Ein reizendes Früchtchen

Zwiebel ist Heilpflanze des Jahres 2015 – Vielfältiger Einsatz – Anbau in der Region schwierig – Abwechslungsreiche Rezepte

Sie hat sieben Häute, beißt alle Leute, wie der Volksmund sagt, sie schmort geschmacksfördernd mit dem Braten, würzt den Salat, schützt Herz und Gefäße und soll sogar Tumore bekämpfen  können – die Rede ist von der Zwiebel, die der Naturheilkundeverein NHV Theophrastus zur Heilpflanze des Jahres erklärt hat.

Die Zwiebel – Allium cepa mit biologischem Namen – gehört zu den beliebtesten Gemüsen und Würzpflanzen. Das zeigt der Pro-Kopf-Verbrauch  von rund acht Kilo pro Jahr in Deutschland. Zwiebelfreunde schöpfen aus der Vielfalt des Lauchgewächses. Es gibt die gelb- und braun­schalige Küchenzwiebel mit pikant-scharfem Geschmack. Sie passt roh oder warm zu allen deftigen Gerichten. Etwas milder und süßlicher ist die große hellbraune oder kupferfarbene Gemüsezwiebel, die man als Gemüse zum Beispiel gefüllt zubereiten kann. Roh in Salaten und in Brotaufstrichen verarbeitet werden die rosa-lilafarbenen Zwiebeln, die eine mild-aromatische Schärfe haben, ganz ähnlich wie die weißen Zwiebeln. Schalotten, auch Winter- oder Frühlingszwiebeln genannt, Schwestergewächse der Allium cepa, heißen Allium fistulosum.

Zwiebeln mag auch Christian Kurz  in seinem Speiseplan. Am liebsten sind ihm die rosa-lila Exemplare, die er sich gerne mit Äpfeln und Butter zu einem leckeren Brotaufstrich verarbeitet. Doch Kurz, der Vorsitzende des Naturkundeheilvereins Esslingen, weiß auch um die heilenden Wirkkräfte der Zwiebel. Er hat allerhand Wissen über die „Alleskönnerin“ zusammengetragen, auch weil er im Oktober die Heilpflanze des Jahres beim Aktionstag im Bürgerhaus in Sulzgries vorstellen will. Zum Beispiel hat er über die Geschichte der Pflanze herausgefunden, dass sie in den Ländern rund ums Mittelmeer heimisch ist, dass die Ägypter ihren Toten Zwiebeln mit auf die „Reise“ gaben, Hippokrates das Einreiben von Zwiebelsaft auf schütter werdendes Haar empfahl,  dass die Römer die Zwiebel nach Deutschland brachten. Und dass sich aus dem Namen Cepa, oder Cepula für die kleine Zwiebel, das Wort Zwiebel entwickelt hat.

Bemerkenswert bei der Zwiebel ist laut Kurz ihre Heilwirkung, die auf Schwefelverbindungen beruht. Kurz glaubt, ohne die alten Heilpflanzen Zwiebel und Knoblauch hätten die Völker um das Mittelmeer kaum eine Überlebenschance gehabt. Vor allem die antibakterielle Wirkung haben die Ärzte der Antike gezielt eingesetzt. „Die Wirkstoffe der Küchenzwiebel sind organische Schwefelverbindungen wie das Flavonoid Quercetin“, sagt Kurz. „Der Stoff wirkt antibakteriell und antiasthmatisch“, sagt Kurz weiter. Zwiebel könnten überdies Blutdruck und Blutfettwerte senken und so Gefäßkrankheiten vorbeugen. Antientzündliche Eigenschaften werden der Cepula ebenfalls nachgesagt. Bei Ohrenschmerzen empfiehlt Kurz, ein Säckchen mit klein geschnittenen, etwas erwärmten Zwiebeln für eine halbe Stunde auf das schmerzende Ohr zu legen.

Zwiebelsaft mit Honig und Milch habe sich als probates Hausmittel gegen Husten bewährt. Letztlich könne aufgeträufelter Saft auf Insektenstiche Entzündungen verhindern.

