Der Haussegen hängt schief

Bürgerausschuss und Pächter fordern von der Stadt eine Übergangslösung für die Gaststätte auf altem VfL-Post-Gelände

Die Sonne lacht, und die Gäste lassen sich auf der Terrasse vom VfL Post Kaffee und Bier schmecken. Der  Blick schweift über den  gepflegten  Rasen. Wenig später treffen die ersten Mütter mit ihren Kindern zum Bambinitraining ein. Der Fußball hat  auf dem Gelände an der Weilstraße schon  lange Tradition. Doch damit wird spätestens Ende des Jahres Schluss sein. Die Kündigung der Stadt an die SV 1845 Esslingen  als Betreiberin liegt auf dem Tisch, denn hier sollen einmal rund 140 Wohnungen entstehen. Der Gemeinderat hat für einen städtebaulichen Wettbewerb  grünes Licht gegeben. Bleiben sollen in der Pliensauvorstadt der öffentliche Bolzplatz und eine Grünfläche. Trotzdem hängt im Stadtteil der Haussegen schief.

„Es ist doch völlig krank, erst alles kaputt zu machen, um es dann wieder aufzubauen“, macht Andreas Jacobson vom Bürgerausschuss Pliensauvorstadt seinem Ärger Luft.  Sein Unmut hat sich an der Frage nach einer Zwischennutzung entzündet, denn bis auf dem Areal  die ersten Bagger anrücken werden, dürfte es noch Jahre dauern. Von frühestens 2024 sei die Rede.  „Aber was ist bis dahin? Soll das Gelände verfallen, sollen die Gebäude dem Vandalismus preisgegeben werden?“

Im Frühjahr habe die Stadtverwaltung noch mit einer Übergangslösung geliebäugelt, berichtet Jacobson. Doch im August habe der Bürgerausschuss dann erfahren, dass die Kommune  steuerrechtliche Risiken fürchte und deshalb die Verpachtung beenden wolle. Der  Bürgerausschuss aber setze sich für eine Verlängerung des Pachtverhältnisses ein.  Auch die jungen Fußballer wollen möglichst noch bleiben, sagt die Jugendleiterin Fotini Charizanis, die sich hier um rund 120 Kinder kümmert. Unklar ist auch, wo künftig der Schulsport stattfinden  soll. „Wir haben Familien mit Migrationshintergrund, die können sich den Bus nach Weil nicht leisten“, sagt Charizanis mit Blick auf die  neuen Plätze im Sportpark Weil, wo die Fußballer der SV 1845  künftig trainieren sollen. Nicht   nur Jacobson  und seine Mitstreiter wünschen sich jetzt eine kluge Übergangslösung.

Und auch Dimitrios und Theodora Agathangelidou würden die Gaststätte noch gerne ein paar Jahre bis zur Rente weiter betreiben. Hier sind sie zuhause und verstehen ihre Gäste, egal ob vom Verein oder aus der Nachbarschaft, als ihre große Familie. Seit 20 Jahren servieren sie  deutsche und griechische Gerichte. Zudem ist Dimitrios Agathangelidou dort Platzwart. „Hier geht es  familiär zu, jeder kennt jeden“, sagt  Jacobson. In den zwei Nebenzimmern wird gefeiert, zahlreiche Stammtische sind hier zuhause.  Aber der Pachtvertrag für die Gaststätte und die Wohnung endet zum 31. Dezember.

 Inzwischen hat die Stadtverwaltung zum Thema VfL Post eine interne Arbeitsgruppe eingerichtet. Angesichts zahlreicher Beteiligter sei das Thema komplex, sagte der städtische Sprecher Niclas Schlecht, kündigte aber gleichzeitig eine baldige Aufklärung an.

Komplex war es schon lange. Seit der Fusion 1999 von   TSF und VfL Post zur SV 1845 Esslingen musste der Verein seine zwei Spielstätten im  früheren Eberhard-Bauer-Stadion in Weil und  das VfL-Post-Gelände  unterhalten, wie Margot Kemmler erzählt. Die Vorsitzende der SV 1845 erinnert an die Vereinbarungen, wonach der Bestandsschutz in der Pliensauvorstadt nur bis zum Jahr 2004 bestand und danach jeweils kurzzeitig verlängert wurde.

„Es war immer klar, wir trennen uns von dem Gelände“, so Kemmler.  Sie sehe zwar   die soziale Verantwortung des Sports. Aber angesichts eines hohen Sanierungsbedarfs in den Umkleide- und Sanitärräumen sowie geschätzten  100 000 Euro für neue  Elektroinstallationen sei der Standort wirtschaftlich für den Verein nicht zu stemmen. Dazu kommt, dass nach Übergabe des Sportparks Weil an die Vereine SV 1845 und FC Esslingen  die Sportförderung für das alte VfL-Post-Gelände wegfällt. Die dann nötigen Mittel von rund 25 000 Euro könne der Verein keinesfalls  aufbringen. 

com / Foto: Roberto Bulgrin


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