerade mal zehn Zentimetern und ist nur knapp 50 Zentimeter lang. Dennoch fanden darin neben Beschlüssen des Kreistages, Plänen und Informationen zum Projekt und einer aktuellen Tageszeitung auch ein ausgemustertes Mobiltelefon, aktuelle Münzen und die Urkunde zur Grundsteinlegung Platz.
Infos für künftige Generationen
Zudem wurde auf einem Zettel nach alter Sitte festgehalten, wie viel derzeit ein Doppelzentner Weizen kostet (24 Euro), ein Hektoliter guten Esslinger Weines (950 Euro) sowie eine Facharbeiterstunde (50 Euro). Damit wolle man „Generationen in ferner Zukunft Aufschluss über unsere Beweggründe zum Bau, zum Gebäude selbst sowie zu unserem gegenwärtigen gesellschaftlichen Leben geben“, sagte der Landrat.
Er erinnerte an eine fast zwölf Jahre währende, lebhaft geführte Debatte und betonte: „Mit dem Neubau wird ein Meilenstein in der Neuordnung der Kreisverwaltung gesetzt.“ Obwohl die Baukosten jüngst um 13,7 Millionen Euro auf nunmehr 143,4 Millionen Euro stiegen und darüber hinaus weitere Kosten für die Interimsunterbringung der Ämter und Dienststellen sowie für die Möblierung des Neubaus in Höhe von 14,3 Millionen Euro anfallen, ist der Landrat überzeugt: „In der Gesamtbetrachtung war ein Neubau im Vergleich zum Erhalt, der Sanierung und Erweiterung des Bestandsgebäudes günstiger.“ Mit Baukosten von 3990 Euro pro Quadratmeter Grundfläche liegt man laut Eininger „deutlich unter den Baukosten vergleichbarer Projekte“.
Ressourcenschonender Bau
Am Ufer des Neckars entsteht ein Verwaltungsgebäude mit 675 Arbeitsplätzen, das den benachbarten Erweiterungsbau ergänzt. Der Entwurf stammt vom Architektenbüro BFK. Durch die Grundform einer liegenden Acht mit einem zentralen Knotenpunkt biete das Gebäude „einen Ort, der Mitarbeitende und Besucher freundlich empfängt und auf kurzen Wegen zum Ziel führt“, erläuterte BFK-Geschäftsführer Reiner Hahn.
Das Stuttgarter Unternehmen Züblin als Generalunternehmer errichtet den Neubau schlüsselfertig – die Übergabe an den Landkreis soll im September 2025 erfolgen. Nach dem Einrichten werden die Mitarbeiter Anfang 2026 die modernen Büros beziehen können. Bislang liegen die Arbeiten im Zeitplan.
Für Züblin sei der Neubau „ein Leuchtturmprojekt für das ressourcenschonende und nachhaltige Planen und Bauen von morgen“, hob Vorstand von der Heyde hervor. Mehr als 90 Prozent der beim Abriss des Altbaus gewonnenen Materialien wurden wiederverwertet, für den Neubau werden Recycling-Baustoffe verwendet. Mit Photovoltaikanlage und Wärmepumpe erfüllt das neue Esslinger Landratsamt den KfW-Effizienzhausstandard 40.
eh / Foto: Roberto Bulgrin
Razzien bei Aktivisten der „Letzten Generation“, der Staatsschutz prüft auf „kriminelle Vereinigung“. Finden Sie das angemessen?
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Klimakleber kriminell?
Winfried Kretschmann ist Namenspatron einer Miniwespe – Deren Entdeckerin ist Marina Moser, Doktorandin aus Esslingen
Der Naturforscher krabbelt über die Wiese, dreht Grashalme um – und entdeckt eine neue Art. So ungefähr könnte man es sich vorstellen. Die Realität sieht allerdings anders aus, oft zeigt sich erst unter dem Mikroskop, dass man auf etwas bisher Unbekanntes gestoßen ist. So war es auch bei der mittlerweile nach dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann benannten Wespenart, die die Biologin Marina Moser entdeckt hat. Das Insekt ist nämlich nur einen Millimeter groß.
