Ein Restrisiko bleibt

Mit den Saisonkräften ist die Sorge vor eingeschleppten Infektionen auf die Höfe zurückgekehrt – Vorsicht ist groß

Sie stechen Spargel, ernten Erdbeeren und Gemüse, pflücken Äpfel und bringen die Krauternte ein: Etwa 50 000 Männer und Frauen, überwiegend aus Bulgarien, Polen, Ungarn und Ru­mänien, machen nach Angaben des Landesbauernverbands  Baden-Württemberg  jährlich zwischen März und Oktober auf den Feldern im Südwesten den Rücken  krumm. Für den Landkreis Esslingen liegen keine  Zahlen vor, doch laut Verbandssprecherin Ariane Am­stutz gilt auch hier: „Ohne Saisonkräfte könnten die Betriebe die Versorgung mit frischen regionalen Lebensmitteln nicht sicherstellen.“

Während sich der Einsatz der Saisonkräfte über eine lange Zeit eingespielt hatte und etlichen Betrieben  das  Überleben sicherte, stellten sich im vergangenen Jahr mit Beginn der Corona-Pandemie  Probleme ein. Zahlreiche Arbeitskräfte blieben aus Furcht vor einer Infektion in ihren Heimatländern  oder konnten wegen Reisebeschränkungen nicht nach Deutschland einreisen. Die landwirtschaftlichen Betriebe wiederum hatten mit der coronakonformen Umstellung der Produktion und der Umrüstung der Unterkünfte für die Saisonkräfte einen Kraftakt zu bewältigen. „Vor allem im April und Mai gab es Engpässe bei den Arbeitskräften“, berichtet Amstutz. Zudem brach bei vielen  Betrieben die Gastronomie als  Absatzmarkt weg.

In der Folge wurde  so manche Spargelreihe nicht gestochen, wurde Gemüse untergepflügt und wurden Salatfelder nicht abgeerntet –  auch im Kreis Esslingen. Dieses Jahr ist Routine eingekehrt. „Die Betriebe sind  geübt im Umgang mit den Hygieneregeln, die Unterkünfte und die Arbeitsplätze sind regelkonform umgebaut und es gibt engmaschige Kontrollen. Keiner will, dass einer der Arbeiter krank wird“, sagt Amstutz.

Das bekräftigt auch Markus Eberhardt, Mitinhaber des Berghofs in Deizisau. Der Betrieb bewirtschaftet 60 Hektar Fläche, auf denen Getreide, Obst und Gemüse angebaut werden. In Spitzenzeiten arbeiten rund 40 Saisonkräfte aus Rumänien auf dem Hof, die meisten von ihnen kommen schon seit Jahren nach Deizisau. Die Beschäftigung unter Pandemiebedingungen klappe mittlerweile reibungslos, berichtet Eberhardt. „Die Arbeiter kommen nur mit einem PCR-Test auf den Hof, nach fünf Tagen wird ein zweiter Test gemacht. Auf dem Hof gelten die üblichen Hygieneregeln. Und weil alle hier untergebracht sind, gibt es nur wenige soziale Kontakte nach außen“, sagt Eberhardt. Als große Hilfe sieht er auch, dass die Betriebe ihre Saisonkräfte nun vier statt bisher drei Monate lang sozialversicherungsfrei beschäftigen dürfen. Somit bleiben die Teams länger beisammen, auf dem Hof herrscht weniger Fluktuation. Die Gefahr, dass einer der Arbeiter unerkannt eine Infektion einschleppt, sinkt somit.

Auch die Verarbeitung der Produkte geschehe nach strikten Hygienestandards. „Die Halle ist offen, es gibt immer Durchlüftung, und die Leute haben viel Abstand. Es beruhigt uns, dass die Infektionsgefahren minimiert sind. Trotzdem zerrt die Situation  an den Nerven. Ein gewisses Restrisiko bleibt eben“, sagt Eberhardt.

Damit müsse der Betrieb leben. Denn obwohl der Berghof nicht von kommerziellen Abnehmern oder der Gastronomie abhängt, sondern seine Produkte hauptsächlich direkt vermarktet oder, wie bei den Erdbeeren, viele Selbstpflücker als Kundschaft hat, geht es zu bestimmten Zeiten nicht ohne zusätzliche Arbeiter. Der gesellschaftliche Trend  zu einer guten Ernährung mit Produkten aus der Region erfordere von den Landwirten hohen Einsatz, den ein Familienbetrieb nicht immer allein stemmen könne, berichtet Eber­hardt. „Die Erfahrungen zeigen, dass wir die Saisonkräfte brauchen.“  pst / Foto: Peter Stotz


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