Der letzte Pieks ist gesetzt

Seit 30. September sind  Kreisimpfzentren geschlossen – Impfbusse und mobile Teams unterstützen Hausärzte zunächst

Stephan Benz hat am letzten Öffnungstag in der Esslinger Zeppelinstraße, wo er eines der beiden Impfzentren (KIZ) im Landkreis Esslingen geleitet hat, abschließend Bilanz gezogen: Demnach haben dort 58 863 Menschen ihre Erstimpfung erhalten, weitere 47 672 wurden zum zweiten Mal und inzwischen auch noch 848 Frauen und Männer zum dritten Mal geimpft.

Doch das ist schon wieder Geschichte, denn am 30. September  um 17 Uhr schlossen sich die Türen in der Zeppelinstraße. Und nur drei Stunden später wurden auch im   zweiten Kreisimpfzentrum auf der    Landesmesse auf den Fildern die letzten Spritzen zur Seite gelegt. Alle Proteste der  Kreisärzteschaft und des Esslinger Oberbürgermeisters Jürgen Zieger hatten nichts genutzt: Die von der Landesregierung beschlossene Schließung aller Impfzentren im Land ist nun vollzogen worden.

Die Mutter überzeugt

Eine Punktlandung hat ein junger Mann aus Reichenbach hingelegt, der sich am Donnerstagnachmittag der vergangenen Woche seine zweite Impfung in Esslingen abholen konnte, exakt nach dem vorgesehen Abstand von sechs Wochen. „Das hat sich zufällig so ergeben“, berichtete er lächelnd. Ganz spontan ist dagegen noch eine Esslingerin mit ihrer Mutter zum Impfen vorbei gekommen. Beide brauchten nur einen Pieks, da sie bereits eine Corona-Infektion durchgemacht haben. „Ich habe meine Mutter endlich von der Impfung überzeugen können“, erzählte die junge Frau, die als Krankenschwester arbeitet. Die Mutter habe nach der Infektion unter erheblichen  Corona-Krankheitssymptomen gelitten und sich schließlich von der Tochter überzeugen lassen, dass die möglichen Nebenwirkungen nach einer Impfung vermutlich deutlich geringer ausfallen werden.

Kurz vor Schichtbeginn am letzten Öffnungstag des Impfzentrums in Oberesslingen machte ein Arzt vor dem Impfzentrum noch schnell ein Foto und sagte, er bedaure das Aus der beiden Kreisimpfzentren, denn das Ziel der Immunisierung der Menschen im Kreis sei noch lange nicht erreicht.

Das untermauern die eingangs erwähnten Zahlen,  die Stephan Benz von seinen Mitarbeitern quasi druckfrisch aus dem Rechner erhalten hat. An seinem KIZ kann es nicht gelegen haben, denn das für 750 Impfungen täglich ausgelegte Impfzentrum habe in den Stoßzeiten von April bis Juli deutlich mehr Spritzen an den  Mann und die Frau gebracht.  An Spitzentagen waren es bis zu 1400 Impfungen, die in den sechs begegnungsfrei organisierten  Impfstraßen verteilt werden konnten. In den Sommerwochen   sei der Andrang zurückgegangen, doch bis zum Schluss sind in Esslingen pro Tag im Schnitt noch rund 400 Menschen geimpft worden.

Das Aus in Esslingen sei natürlich mit viel Wehmut verbunden, denn in den vergangenen zehn Monaten habe sich seine Malteser-Mannschaft gemeinsam mit den Ärzten und dem Sicherheitspersonal zu einem super Team verbunden.  Das habe auch über die schwierige Zeit der vergangenen  Wochen geholfen. Da die Betriebseinstellung zweimal vom Land nach hinten verschoben worden war und sich Mitarbeiter beruflich teils  anders orientiert hatten,  sei es nicht einfach gewesen, die Schichten ordentlich zu besetzen.     

Seit dem 1. Oktober sollen die Impfungen gegen das Coronavirus hauptsächlich von den niedergelassenen Ärzten und den Betriebsärzten durchgeführt werden. Im Landkreis Esslingen bleibt im Oktober zudem der von den Maltesern in Zusammenarbeit mit dem Landkreis und der SSB betriebene Impfbus weiter im Einsatz, um ein niederschwelliges Impfangebot in den einzelnen Gemeinden des Landkreises zur Verfügung zu stellen.

Drei Monate Übergangszeit

Die Finanzierung der Impfbusse, deren Betrieb  in das Impfkonzept des Landes eingebunden ist, ist für eine Übergangszeit von drei Monaten gesichert. Der Landkreis Esslingen hatte sich gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden für diesen Weiterbetrieb der Busse eingesetzt.

Für eine Übergangszeit von ebenfalls drei Monaten sollen außerdem mobile Impfteams die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte unterstützen. Diese können nach Bedarf von der Ärzteschaft angefordert werden, erklärt die Sprecherin des Landkreises, Andrea Wangner. Für den Landkreis Esslingen sind am Klinikum Stuttgart angesiedelte Impfteams zuständig. 

Gesundheitsminister Manfred Lucha rechtfertigt die Schließung aller Kreisimpfzentren im Land mit dem Fortschritt der Impfkampagne.  Sie erlaube zum 1. Oktober einen Paradigmenwechsel, wonach das Impfen in die Regelversorgung durch die niedergelassene Ärzteschaft übergeht. 

com / Foto: Roberto Bulgrin


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