Nicht gepflegte Apfelbäume sind anfällig für Misteln – „Auf den Fildern ist es ganz schlimm“

Im Rückblick kann es Jens Häußler von der Obst- und Gartenbauberatung des Landratsamts Esslingen kaum glauben: In einem alten Gartenbuch aus den 1960er- oder 1970er-Jahren hat er eine Anleitung gefunden, wie man auf seinen Apfelbäumen Misteln wachsen lassen kann. Heute hingegen sei dieser Halbschmarotzer auf dem lästigen Vormarsch und werde bekämpft.
Halbschmarotzer deshalb, weil die Mistel auch eine eigene Photosynthese betreibt, im Wesentlichen aber den Apfelbaum aussaugt, ihm Wasser und Nährstoffe entzieht. Es muss zwingend ein Apfelbaum sein, denn ein Birnbaum kann sich wehren, schottet sich ab: Will sich beim Birnbaum eine Mistel ansiedeln, lässt dieser die befallenen Zellen absterben. Diesen Dreh hat der Apfelbaum nicht raus. „Früher waren Misteln nur auf alten Bäumen zu finden“, sagt Jens Häußler. Doch heute sei der „Befallsdruck“ so groß, dass Bäume jeden Alters betroffen sind.
Klebriger Schleim am Schnabel
Die zunehmende Ausbreitung sei auch eine Folge der nachlassenden Baumpflege. Ohne regelmäßigen Schnitt verliert der Baum an Vitalität, auf geschwächten Bäumen können sich Misteln besser ansiedeln. Sie werden bis zu 30 Jahre alt. Wird nicht rechtzeitig eingegriffen, stirbt der Baum.
Es gibt männliche und weibliche Misteln, die weiblichen haben weiße Beeren mit einem klebrigen Schleim. Putzt sich ein Vogel an einem Baum den klebrigen Schnabe, bleibt der Samen hängen. Der Samen kann auch an einem befallenen Baum herunterfallen, trifft den nächsten Ast und befällt auch diesen.
Nicht unter Naturschutz
Stimmen, die fordern, Misteln als Winternahrung für Vögel zu belassen, widerspricht Häußler: Das sei nicht nötig, es sei sinnvoller, für Vögel andere Stauden stehenzulassen. Das Problem sei nicht nur, dass Misteln den Baum aussaugen, durch sie steige auch die Schnee- und Windlast.
Manche denken noch, die Misteln stehen unter Naturschutz. „Nein, sie sind nicht geschützt und können bedenkenlos entfernt werden“, sagt Häußler. Nur wer Misteln gewerblich vermarkten wolle, zum Beispiel mit einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt, der brauche eine Genehmigung. Auch Christel Schäfer, Vorsitzende des Kreisverbands der Obst- und Gartenbauvereine Esslingen, beobachtet die Zunahme der Misteln. „Auf den Fildern ist es ganz schlimm.“
Nicht auf den Kompost
Wie wird eine Mistel nachhaltig entfernt? Das erläutert Schäfer immer wieder bei ihren Frauenschnittkursen. Die Mistel hat Ausläufer im Baum, deshalb muss der Ast mindestens 20 Zentimeter unterhalb abgesägt werden, sonst treibt die Mistel wieder aus. Was tun, wenn ein Leitast oder sogar der Stamm befallen sind? Dann sollte die Mistel ersatzweise regelmäßig ausgebrochen oder abgesägt werden.
Ganz wichtig: Die Misteln gehörten nicht auf den Kompost. Sonst könnten dort Vögel die Beeren fressen, durch direkten Kontakt mit Bäumen oder über den Kot der Vögel beginnt das Ganze dann von vorne. Viel besser sei der Schnittgutsammelplatz. Schäfer ermuntert die Gütlesbesitzer, sich um das Problem zu kümmern und so den befallenen Baum zu retten: „Es wäre doch schade um so alte Bäume.“
Aus Rücksicht auf brütende Vögel sollten Misteln bis Ende März entfernt werden, derzeit ist also Pause. Frühestens ab August ist die Schonzeit vorüber, dann darf wieder geschnitten werden. pd / Foto: pd