Eine Frau will hoch hinaus

Lisa Marie Haas aus Bempflingen möchte erste deutsche Astronautin werden – Werbung für Frauen in der Wissenschaft

Die Raumfahrt ist eine männlich dominierte Angelegenheit. Erst drei Europäerinnen haben bislang die Reise ins All angetreten, eine Deutsche war nicht dabei. Das könnte sich in absehbarer Zeit ändern. Das privat initiierte Projekt „Die Astronautin“ hat nach Prüfungen unter 400 Bewerberinnen bundesweit sechs wissenschaftlich qualifizierte Kandidatinnen ausgewählt. Zwei von ihnen sollen nach einer weiteren Prüfung am 19. April eine Astronauten-Ausbildung antreten. Unter den Finalistinnen ist auch die Physikerin Lisa Marie Haas aus Bempflingen.

„Ich habe mich schon als Kind für den Weltraum und die Astrophysik interessiert und gesagt, dass ich einmal Wissenschaftlerin werden möchte“, erzählt Lisa Marie Haas. Diesen Weg hat sie konsequent verfolgt, nach dem Abitur Physik studiert und an der Universität Heidelberg in Theoretischer Physik promoviert. Hinzu kam ein Faible für Science Fiction. „In Star Trek sieht man viele technische Spezialistinnen, starke Frauen in Führungspositionen. Das hat mich nie losgelassen.“ So hat sich die 33-Jährige, die bei einem Technologieunternehmen in Reutlingen an der Entwicklung von Verbindungstechnik für Sensoren arbeitet, im Jahr 2009 für das Astronauten-Auswahlverfahren der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA beworben. „Doch damals hatte ich noch keine Promotion und nicht die nötige Berufserfahrung“, sagt sie. Im vergangenen Jahr ist die zweifache Mutter über eine Ausschreibung der Initiative „Die Astronautin“ gestolpert und hat ihre Unterlagen eingereicht. Die private Initiative möchte im Jahr 2020 die erste deutsche Astronautin zur Internationalen Raumstation ISS bringen und damit Mädchen und Frauen stärker für naturwissenschaftlich-technische Berufe interessieren.

Die folgenden Auswahltests waren der künftigen Aufgabe entsprechend anspruchsvoll. Von den anfänglich etwa 400 Bewerberinnen schafften es 90 in das Auswahlverfahren beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. „Das ist einem Pilotentest sehr ähnlich“, beschreibt Lisa Marie Haas. 30 der Kandidatinnen schafften die Prüfungen und wurden medizinisch unter die Lupe genommen. „Das sind dieselben Tests wie für die ESA-Astronauten. Da wird gefühlt jede Körperzelle umgedreht.“

Lisa Marie Haas ist in alle Tests „relativ gelassen reingegangen“ und sie hat sie alle problemlos bestanden. Nun ist sie unter den letzten sechs Kandidatinnen, unter denen eine Jury am 19. April zwei für die Astronauten-Ausbildung auswählen wird. „Die Chancen stehen für alle etwa gleich. Wir sind alle hoch qualifiziert. Trotzdem wäre es natürlich eine große Enttäuschung für mich, wenn ich nicht ausgewählt würde“, sagt sie. Und selbst die Zusage für die Ausbildung wäre noch keine Garantie für den Flug zur ISS. Nur eine der beiden Astronautinnen wird 2020 letztlich als erste deutsche Raumfahrerin den begehrten Platz in der Fähre zur ISS erhalten. Die andere bleibt als Sicherheitsreserve am Boden und darf auf eine Mission zu einem späteren Zeitpunkt hoffen.

Um die Ausbildung zu finanzieren, hat die Initiative „Die Astronautin“ eine Crowdfunding-Kampagne ins Leben gerufen. Über Beiträge aus der Bevölkerung soll das erste Ausbildungsjahr, das berufsbegleitend absolviert wird, abgesichert werden.

Auf den Fall, tatsächlich in drei Jahren zur ISS zu fliegen und dort zehn Tage lang zu arbeiten, hat sich Lisa Marie Haas mental vorbereitet. „Die Enge beunruhigt mich nicht, die Station muss man sich eher kuschelig vorstellen.“ Beim Klettern und bei Hochtouren habe sie gelernt, mit Risiken umzugehen und Fehler durch kluges Abwägen zu vermeiden. Es gehöre auch Vertrauen in die technischen Sicherheitseinrichtungen dazu. „Man ist nicht komplett ausgeliefert. Die Angst fliegt nicht mit, aber man muss Respekt haben“, beschreibt sie. Und nicht zuletzt habe sie auch „eine große Portion Abenteuerlust“ als Antrieb.

Mit ihrem Flug verbindet Lisa Marie Haas auch eine wichtige Botschaft. „Ich will Mädchen und Frauen für die Naturwissenschaften und die Technik interessieren. Ich will Begeisterung wecken und Vorbild sein. Die Wirkung ist vom All aus signifikant höher als am Boden. Die ISS ist wohl der atemberaubendste Arbeitsplatz, den man sich vorstellen kann. Und der Raumflug soll ein Signal sein und zeigen: ