Mit ihrer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Wendlingen und Ulm kommt die Bahn voran – Filstalbrücke nimmt Gestalt an


Sie schreiten voran, die Arbeiten an der Strecke, über die die Bahn künftig ihre schnellen Züge von und nach Ulm schicken will. Erst kürzlich hat Olaf Drescher, der neue Chef der DB-Projektgesellschaft Stuttgart – Ulm, bekräftigt, dass die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm Ende 2022 in Betrieb genommen werden soll. Ein wichtiger Bestandteil dabei: die Filstalbrücke zwischen Mühlhausen im Täle und Wiesensteig. Genau genommen sind es dort zwei Brücken – für jede Richtung eine, eine davon steht mittlerweile im Rohbau. Aber auch bei der Anbindung der Schnellbahntrasse an den neuen Verkehrsknoten in Stuttgart kommt Bewegung, ungeachtet der Diskussionen, ob die Gäubahn am Flughafen nun doch noch über einen Tunnel einschwenken kann. Allerdings wird diese Inbetriebnahme noch weitere Jahre auf sich warten lassen. Die Fertigstellung des Tiefbahnhofs in Stuttgart und der Drehscheibe auf den Fildern peilt die Bahn für 2025 an – wenn alles gut läuft.
Regional-Halt in Merklingen
Die Strecke Wendlingen – Ulm ist im Rohbau zu 90 Prozent fertiggestellt. Der Vortrieb für alle Tunnelröhren ist abgeschlossen. Auch die Ausrüstung der Strecke mit Eisenbahntechnik kommt voran: 37 Kilometer Gleise sind verlegt, 800 Oberleitungsmasten wurden bislang aufgestellt. Anfang 2022 sollen erste Testfahrten auf der Neubaustrecke erfolgen. Später werden dort nicht nur ICE-, sondern auch Regionalzüge verkehren. Daher wird auch noch ein Regional-Halt in Merklingen ermöglicht. Es bleibt also noch einiges zu tun, doch Drescher sagt mit Blick auf die geplante Inbetriebnahme Ende 2022: „Ich gehe davon aus, dass alle Risiken beherrschbar sind.“
Die Arbeiten an der 55 Millionen Euro teuren Filstalbrücke bezeichnet Drescher als herausfordernd. Zwischen Boßler- und Steinbühltunnel werden Reisende später für kurze Zeit die Sonne sehen, ein ICE rast in nur sieben Sekunden über die Brücke. Da die Tunnel mit zwei Röhren gebohrt wurden, sind auch zur Talüberquerung zwei jeweils 485 Meter lange Einzelbauwerke nötig. Über das eine war es vor einigen Tagen erstmals möglich, von Röhre zu Röhre zu gehen. Bei der zweiten Brücke sind mittlerweile 100 Meter betoniert, im Sommer des kommenden Jahres soll auch diese die andere Talseite erreichen.
Über die alte Neckartalstrecke
Drescher, der mit Übernahme seiner neuen Aufgabe im Bahn-Konzern alle für die Inbetriebnahme relevanten Bereiche des Großprojekts Stuttgart – Ulm verantwortet, spricht bei der Filstalbrücke von einer neuen, zukunftsweisenden Bauweise. Die Architektur sei „filigran“, die mit 85 Meter dritthöchste Eisenbahnbrücke in Deutschland werde künftig als ein „Wahrzeichen“ wahrgenommen werden – auch von den Autofahrern, die über den Drackensteiner Hang die Albhochfläche erklimmen. Derzeit arbeiten rund 200 Arbeiter im Dreischichtbetrieb an der Brücke.
Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2022 sollen zwei bis drei ICE pro Stunde und auch einige Regionalzüge auf der neuen, digitalisierten und ohne klassische Signalanlagen auskommenden Strecke verkehren. Bis zur Fertigstellung des großen Stuttgarter Bahnknotens werden die Züge aber ab Wendlingen auf der alten Neckartalstrecke über Plochingen, Esslingen und Bad Cannstatt in die Landeshauptstadt geführt. Drescher bedauert diese vorübergehende „Trödelei in den Hauptbahnhof“.
Drescher versäumt nicht, die Vorzüge der Neubaustrecke in Bezug auf die Reisezeit zu erwähnen. Mit der Inbetriebnahme ab Wendlingen werde die Fahrzeit von Stuttgart nach Ulm um eine Viertelstunde verkürzt, ab voraussichtlich 2025 wird die Fahrt nochmals um eine Viertelstunde schneller vonstatten gehen. „Stuttgart 21 und die Neubaustrecke sind die Voraussetzung für die Verkehrswende im Südwesten“, betont Drescher.
Derweil nimmt der künftige Stuttgarter Hauptbahnhof zusehends Gestalt an: So ist dort Ende Juni die zehnte von 28 Kelchstützen betoniert worden. Die einzigartige Dachkonstruktion wird später die Bahnsteighalle des künftigen Durchgangsbahnhofs überspannen.
Und wie erwähnt kommen die Arbeiten auf den Fildern in Schwung. Bei der Anbindung des Flughafens an die Neubaustrecke ist unlängst mit dem Tunnelvortrieb begonnen worden (siehe Info-Kasten nebenan). Und am Autobahn-Anschluss Esslingen tun sich neue Gräben auf. Denn der muss neu geordnet werden, damit die Züge dort später ungestört vorbeirauschen können. Zunächst aber werden die ICE erst ab Wendlingen Fahrt aufnehmen. ch / Fotos: oben: ch, unten: ir