Ein gefährliches Vergnügen

Vor dem Start in die neue Motorradsaison warnt die Polizei vor Selbstüberschätzung

Die Zahl der Unentwegten, die das ganze Jahr über auf ihrem Bike sitzen, ist überschaubar. Doch sobald im Frühjahr die Temperaturen in angenehme Zonen steigen, holen viele ihre Maschinen wieder aus der Garage. Motorradfahren ist Vergnügen, bedeutet aber auch zusätzliche Gefahren auf den Straßen. Vor allem dann, wenn Raser unterwegs sind oder Biker, die ihr Fahrkönnen überschätzen. „Gerade zu Saisonbeginn, wenn die Übung schlicht noch fehlt, besteht ein erhöhtes Unfallrisiko“, sagt Martin Raff, Sprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen.
Seine Warnung kommt nicht von Ungefähr. In den vier Landkreisen Esslingen, Reutlingen, Tübingen und Zollernalb, die das Präsidium umfasst, gab es 2021 insgesamt 446 Unfälle, an denen Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer beteiligt waren. Sechs ließen dabei ihr Leben, vier mehr als im Jahr zuvor. 108 erlitten schwere Verletzungen, 254 wurden leicht verletzt.
„In 72 Fällen war die Geschwindigkeit die Hauptunfallursache bei den von Motorradfahrern verursachten Unfällen“, berichtet Raff. Bei insgesamt 235 Unfällen dieser Art sei das eine Quote von 30,6 Prozent. Nicht immer sei dabei die zulässige Geschwindigkeit überschritten worden. Oft sei „nicht angepasste Geschwindigkeit“, wie es dann im Polizeibericht heißt, ursächlich gewesen. „Nicht angepasst“ beziehe sich vor allem auf das eigene Fahrvermögen, die Straßenverhältnisse oder den Straßenverlauf.
Bei speziellen Kontrollaktionen auf den beliebten Ausflugsstrecken im Bereich des Polizeipräsidiums wurden in der Motorradsaison 2021 rund 800 Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer kontrolliert. Dabei wurden 500 Verstöße registriert, 290 davon wegen überhöhter Geschwindigkeit. Rund 130 Mal stellten Polizeibeamte technische Mängel an den Maschinen fest.
Gerade zu Beginn der Motorradsaison, wenn man noch nicht wieder richtig vertraut sei mit dem Gefährt und die Übung noch fehle, bestehe ein erhöhtes Unfallrisiko, erklärt Polizeisprecher Raff. Um dieses so weit wie möglich zu reduzieren, müsse man ein paar Dinge beachten.

Routine besonders wichtig
„Ein Motorrad hat keine Knautschzone. Bei Unfällen sind die Fahrerinnen und Fahrer gegenüber Pkw oder Lkw immer im Nachteil.“ Eigentlich eine Binsenweisheit, aber das müsse man sich immer wieder bewusst machen. „Wer mit diesem Bewusstsein unterwegs ist und seine Fahrweise entsprechend anpasst, der trägt viel dazu bei, seine Touren möglichst unfallfrei genießen zu können“, so Raff.
Auch die Beschaffenheit der Straße spiele für Motorradfahrer eine wichtige Rolle. Immerhin beschränke sich der Bodenkontakt der beiden Räder mit dem Asphalt zusammengenommen in der Regel auf ein DIN-A5-Blatt.
Überbleibsel vom Winter wie Salz und Splitt oder vom Frost aufgerissene Schlaglöcher stellten besondere Gefahren dar. Ebenso schattige Kurven, Strecken in Waldstücken oder sonst verunreinigte Straßen, auf denen es schnell glatt werden kann. Um auf solche Straßenverhältnisse möglichst gut vorbereitet zu sein, sei Routine besonders wichtig. Und die müsse nach einer monatelangen Zweirad-Abstinenz zu Beginn der neuen Saison erst wieder neu eingeübt werden. „Das langsame Herantasten an die Geschwindigkeit und die Schräglage sind gerade am Anfang für Bikerinnen und Biker unerlässlich – nicht nur praktisch, sondern auch mental“, erklärt der Polizeisprecher. Sich gedanklich bereits vor Fahrtantritt auf kritische Situationen vorzubereiten, sei ebenso empfehlenswert.
Nicht zuletzt sollte das Bike nach seiner oft halbjährigen Standzeit auf Herz und Nieren überprüft werden. „Der technische Zustand, also unter anderem die Profiltiefe, der Reifendruck, die Bremswirkung oder die Füllstände der Betriebsflüssigkeiten verdienen zwingend besondere Aufmerksamkeit“, erklärt Raff.
Damit die Zahl der Motorradunfälle möglichst gering bleibt, setze das Polizeipräsidium Reutlingen auch in diesem Jahr wieder verstärkt auf Prävention. Im Vordergrund stünden dabei der persönliche Austausch und die Aufklärung.
Ein Aktionstag, wie es ihn schon vor der Coronapandemie regelmäßig gab, ist für den 22. Mai in Hülben geplant. „Wir wissen, dass die überwiegende Mehrheit der Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer überlegt auf den Straßen unterwegs ist und sich an die Verkehrsregeln hält“, betont der Polizeisprecher. Dennoch werde man in den kommenden Monaten wieder zahlreiche Kontrollen ansetzen, vor allem entlang der unter Motorradfahrern besonders beliebten Ausflugsstrecken.

hf / Foto: dpa


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