Das Gedächtnis des Landkreises ist umgezogen

Das Kreisarchiv wird von Esslingen in das  ehemalige Krankenhaus auf dem Plochinger Stumpenhof verlagert

Das Gedächtnis des Landkreises Esslingen reicht zurück bis ins Jahr 1404 und füllt mehr als 1000 Umzugswagen.  Die Urkunden, Akten, Bücher, Karten, Pläne und Zeichnungen des bisher im Esslinger Landratsamt untergebrachten Kreisarchivs sind in den vergangenen Wochen in ihr neues Domizil  nach Plochingen gebracht worden.   4500 laufende Meter umfasst das Archiv- und Bibliotheksgut. Es wurde in  die  Regale im umgebauten Untergeschoss des ehemaligen Krankenhausgebäudes auf dem Stumpenhof einsortiert. Darunter ist  auch die älteste im Kreisbesitz befindliche  Pergamenturkunde aus der Regierungszeit von Graf Eberhard IV  von Württemberg. 

Ausgeklügeltes Umzugskonzept

„Der Auszug des Kreisarchivs aus dem Gebäude in den Pulverwiesen markiert den Startpunkt zu einem ausgeklügelten Umzugskonzept“, sagte der Esslinger Landrat Heinz Eininger zu Beginn der Aktion vor wenigen Wochen. Bis zum kommenden Frühjahr sollen alle Dezernate und Ämter aus dem dem Abbruch geweihten Esslinger Verwaltungsaltbau  ausgezogen sein – entweder in den kurz vor der Fertigstellung stehenden Neubau nach Plochingen oder in Interimsunterkünfte in Esslingen. Verläuft alles nach Plan, werden Ende März  die Abrissbagger anrollen. Der 130 Millionen Euro teure Neubau soll dann bis zum Juli 2026 bezogen sein.

Das Kreisarchiv allerdings wird dauerhaft in Plochingen unterkommen. „Wir haben hier optimale Bedingungen für ein Archiv geschaffen“,  sagt der Esslinger Kreisarchivar, Manfred Waßmer. Vor allem die großzügigen Seminar- und Leseräume haben es ihm  angetan. „Hier haben wir endlich  genügend Platz, um  künftig auch Schulklassen zu betreuen“, sagt er. Zudem dürfte der Blick des Kreisarchivars weniger häufig besorgt gen Himmel gehen, als in der Vergangenheit. „Im Landratsamt mussten wir ständig mit der Hochwassergefahr leben. Das sollte auf dem Stumpenhof kein Thema mehr  sein“, sagt  Waßmer. Bis das letzte wertvolle Dokument in trockenen Tüchern war, hieß es für ihn und sein Team   noch einmal kräftig in die Hände zu spucken.

Für den Transport selbst ist zwar eine Umzugsspedition verpflichtet worden, das Aus- und Einräumen der Kisten  machen die 18 Archivmitarbeiterinnen und -mitarbeiter jedoch selbst. „Jeder Vorgang wird sowohl beim Ausräumen in Esslingen, als auch beim Einräumen in Plochingen   akribisch festgehalten. Nur so können wir verhindern, dass die Unikate unauffindbar an der falschen Stelle landen“, sagt Waßmer.

In die neuen Archivräume darf kein Tageslicht fallen. Im Keller herrscht eine konstante  Temperatur von 18 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent. Nur so ist den Archivalien, wie den Regierungsblättern des Königreichs Württemberg  aus dem Jahr 1880, die unter anderem Rechenschaft ablegen über die Handels- und Schifffahrtsvereinbarung mit den Vereinigten Staaten von Mexiko, ein langes Leben garantiert.

Führend in Deutschland

Insgesamt dauerte der Archivumzug drei Wochen. Vergangene Woche wurde der reguläre Archivbetrieb in den neuen Räumen wieder aufgenommen.  Das Esslinger Kreisarchiv zählt im Bereich der digitalen Langzeitarchivierung zu den führenden Kommunalarchiven in Deutschland. Am neuen Standort berät und betreut es im Rahmen der kommunalen Archivpflege zudem 38 Stadt-und Gemeindearchive im Landkreis. Es fördert und unterstützt die Erforschung der Heimatgeschichte durch eigene wissenschaftliche und heimatkundliche Projekte.

Der Bestand der öffentlichen Bibliothek kann von allen Bürgerinnen und Bürgern eingesehen und genutzt werden. Eine zentrale gesetzliche Aufgabe des Kreisarchivs ist es zudem, die Akten der Kreisverwaltung nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen auf Archivwürdigkeit zu prüfen und gegebenenfalls ins Archiv zu übernehmen. „Schätzungsweise fünf Prozent des Aktenbestands überführen wir  in die rund drei Meter hohen Regale und damit dauerhaft in  das Gedächtnis des Landkreises. Der Rest wird vernichtet“, sagt Waßmer. 

adt / Foto: Roberto Bulgrin


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