Die Plochinger Eisenbahnstraße wird bis zur Lammkreuzung in beide Fahrtrichtungen ausgebaut – Zweifel an Wirkung

Der Plochinger Gemeinderat hat Ende April die Weichen für die größte Verkehrsveränderung in der Plochinger Innenstadt seit den 1970er-Jahren gestellt: CDU und SPD wollen die Esslinger Straße vom Durchgangsverkehr entlasten, indem die Eisenbahnstraße entlang der Bahngleise zur Hauptverkehrsachse für die Ost-West-Verbindung werden soll. Das Vorhaben ist eingebettet in ein umfassendes Maßnahmenbündel, wie sich Verkehr und Mobilität bis 2035 in Plochingen entwickeln sollen. Das hat die damit beauftragte Bernard-Gruppe nach einem mehrstufigen Prozess und zwei Bürgerbeteiligungen im Rahmen ihres Mobilitäts- und Verkehrsentwicklungskonzept MOVE 2035 entwickelt. Mit dem knapp 40 Bausteine umfassenden Katalog will die Stadt den Umweltverbund – also ÖPNV, Radler und Fußgänger – stärken. „Wir erreichen aber trotz großer Anstrengungen nur minimale Veränderungen“, bedauerte nicht nur Reiner Nußbaum (CDU). Laut den Berechnungen des Büros würde der Pkw-Gesamtverkehr in Plochingen bis 2035 um rund 16 Prozent zulegen, wenn man nicht steuernd eingreife. Ziel ist es folglich, diese Steigerungsrate auf den Umweltverbund zu verlagern.
Da die Stadt den Bahnhofsbereich so schnell wie möglich zu einer multimodalen Verkehrsdrehscheibe umbauen und den Busbahnhof aufwerten will, drängte vor allem die Frage, wie der innerstädtische Durchgangsverkehr künftig geführt werden soll. CDU und SPD wollten sich wie der Bürgermeister Frank Buß an die Empfehlungen des Büros halten, ihn künftig komplett an die Bahngleise zu rücken. Dafür muss im Westen der Anschluss der Eisenbahnstraße an die Esslinger Straße ausgebaut werden. Und in Richtung Osten soll die bisherige Einbahnstraßenregelung der Eisenbahnstraße zwischen Bahnhof und Lamm-Kreuzung für beide Fahrtrichtungen geöffnet werden. Die Esslinger Straße soll stattdessen verkehrsberuhigt werden.
Der Offenen Grünen Liste (OGL) war es indessen ein Rätsel, wie man mit noch mehr Verkehr vor dem Bahnhof das von allen beschworene Ziel erreichen wolle, Bahnhof samt Vorplatz zur Mobilitätsdrehscheibe zu machen. Wo solle dort noch Platz für Leihräder, Lasten-E-Bikes, Carsharingangebote, zusätzliche Busplätze, Taxis oder eine Fahrradwerkstatt sein, fragte Peter Blitz. Würde man sich hingegen für einen Einbahnstraßenring entscheiden, gäbe es genug Raum für die künftigen Aufgaben und einen attraktiven Bahnhofsplatz. Er plädierte dafür, den Teilnehmern des geplanten städtebaulichen Wettbewerbs zwei Varianten ins Aufgabenbuch zu schreiben. Eine mit der Vorgabe einer Einbahnstraße vor dem Bahnhof und eine mit beiden Fahrtrichtungen. Zudem hatte er erhebliche Zweifel, ob der Platz für eine zweite Fahrbahn in der östlichen Eisenbahnstraße ausreicht, wenn die Stadt nicht für teures Geld das Gebäude Eisenbahnstraße 39 dazu kaufe, das in privater Hand ist.
„Kein seriöser Planer würde sich auf so eine duale Ausschreibung einlassen“, entgegnete indessen der Bürgermeister. Er versicherte, dass die künftige Verkehrsführung nicht am Erwerb der Immobilie hänge. „Persönlich glaube ich, dass wir alle wichtigen Funktionen auf dem Bahnhofsplatz unterbekommen.“ Dass vor dem Bahnhof eine „Stadtautobahn“ entstehen könnte, wie Harald Schmidt (ULP) die geplante neue Straßenführung geißelte, könne er sich bei „überwiegend Tempo 30“, die dort vorgeschrieben werden sollen, nicht vorstellen.
Der von der OGL favorisierte große Einbahnstraßenring würde jeden Tag zu 10 500 Mehr-Kilometern führen, die die Autofahrer dann an Umwegen zurücklegen müssten, argumentierte die CDU. Joachim Hahn (SPD) sah eine große Chance darin, mit der Bündelung des Verkehrs entlang der Bahn in der Esslinger Straße eine durchgängige Fahrradstraße einrichten zu können – vom Fischbrunnen bis zum Ortsausgang Richtung Altbach.
CDU und SPD setzten sich am Ende mit ihrer Stimmenmehrheit gegen OGL, ULP und Solist Klaus Hink durch.
biz / Fotograf: Roberto Bulgrin