Denkmalschutz für ein Kraftwerk

Auf dem Gelände Altbach/Deizisau werden künftig weniger Flächen benötigt – Heizkraftwerk I ist Kulturdenkmal

Über viele Jahre hinweg war es die Kohle, die in Altbach und Deizisau zur Erzeugung von Energie für die weitere Umgebung genutzt wurde. Die Tage des fossilen Energieträgers sind allerdings gezählt. Zukünftig wird das Kraftwerk Gas, später Wasserstoff als Energiequelle nutzen. Zumindest ein Teil des alten Kraftwerks, das Heizkraftwerk I, muss aber erhalten bleiben. Es wurde als Kulturdenkmal eingestuft. Insbesondere die Architektur der Anlage ist aus Sicht des Landesamts für Denkmalpflege erhaltenswert.
Hellhörig wurde das Denkmalamt im Zuge des Genehmigungsverfahrens für das neue Heizkraftwerk III, mit welchem der Energieversorger EnBW den geplanten Umstieg auf Wasserstoff, den sogenannten Fuel Switch, bewerkstelligen möchte. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens für die neue Anlage wurde das Denkmalamt als Träger öffentlicher Belange gehört. Daraufhin sah man sich das Kraftwerksgelände einmal genauer an – im Archiv und vor Ort. Angetan hat es den Denkmalschützern vor allem die Architektur: Am Heizkraftwerk I zeigten die Architekten Fred Angerer und Gerhard Feuser Anfang der 1980er-Jahre erstmals, wie mit einer qualitätvollen, einbindenden Architektur die Akzeptanz großer Kraftwerksbauten in der Bevölkerung erhöht werden konnte. So begründet das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart, zu welchem das Denkmalamt gehört, die Einordnung des Kraftwerks als Kulturdenkmal. Es habe für die Architekturgeschichte in Deutschland einen exemplarischen Wert. Denn genau dieses Kraftwerk sei vielen später gebauten Kraftwerken ein Vorbild gewesen. Nach dem Bau im Neckartal wurden von den genannten Architekten weitere Kraftwerke im selben architektonischen Stil errichtet, beispielsweise in München oder in Karlsruhe.
Der Hybridkühlturm ist niedriger als die sonst üblichen, sogenannten Nasszugkühltürme. Auch das sei eine Besonderheit. Außerdem sei er so konstruiert, dass er weniger Schwaden zulässt. „Die Schwaden werden durch ein Gebläse vermieden“, teilt das Denkmalamt mit. Der Hybridkühlturm in Altbach sei der erste seiner Art gewesen: „Daher ist er spannend.“ In den Bemühungen um eine Vermeidung der Schwadenbildung sieht das Denkmalamt einen Hinweis auf die Umweltdebatte der späten 70er- und frühen 80er- Jahre. Darüber hinaus zeigen die umfangreichen Anlagen zur Rauchgasbehandlung, für die einst ein Drittel der Investitionskosten aufgebracht wurden, wie sehr die Umweltgesetzgebung seit den 70er-Jahren die Konzeption und Gestaltung von industrieller Infrastruktur beeinflusste.
Unterm Strich besteht also für die Denkmalschützer kein Zweifel daran, dass das Heizkraftwerk I erhaltenswert ist. Technisch seien vor allem der Schornstein, der Hybridkühlturm und die Entstickungsanlage, mit der das Rauchgas von Stickoxiden befreit wird, bedeutsam. Der Schornstein sei zumindest in seiner Dimension so spannend gewesen, dass er im Jahr 1984 in der Zeitschrift „Beton“ besprochen und (zusammen mit dem ganzen Kraftwerk) im Jahr 1999 erstmals im Ingenieurbauführer Baden-Württemberg erwähnt worden sei. Ebenfalls zur Kulturdenkmalanlage gehört die offene Kohlelagerfläche. Beim Heizkraftwerk  II sei das Prinzip des ersten Baus lediglich fortgesetzt worden. Deshalb sei es kein Kulturdenkmal. Die weitere Entwicklung auf dem Kraftwerksgelände soll durch die Einordnung aber nicht verhindert werden, betont das Regierungspräsidium. Dem geplanten Fuel Switch sollen keine Steine in den Weg gelegt werden.
Was aus dem Heizkraftwerk I werden soll, darüber muss sich die EnBW Gedanken machen. Klar ist bislang nur, dass die Gebäude nicht abgerissen und die Fläche nicht neu genutzt werden dürfen. Derzeit sei man aber mit dem Fuel Switch beschäftigt, erklärt der Kraftwerksbetreiber. Eine Prüfung der Möglichkeiten einer etwaigen Nutzung des Kulturbereichs werde zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Später geklärt wird auch die Zukunft des Kraftwerks II. Denn die kohlegefeuerte Strom- und Wärmeerzeugung der Anlage werde, sobald das Fuel-Switch-Vorhaben sicher umgesetzt ist, ebenfalls stillgelegt.

bra / Foto: Philipp Braitinger


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