Marina Moser wohnt in Esslingen-Sulzgries und ist oft und gerne in der Natur unterwegs. Als Forschungsreferentin und Doktorandin im Stuttgarter Rosensteinmuseum verbringt sie allerdings auch viel Zeit am Schreibtisch oder am Mikroskop. Wie an jenem Tag, als sie sich sogenannte Alkoholproben von Insekten anschaute – „Hunderte von Tieren“. Zweck der Übung war, das Auge zu schulen und Routine beim Bestimmen zu bekommen. Denn die 27-Jährige nimmt an dem Projekt „German Barcode of Life“ teil, das eine Referenzbibliothek der deutschen Flora und Fauna erstellt. Dafür werden an mehreren Standorten in Baden-Württemberg regelmäßig Proben mit Keschern und Zeltfallen genommen und später mikroskopisch untersucht. Ein Schwerpunkt sind bislang wenig erforschte Insektengruppen, zu denen auch die parasitoiden Wespen gehören. Diese Tiere, die um ein Vielfaches kleiner sind als die bekannten schwarz-gelben Wespen und ihre Eier in einem anderen Insekt ablegen, haben es Marina Moser angetan. Bei einem Kurs zwischen dem Bachelor- und dem Masterstudium an der Uni Hohenheim hat sie die Insektengruppe entdeckt: „In den drei Kurswochen hat sich mir eine ganze Welt erschlossen.“
Der Professor in Amerika wundert sich
Die Gattung heißt Aphanogmus – und Marina Moser weiß mittlerweile viel über sie: Sie hat sie zum Gegenstand ihrer Doktorarbeit gemacht. Rund 50 Aphanogmus-Arten kennt man in Europa. Aber was die Doktorandin an jenem Tag beim Blick ins Mikroskop sah, verwunderte sie: Eine etwa einen Millimeter große Wespe hatte am Hinterleib nicht nur Haare, sondern eine Art Borsten oder Stacheln. Das war ungewöhnlich, und Moser schickte ein Foto an einen Experten in den USA, der beim Bestimmen helfen sollte. Weltweit gibt es nicht viele Experten auf diesem Gebiet. Der Professor in Amerika wunderte sich ebenfalls: So etwas hatte er noch nie gesehen.
Nach einigen Recherchen war klar, dass es sich um eine neue Art handeln könnte. Denkbar wäre auch ein einzelnes Tier mit einer Fehlbildung gewesen, doch das ist inzwischen widerlegt. „Wir haben mittlerweile 28 Exemplare gesammelt, die meisten am Spitzberg in Tübingen“, erzählt Marina Moser. Alle diese Miniwespen saßen an einem Südhang, offensichtlich mögen sie Wärme. Wofür die kleinen Stacheln da sind, kann man bisher nur vermuten. Denkbar wäre, dass die Wespe dieses Werkzeug wie eine Säge nutzt, um ihren Wirt für die Eiablage „zu öffnen“. Das ist eine Hypothese von Moser und ihren Kollegen, bewiesen ist es noch nicht. Ebenso wenig weiß man bisher, in welchem Wirt die Miniwespen ihre Eier ablegen. Aber egal welcher das ist, „wie so ein kleines Tier, nur einen Millimeter groß, in der komplexen Welt seinen einen Wirt findet – das fasziniert mich“, sagt die Entdeckerin.
Der Ministerpräsident kennt sich aus
Dass ausgerechnet Kretschmann zum Namensgeber wurde, ist kein Zufall. Zum einen hat er selbst einmal Biologie studiert, zum anderen hat Marina Moser ihn kennengelernt und als sehr kompetent und interessiert erlebt. So war der Ministerpräsident bei der Studierenden-Initiative „Bunte Wiese Stuttgart“ zu Gast, die sie mitgegründet hat. Außerdem fördere er die Forschung zur Biodiversität sehr, sagt sie. Und ihn störe auch nicht, dass eine parasitoide Wespe – umgangssprachlich würde man Schmarotzerwespe sagen – nach ihm benannt ist. Als Fachmann wisse er, dass diese Tiere enorm wichtig für das Ökosystem sind. „Er hat sich wirklich wahnsinnig gefreut“, sagt die junge Biologin. Inzwischen haben Winfried Kretschmann und sie einige gemeinsame Auftritte vor der Presse und dem Fernsehen absolviert.
