Die Schar der Helfer bröckelt

Seit 2002 pflegen Ehrenamtliche die Bürgergärten im Scharnhauser Park – Doch bald könnten Wiesen daraus werden

Die einen sprechen von 70 Freiwilligen, die anderen gar von 100. Die genaue Zahl kennt keiner so genau. Aber es waren erstaunlich viele Ehrenamtliche, die nach dem Ende der Landesgartenschau 2002 im Scharnhauser Park bereit waren, einen Teil der prachtvollen Traumfelder, wie die einzelnen Themengärten damals genannt wurden, dauerhaft zu pflegen. 20 Jahre hält dieses bemerkenswerte Engagement nun. Immer wieder gab es Wechsel. Aber viele sind, obwohl im vorgerückten Alter, noch immer im Bürgergärten-Team dabei.
Einer, der seit der ersten Stunde dabei ist, ist Adolf Wrana. Kurz nach der Gartenschau war der heute 84-Jährige mit seiner Frau vom Rheinland in den Scharnhauser Park gezogen. Ein paar Monate später las er einen Aufruf: Zur Mitarbeit in den Traumfeldern brauche man weitere Helferinnen und Helfer. Wrana entschied sich für den Bibelgarten. Aus Überzeugung. Denn der Glaube spielte in seinem Leben eine wichtige Rolle. Der gebürtige Sudetendeutsche übernahm den konzeptionellen und organisatorischen Part. So stammen von ihm die jährlich zusammengefassten Gedanken, Gebete und Lieder, die Besucher dort finden. Für die Pflege übernahm Erwin Kopp bis zu seinem Tod vor einigen Jahren die Verantwortung. An dessen Stelle ist Georg Grundmann gerückt.
Für Wrana ist der Bibelgarten eine Herzensangelegenheit. Nach Krieg und Flucht hatte die katholisch geprägte Familie in Maichingen von den Pietisten viel Gutes erfahren. Das prägte ihn. Deshalb stand für ihn außer Frage, dass der Bibelgarten stets ein religiöser Ort sein muss: „eine Kirche ohne Mauern inmitten der Schöpfung.“ Nun sei es an der Zeit, Verantwortung abzugeben. Aber ein paar Dinge hat Wrana sich noch vorgenommen. Typische Pflanzen aus der Bibel mit den entsprechenden Quellenangaben würde er sich im Garten wünschen. Auch die fünf Säulen der Kneipp-Philosophie könnte er sich in der Anlage vorstellen.
Mit Freude erinnert sich auch Ostfilderns Altoberbürgermeister Herbert Rösch an die Gartenschau. Bei vielen Menschen aus der Stadt habe sie eine Begeisterung entfacht, dass sie für sich entschieden, einen Teil der prächtigen Anlagen, die nicht der Bebauung zum Opfer fielen, als Bürgergärten weiter zu pflegen.
Für Hildegard Wagner ist der Rosengarten wie ein zweites Wohnzimmer. Gerne führt sie Schulklassen durch die Anlagen. Edelgard Hartmann zählte 18 Jahre lang zum Pflegeteam. In all den Jahren habe es immer ein gutes Miteinander gegeben, sagt Hartmann. Das Erfolgsgeheimnis sieht sie in den lockeren Vorgaben: Ob an den Hochbeeten, im Rosengarten, im Fabelhaften Garten oder im Montluel-Garten – jeder bringt die Zeit ein, die er hat. Keiner muss sich festlegen. Ein Glücksfall sei gewesen, dass der nun pensionierte Dieter Krautter vom städtischen Grünflächenamt immer ein offenes Ohr hatte, wenn etwas gebraucht wurde. Heimische Gärtnereien hätten immer wieder Pflanzen gespendet, berichtet Hartmann. Ein Team sorgt dafür, dass die öffentlichen Toiletten jeden Tag geöffnet und geschlossen werden. Selbst mit 91 Jahren lässt sich Pia Balle dafür einspannen. Sie ist die gute Fee, die auf dem Spielplatz nach dem Rechten schaut, Müll einsammelt und mal Leute anspricht, wenn diese achtlos Abfälle wegwerfen.
In der Stadtverwaltung ist man dankbar über die vielen langjährigen Ehrenamtlichen. Auf diese Weise wird das Grünflächenamt entlastet. Aber man registriert, dass weniger Menschen bereit sind, einen Teil der Freizeit fürs Allgemeinwohl zu opfern. „Uns brechen leider immer mehr Leute weg“, bedauert der Erste Bürgermeister, Rainer Lechner. Mit Veranstaltungen wie dem Gartenmarkt versuche man, neue Akteure für die Aufgaben zu begeistern. Wenn alles nicht hilft, sieht sich die Stadt laut Lechner gezwungen, aus den Bürgergärten pflegeleichte Wiesen zu machen.

hf / Fotografin: Ines Rudel


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