Die alte Volksweisheit: „Hab Sonne im Herzen, ne Zwiebel im Bauch, dann kannst du gut scherzen und Luft hast du auch“, ist für Kurz gar nicht so weit hergeholt. Bei seinen Recherchen hat er auch alte Wundergeschichten gefunden: Da geht es um Familien, die bei der großen Grippeepedemie im Jahr 1919 gesund blieben, weil sie aufgeschnittene Zwiebeln aufstellten, von einer schwer an Lungenentzündung erkrankten Frau, die eine aufgeschnittene Zwiebel eine Nacht neben sich hatte. Die Zwiebel färbte sich von den aufgefangenen Bakterien schwarz, während es der Frau viel besser ging. Und schließlich Wundergeschichten über den Einsatz von Knoblauch und Zwiebeln gegen die Pest.

Das Zubereiten der Zwiebel stellt allerdings manchen vor Probleme, schließlich reizt das flüchtige Lauchöl Thiopropanal-S-Oxid zu Tränen. Eine kurz unters Wasser gehaltene aufgeschnittene Zwiebel lässt laut Kurz die Tränen weniger fließen. Und Birgit Rapp, die Geschäftsführerin des gleichnamigen Esslinger Gemüsegeschäfts, rät, neben dem Zwiebelschneiden den Wasserhahn laufen zu lassen.

Wo wachsen Zwiebeln? Wer baut Zwiebeln an? Wilfried Rapp zieht das Lauchgemüse auf seinen Feldern auf dem Zollberg. Das sei arbeitsintensiv, sagt Rapp und verweist auf die schweren Böden hierzulande, während die Zwiebel bekanntermaßen die sandigeren Böden bevorzuge. Gesetzt werden  Zwiebeln im März, geerntet wird ab August. Wetterbedingungen können dem Gemüse zusetzen. Der heiße und trockene Sommer hat viele Früchte klein bleiben lassen. Zuviel Regen hingegen gab es im Jahr 2014: „Viel konnte gar nicht geerntet, sondern musste untergepflügt werden“, erklärt Rapp. Auch Schädlinge bedrohen die Zwiebel. „Derzeit ist die Lauchminierfliege unterwegs, da muss man verstärkt nach den Pflanzen schauen“, sagt Rapp. Auch bedauert er, dass Verbraucher überwiegend nach roten runden Zwiebeln fragen. Alte Sorten wie die Stuttgarter Riesen – feine flachere Zwiebeln – seien daher kaum mehr auf dem Markt. Kein lohnendes Geschäft also? „Als Esslinger komme ich doch an der Zwiebel nicht vorbei“, gesteht Rapp, und er weiß: „Man verkauft auch immer gerne etwas Emotionales.“

Wie schmecken Zwiebeln am besten? So wie Kurz auf den Brotaufstrich aus roten Zwiebeln und aufgeschäumter Butter schwört, liebt Birgit Rapp leicht in Ölivenöl angedünstete Frühlingszwiebeln mit darüber gehobeltem Parmesan.

Doris Hoinkis, die Vorsitzende des Kreislandfrauenverbands Esslingen, stellt für das Wochenblatt ECHO ihr Apfel-Zwiebel-Gemüse vor.

Zutaten: Für 4 Personen: 400 g Äpfel,  500 g große, milde weiße Zwiebeln, 2 EL Sonnenblumenöl, eine Handvoll Rosinen, 1/8 l trockener Portwein, Salz, eine Handvoll frische Salbeiblätter, 2 EL Olivenöl, Äpfel schälen, Kerngehäuse ausstechen. Die Äpfel mit Schale quer in 3 mm dicke Scheiben schneiden. Die äußere Haut der Zwiebeln abziehen, Zwiebeln in Ringe schneiden. Zwiebeln und Äpfel in Sonnenblumenöl anbraten, Rosinen und Portwein zufügen, alles knapp gar dünsten. Mit Salz abschmecken. Die Salbeiblätter waschen, trocken tupfen. In Olivenöl in einer Pfanne knusprig braten, aber nicht zu sehr bräunen lassen. Das Zwiebelgemüse in eine Schüssel geben, mit den krossen Salbeiblättern garnieren und gleich servieren. Dazu passen Braten und Knödel.      bob

Foto: bob


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