Marina Moser wird weiter an den Miniwespen forschen und weiterhin auch ehrenamtlich aktiv sein. In Hohengehren aufgewachsen, stieß sie vor einigen Jahren zum Naturschutzbund Plochingen-Reichenbach und ist mittlerweile dessen Insekten-Spezialistin. Kürzlich hat sie dort einen Vortrag über Wespen gehalten. Es war bestimmt nicht das letzte Mal.
aia/Foto: Karin Ait Atmane
Die Post-Tochter DHL will den Standort in Köngen erweitern – Die Kommunalpolitik stellt Weichen
Seit einigen Jahren steht im DHL-Postfrachtzentrum in Köngen eine Erweiterung an – und sorgt für reichlich Arbeit in der Kommunalpolitik: Mehr als 1000 Seiten, darunter sieben Fachgutachten von Verkehr über Lärm- und Artenschutz bis hin zum Mikroklima, hatten die Gemeinderäte von Köngen und Wendlingen durchzuackern, um die zunächst anstehende Änderung des Flächennutzungsplans sowie den Bebauungsplan auf den Weg bringen zu können. Beide Gremien erteilten ihre Zustimmung, den endgültigen Beschluss treffen die Vertreter aus Köngen und Wendlingen nun im Juni bei einer Sitzung des Gemeindeverwaltungsverbands Wendlingen.
Nötig wird die Erweiterung, weil durch den zunehmenden Onlinehandel und die damit verbundene Erhöhung des Sendungsaufkommens die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Paketzentrums Köngen weit überschritten sind – was etwa in der Vorweihnachtszeit zu langen Staus rund um das Paketzentrum führt. Mit der Erweiterung soll auch die Verkehrssituation verbessert werden, wie der Stadtplaner Robert Schneider von der Architektenpartnerschaft Stuttgart (ARP) den Köngener Gemeinderäten kürzlich erläuterte.
Begrünter Lärmschutz
Erweitert werden soll das Gelände in nordöstliche Richtung: Geplant sind der Neubau einer sogenannten Co-Location, ein Erweiterungsbau zum bestehenden Postfrachtzentrum, zwei Parkhäuser, zusätzliche Stellplätze, größere Rangierflächen sowie ein neuer Anschluss an die Plochinger Straße am nordöstlichen Rand des erweiterten Areals. Um die Vorgaben des Lärmschutzes einzuhalten, wird eine auf der Köngener Seite bis zu 16 Meter hohe, teilweise begrünte Lärmschutzwand um das gesamte 15,6 Hektar große Betriebsgelände gezogen. Zur Bundesstraße B 313, also zur Wendlinger Seite hin, ist die Wand sechs Meter hoch. Der Motorsportclub Köngen-Wendlingen, der lange um seine Existenz bangte, gibt für die Erweiterung sein angestammtes Areal auf und wird auf das benachbarte Gelände der ehemaligen Lackfabrik umgesiedelt, wo eine moderne Trialanlage gebaut werden soll.
Bisher kann das Postfrachtzentrum nur über die Robert-Bosch-Straße angefahren werden – der Bau der neuen Zufahrt an der Plochinger Straße, über die dann fast der gesamte An- und Abfahrtsverkehr laufen soll, soll die Situation wesentlich entzerren. Rückstaus auf der Landstraße sollen aufgrund der größeren Kapazitäten für wartende Lastwagen innerhalb des Zentrums der Vergangenheit angehören. Die Zulieferer, die von der A 8 kommen, sollen bis zur Ausfahrt Köngen-Nord fahren und über den Kreisel auf die Plochinger Straße gelangen. Von Stuttgart aus soll die Abfahrt Wernau der B 313 genutzt werden. „Damit das funktioniert, ist allerdings ein Leitsystem für die Fahrer zwingend notwendig“, sagte Schneider. Tabu sein soll die Abfahrt Köngen-Wendlingen der B 313, die bislang immer mal wieder von Zulieferern genutzt wird. Empfohlen wird zudem, die geltende Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Plochinger Straße von 70 auf 50 Kilometer pro Stunde zu reduzieren.
