Dicht dran am großen Fußballertraum

Der Esslinger Grischa Prömel tritt mit der DFB-Auswahl in Rio an – Einziger Zweitligaspieler im Kader

Round of 16 - Germany vs Nigeria

Es ist der Traum wohl eines jeden Profi-Fußballers: Maracanã. Auch wenn das Stadion in Rio de Janeiro keine 200 000 Zuschauer mehr fasst wie einst – nach diversen Umbauten sind es noch knapp 80 000 –, gilt es nach wie vor als Fußballtempel. Für Grischa Prömel könnte dieser Traum, ein Auftritt in Maracanã, tatsächlich wahr werden: Der Esslinger ist für die deutsche Olympiaauswahl nominiert worden. Trotz einiger namhafter Absagen hat die Mannschaft von Trainer Horst Hrubesch die Klasse, um die Medaillen mitzuspielen. Und das Finale findet in Rio, in Maracanã, statt. Prömel steht seit vergangener Saison beim Karlsruher SC unter Vertrag und ist einziger Zweitligaspieler im Olympiakader. Trotzdem hofft er auf Einsatzzeiten. „Große Ansprüche kann ich nicht stellen, ich hoffe aber auf mein Debüt bei der U 21“, sagt der 21-Jährige. Und das ist wahrlich nicht illusorisch, verlief die Karriere bislang doch schon steil.

Auf dem Bolzplatz Raunswiesen an der Krummenackerstraße rannte der kleine Grischa dem Ball hinterher. Mit dabei damals: der Nachwuchs von Wilfried Wallbrecht. Und so sprach der Erste Bürgermeister Esslingens bei der offiziellen Verabschiedung Prömels durch die Stadt „von einem echten Esslinger Gewächs“. Das schloss sich im Alter von sieben Jahren dem TSV RSK Esslingen an. „Wir hatten damals ein richtig gutes Team“, sagt Prömel. Aus dem er herausstach, die beiden großen Stuttgarter Clubs wurden einige Jahre später auf ihn aufmerksam. Beim VfB trainierte er eine Zeit lang mit, unter anderem mit dem heutigen Nationalspieler Joshua Kimmich und Serge Gnabry. Gnabry spielt jetzt bei Arsenal London, ihn trifft Prömel in der Olympiaauswahl wieder. Bei den U-14-Junioren entschied sich der Esslinger aber alsbald für die Kickers. „Der VfB hat auf sich warten lassen“, sagt er. Und der damalige Kickers-Trainer hatte versprochen, ihn auf dem Weg zum Training in Degerloch abzuholen.

Im Jahr 2013 folgte der Schritt zur TSG 1899 Hoffenheim. Unter Trainer Julian Nagelsmann wurde er dort auf Anhieb deutscher A-Jugend-Meister. „Nagelsmann war wichtig für meine Karriere“, sagt Prömel. Trotzdem verließ er den Kraichgau. Prömel trainierte zwar mit der Bundesligamannschaft, spielte aber mit der Zweiten in der Regionalliga. Nur einmal, im Spiel gegen Hannover, stand er im Bundesligakader – kam aber nicht zum Einsatz. „Als junger Spieler ist es aber extrem wichtig, viele Spiele zu machen.“ Doch die Konkurrenz auf seiner Position im zentralen defensiven Mittelfeld war namhaft und übermächtig. Da kam ihm eine überraschende Berufung zugute.

U-20-Nationalcoach Frank Wormuth nahm ihn im vergangenen Jahr mit zur WM in Neuseeland. Zwar schied das deutsche Team dort im Viertelfinale gegen Mali aus, doch Prömel zählte zu den Gewinnern des Turniers. Wormuth sei ein großer Förderer: „Er hat an mich geglaubt.“ Prömel stand in allen vier Partien über die gesamte Spielzeit auf dem Platz. „Diese Rolle hätte ich mir nicht erträumt.“ Damit empfahl er sich für die U 21, aber auch andere Profiteams wurden auf ihn aufmerksam.

Schließlich wechselte er zum KSC. Dort änderten sich die Einsatzzeiten radikal. Der Schritt in die zweite Liga sei ein Schritt nach vorn gewesen, sagt Prömel. Schnell zählte er zum Stammpersonal. Einige Spiele musste er nach einer Mandeloperation im Winter aussetzen, trotzdem kam er auf 21 Einsätze, machte dabei zwei Tore. „Es hätte nicht besser laufen können“, sagt Prömel, der sich als Teamplayer, als Arbeitsbiene im Mittelfeld bezeichnet.

Nun also Olympia, was keinesfalls selbstverständlich ist. Denn das Turnier überschneidet sich mit den ersten Saisonspielen der zweiten Liga, einige Bundesligateams haben Spieler in der Vorbereitungsphase nicht freigegeben. Der neue KSC-Trainer Tomas Oral war auch zurückhaltend, als der Esslinger zunächst nur als Ersatzspieler vorgesehen war. Dann aber kam Anfang Juli der Anruf von Hansi Flick, dem Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bunds, er sei im 18er-Kader – und Oral gab das O.K. „Er will mir die Chance nicht nehmen“, sagt Prömel. Der DFB-Mannschaft traut er in Brasilien Großes zu: „Das Team hat extrem gute Qualität.“

Und wer weiß, vielleicht kommen dann Prömels Auftritte auf großer Fußballbühne. Das könnte Begehrlichkeiten bei anderen Clubs wecken, die Wechselfrist endet erst am 31. August. Hoffenheim hat sich zudem eine Rückkaufoption festschreiben lassen. Derlei Spekulationen schiebt der 21-Jährige aber beiseite. „Mein Fokus liegt klar auf dem KSC“, sagt er. Doch hat Prömel nicht nur den Fußball im Blick. Zwar hat er das VWL-Studium in Heidelberg aufgegeben („Das Problem waren die Präsenzzeiten“), nun hat er aber ein BWL-Fernstudium aufgenommen.

Die ersten beiden Spiele gegen Mexiko (schon am 4. August, einen Tag vor der Eröffnungsfeier) und gegen Südkorea (7. August) bestreiten die deutschen Olympiafußballer in Salvador, gegen Fidschi spielen sie dann in Belo Horizonte (10. August). Ein Weiterkommen und zwei weitere Siege vorausgesetzt, käme es am 20. August in Maracanã zum finalen Showdown. Ab dem Viertelfinale würde das DFB-Team im olympischen Dorf wohnen. Dort will Prömel dann die besondere Atmosphäre genießen, hofft auf Begegnungen mit Sportlern wie dem Schwimmer Michael Phelps, Sprinter Usain Bolt oder dem einen oder anderen US-Basketballer. Doch ablenken will er sich nicht lassen, unterstreicht er doch Hrubeschs Aussage: „Wir wollen jedes Spiel gewinnen.“                ch / Foto: dpa


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