Ein Jahrhundert-Leben

Die Nürtinger Künstlerin Hildegard Ruoff feiert ihren 100. Geburtstag

Die Kunst und Hildegard Ruoff – das ist eine lebenslange Liebesbeziehung. Als Seele und Herz der Fritz-Ruoff-Stiftung hat sie die Kunstszene der Region maßgeblich geprägt. Am 3. Oktober feiert sie ihren 100. Geburtstag.

Wach blitzen die Augen, stets aufmerksam und ihrem Gegenüber zugewandt. Neugierig fragt sie, hört zu, hakt nach, hinterfragt, mitunter auch kritisch und mit entwaffnenden Argumenten. Ruoff tritt leidenschaftlich und hartnäckig für ihre Überzeugungen ein – und verblüfft ihre Gesprächspartner immer wieder mit ihrem immensen Wissen. Über die Malerei und die abstrakte Kunst im Besondern, aber auch bei Lyrik, Literatur oder Musik.

1919 in Stuttgart geboren, zieht die Kunst Hildegard Scholl, so ihr Mädchenname, in ihren Bann. Sie hat den Wunsch, an der Kunstakademie zu studieren, doch der Krieg macht ihre Träume zunichte. Stattdessen geht Hildegard Scholl beim Stuttgarter Kunsthaus Schaller in die Lehre. Dort trifft sie auf den Maler und Bildhauer Fritz Ruoff. „Wesensverwandt“ seien die beiden gewesen, so hat es Nürtingens ehemaliger Oberbürgermeister Otmar Heirich einst genannt. Sowohl in ihrem Verständnis von Kunst als auch in ihrem politischen Denken.

Sie heiraten, ziehen 1943 raus aus der Stadt in das  überschaubare Nürtingen. Ruoffs Eltern haben hier eine Metzgerei mit Gasthof. Ein ganz anderes Leben erwartet die Kunstvermittlerin: Sie steht hinter der Theke und verkauft. Auch später ist sie es, die das Geld verdient – als Schaufenstergestalterin, als Verkäuferin, in einem Architekturbüro.

Ihre eigene künstlerische Entwicklung aber stellt sie lange Jahre hintan. Zeichnen, skizzieren – das tut sie nur, um das Werk ihres Mannes zu dokumentieren. Akribisch ordnet sie die Arbeiten, verwaltet und katalogisiert sie auf kleinen Karteikärtchen. Ihre Aufzeichnungen und Notizen sind heute Schlüssel zum Verständnis des künstlerischen Oeuvres Fritz Ruoffs.

Schon früh engagiert sich die Stuttgarterin für das kulturelle Leben in der neuen Heimatstadt – ganz unabhängig von ihrem Mann. Das beginnt mit einer kleinen Leihbücherei, in der auch Peter Härtling ihren Weg kreuzt. Eine lebenslange Freundschaft entwickelt sich zwischen dem späteren Schriftsteller und dem Ehepaar.

Später organisiert Hildegard Ruoff zahlreiche Kunstausstellungen, unter anderem im Nürtinger Gartensaal. Dabei profitiert sie von ihren Verbindungen in die Kunstszene, die sie über die Jahre immer weiter ausbaut und pflegt. Von ihrem umfassenden Netzwerk in die Welt der Kunst profitiert das kulturelle Leben der Stadt bis heute.

1963 zieht das Paar in die Schellingstraße. Noch heute ist die ehemalige Fabrikanten-Villa der Lebensmittelpunkt der nun Hundertjährigen. Mit der von ihr initiierten Stiftung, in der das Lebenswerk ihres 1984 verstorbenen Mannes erhalten und aufgearbeitet wird, schafft Hildegard Ruoff 2003 dort einen Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit Kunst und Künstlern der Moderne, dessen Strahlkraft weit über die Stadtgrenzen hinausreicht.

Die Räume im Erdgeschoss sind regelmäßig Forum für außergewöhnliche Ausstellungen. So machten Ruoffs Verbindungen in die Kunstwelt und ihr Renommee vergangenes Jahr eine Schau mit Werken von Ernst Barlach möglich. Immer wieder gibt Hildegard Ruoff aber auch jungen Künstlern eine Plattform.

Zum 100. nun gehören die Wände der Ausstellungsräume Arbeiten von Hildegard Ruoff selbst. Dabei erweist sie sich auch hier als eine hervorragende Beobachterin mit dem Blick für das Besondere.  mo / Foto: eis

Info: Die Ausstellung mit Fotografien von Hildegard Ruoff ist noch bis zum 17. November in den Räumen der Ruoff-Stiftung in Nürtingen, Schellingstraße 12,  zu sehen. Nähere Informationen unter www.ruoff-stiftung.de.


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