Mehrbelastung durch Verkehr
Den Köngener Gemeinderat Günter Hoffelner (Freie Wähler) treibt neben dem erhöhten Verkehrsaufkommen besonders der Lärm um: „Die Lärmschutzwände schützen uns vor dem Lärm, der vom DHL-Gelände ausgeht, aber nicht vor dem Verkehrslärm.“ Bürgermeister Otto Ruppaner räumte ein, dass mit der Erweiterung eine verkehrliche Mehrbelastung einhergehe. Entscheidend sei aber, dass der Verkehr nicht durch den Ort geführt werde. Auch der Unterhalt der Straßen und ein möglichst simples Leitsystem trieben die Köngener Gemeinderäte um – letztlich fiel der Beschluss aber wie auch in Wendlingen einstimmig.
Den Wendlinger Kommunalpolitikern bereitete neben möglichen Schallreflexionen an der Lärmschutzwand auch das teils wilde Parken von DHL-Fahrzeugen im Gewerbegebiet am Schäferhauser See Sorgen. Laut DHL-Vertretern würden Schallreflexionen an der Wand aber durch eine hohe Absorptionsfähigkeit des Materials vermieden. Und Parkplätze sollen künftig innerhalb des Betriebsgeländes in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.
kd/Foto: Kerstin Dannath
Esslinger Verwaltung will mehr Veranstaltungstage in Innenstadt ermöglichen – Open-Air-Richtlinien überarbeitet
Die Esslinger Innenstadt bietet reizvolle Kulissen, um zu feiern und um Kultur unter freiem Himmel zu genießen. Doch was Besucher und Veranstalter freut, kann für Anwohner von Marktplatz, Rathausplatz und Hafenmarkt zur Bürde werden. Seit 1997 regeln Open-Air-Richtlinien, was in der Innenstadt möglich ist. Dass Anwohner, Bürgerausschuss, Marktbetreiber und Veranstalter versuchen, einen gemeinsamen Weg zu gehen, hat sich nach Einschätzung der Stadtverwaltung bewährt. Weil das sommerliche Veranstaltungstreiben zuletzt immer wieder Ausnahmen nötig machte, will die Stadt das Regelwerk jedoch anpassen – und einige zusätzliche Veranstaltungstage festschreiben.
Gewöhnlich sind Veranstaltungen in der Innenstadt werktags bis 20 Uhr möglich. Im Ausnahmefall können sie bis 23 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen zugelassen werden. Näheres regeln die Open-Air-Richtlinien – unter anderem die maximale Zahl von Veranstaltungen, die nach 20 Uhr enden. Zusätzliche Tage muss der Gemeinderat im Einzelfall legitimieren. Das soll nun anders werden – sofern die Ratsmitglieder am 16. Juni der geplanten Änderung des Regelwerks zustimmen. „Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen der Veranstaltungen auf dem Marktplatz/Rathausplatz müssen die Open-Air-Richtlinien Innenstadt angepasst werden“, ließ die Verwaltung den Verwaltungsausschuss wissen.
„Toleranz der Bewohner nicht überstrapazieren“
Zuvor hatten Verwaltung und Stadtmarketing ihre Überlegungen mit dem Bürgerausschuss erörtert. Dessen langjährige Vorsitzende Barbara Frey hatte in der jüngsten Einwohnerversammlung betont: „Die Toleranz der Innenstadt-Bewohner ist groß, aber sie darf nicht überstrapaziert werden.“ Erklärtes Ziel der Stadt ist deshalb „ein möglichst reibungsloses Miteinander der Bewohner, der anliegenden Geschäfte und Gastronomen und der Stadt“. Dazu gehört auch, dass eine konkrete und zeitlich möglichst eng begrenzte Auf- und Abbauplanung Teil der Genehmigung sein muss.
Die Verwaltung ist vom Handlungsbedarf überzeugt: Wenn alle wiederkehrenden Veranstaltungen weiterhin gesetzt sind, bleiben nach den bislang gültigen Richtlinien nur noch zwei Veranstaltungstage mit Ende vor 22 Uhr zur freien Vergabe übrig. Damit würde die Stadt etwa beim Schwörfest, wie sich das Bürgerfest künftig nennt, Probleme bekommen: Nach dem neuen Konzept beginnt das dreitägige Fest nämlich bereits am Freitag auch auf dem Marktplatz, und es endet am Sonntag um 18 Uhr. Damit am Freitag bis 24 Uhr gefeiert werden kann, musste der Kulturausschuss einen zusätzlichen Tag bis Mitternacht separat genehmigen.
Ähnliches beim Estival: Das Stadtmarketing möchte die Open-Air-Sause von elf auf 13 Tage ausdehnen. „Somit sind auch hier zwei weitere Veranstaltungstage nach 22 Uhr nötig“, heißt es in der Sitzungsvorlage für den Gemeinderat. „Dies ist nach den alten Richtlinien nicht mehr möglich.“ Und für außergewöhnliche Veranstaltungen wie etwa das CVJM-Jubiläum gäbe es ohnehin keine freien Tage mehr im Veranstaltungskalender. Vor allem von Juli bis Anfang August ballen sich auf dem Marktplatz die Veranstaltungen. „Dies würde 2023 durch das Landeskinderturnfest nochmals verschärft“, erläutert die Verwaltung. Für das Kulturfest „Stadt im Fluss“ sind alle drei Jahre sowohl für den Markt- und Rathausplatz als auch für den Hafenmarkt drei zusätzliche Tage nötig, zwei davon mit einem Veranstaltungsende nach 22 Uhr. Auch das soll künftig in den Richtlinien dauerhaft berücksichtigt werden.
Derzeit verlangen die Open-Air-Richtlinien nach zwei Veranstaltungswochenenden zwingend ein Ruhewochenende. „Ein Verzicht auf diese Ruhewochenenden wenigstens für Juli/August wäre sinnvoll“, heißt es im Rathaus. Dies würde auch den Wochenmarktbeschickern entgegen kommen.
Diesem Vorschlag sei der Bürgerausschuss Innenstadt allerdings nicht gefolgt. Signalisiert habe der Ausschuss jedoch seine grundsätzliche Bereitschaft, bei konkreter terminlicher Kollision im Einzelfall auch mal Ausnahmen hinzunehmen. Erstmals würden die überarbeiteten Open-Air-Richtlinien für die Innenstadt in der Freilichtsaison 2024 gelten – allerdings nur, wenn der Gemeinderat am 16. Juni seine Zustimmung dafür gibt.
adi/Foto: Roberto Bulgrin
Die Strom- und Gaspreise sollen nun auch bei Grundversorgern nachgegeben haben. Ist die Preissenkung auch schon bei Ihnen angekommen?
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Schon billiger?
Bei der Reform 1973 hat sich der Landkreis Esslingen um das Altkreis-Nürtingen-Gebiet vergrößert – Wunden sind verheilt
Es war eine schwere Geburt mit heftigen Wehen: Vor 50 Jahren entstand der Landkreis Esslingen in seiner heutigen Form. Der runde Geburtstag ist vergangene Woche mit einem Festakt im Wernauer Quadrium gefeiert worden. Anders als 1973 gibt es Grund zur Freude: Längst ist zusammengewachsen, was ein radikaler Verwaltungsakt zusammengebracht hatte.
Seit dem 19. Jahrhundert bildeten die Oberämter Esslingen, Nürtingen, Kirchheim und das Amtsoberamt Stuttgart den Kernbereich des heutigen Landkreises Esslingen. Im Zuge der Verwaltungsreform von 1938 wurde er um einige Gemeinden des aufgelösten Amtsoberamts Stuttgart vergrößert, hinzu kamen zudem die Schurwaldgemeinden des einstigen Oberamts Schorndorf sowie die Gemeinden Hochdorf und Reichenbach. Aus den Oberämtern Kirchheim und Nürtingen entstand der Kreis Nürtingen.
Vorschläge, die kleinteilige württembergische Oberamtsstruktur aufzuheben, habe es schon zu früheren Zeiten gegeben, sagt der Esslinger Kreisarchivar Manfred Waßner. Gleichwohl kam die Idee, im Südwesten „Großkreise“ zu schaffen, einem Erdbeben gleich: Als die aus CDU und SPD gebildete Landesregierung 1969 ihre Vorstellungen zu einer Gebietsreform der Landkreise öffentlich machte, erschütterte das die Kommunalverwaltungen landauf und landab. Denn das „Denkmodell“ sah vor, aus bislang 63 Landkreisen durch Zusammenschlüsse per Gesetz nur noch 25 zu machen. Davon versprach man sich effizientere und vor allem kostengünstigere Verwaltungen.
Sogleich begann ein Hauen und Stechen auf allen politischen Ebenen. Kein Kreis wollte unter die Räder kommen und das Rennen verlieren, jeder wollte seinen Kreissitz verteidigen. Im Stuttgarter Landtag, dem Hauptschauplatz lebhafter Diskussionen, versuchten die Kommunalvertreter aus dem ganzen Land, die Abgeordneten quer durch die Fraktionen auf ihre Seite zu ziehen. „Iss und trink, solang dir’s schmeckt, schon wieder ist ein Kreis verreckt“, soll man sich in jenen Tagen in der Landtagsgaststätte zugerufen haben.
Spielball der Politik
Die Reaktion auf den Vorschlag ließ nicht lange auf sich warten: Die CDU-Landtagsfraktion legte 1970 ein „Alternativmodell“ vor, das 38 Landkreise vorsah. Nach vielen Debatten und weiteren Gutachten legte sich die Koalition am Ende auf 35 Kreise fest. Für einige Kreise änderte das freilich wenig an der Dramatik, sie wurden zum Spielball der politischen Verhandlungen.
Der Landkreis Nürtingen, sagt Waßner, war eines der umstrittensten „Opfer“ der Reform. Er steht im Magazin des Kreisarchivs, wo die Zeitzeugen des erbitterten Nachbarschaftsstreites mit Esslingen lange Regalreihen füllen: von Akten über Gutachten und Broschüren bis hin zu Protestplakaten. Mit einer wahren Publikationsflut hatten beide Seiten versucht, ihre Argumente unters Volk zu bringen.
Obwohl zunächst mehrere Gutachten den beiden Kreisen Esslingen und Nürtingen bescheinigt hatten, mit ihrer Größe jeweils für sich existenzfähig zu sein, wurde 1971 vom Parlament die Zusammenlegung ins Auge gefasst und schließlich – gegen große Widerstände vor allem in Nürtingen – auch beschlossen. Sitz des neuen Kreises sollte zunächst Nürtingen werden. „Man ging lange davon aus, dass Esslingen eine kreisfreie Stadt wird“, sagt Waßner. Das wiederum wollten die Esslinger verhindern. Sie fürchteten, die Stadt würde durch die Ausweisung in den Schatten von Stuttgart geraten. Ihre geschickte Lobbyarbeit zahlte sich aus: In der dritten und letzten Lesung des Gesetzes im Landtag setzte sich Esslingen mit elf Stimmen mehr als Kreissitz durch. Nürtingen sammelte daraufhin fleißig Unterschriften für die Volksabstimmung über die Auflösung des Landtages und reichte beim Staatsgerichtshof eine Klage gegen das Reformgesetz ein, was letztendlich erfolglos war.
Gemeinden kommen und gehen
Die Landkreise Esslingen und Nürtingen bildeten somit zum 1. Januar 1973 den neuen Landkreis Esslingen: Die Gemeinde Grafenberg wurde an den vergrößerten Landkreis Reutlingen abgegeben, 1975 kamen bei der Bildung der Stadt Leinfelden-Echterdingen noch Musberg und Leinfelden vom Kreis Böblingen dazu, sodass der Landkreis Esslingen nunmehr 44 Städte und Gemeinden umfasst, in denen inzwischen rund 538 000 Menschen leben. Kommissarischer Landrat war zunächst der Esslinger Landrat Richard Schall, bevor sich bei der Wahl im Herbst 1973 Hans Peter Braun durchsetzte. Er blieb bis zum Jahr 2000 im Amt. Ihm folgte Heinz Eininger nach, der bis zum heutigen Tag oberster Kommunalbeamter des Kreises ist. Aus historischer Sicht, sagt Kreisarchivar Waßner, sei der Zusammenschluss der beiden Landkreise die richtige Entscheidung gewesen.
eh / Foto: Ines Rudel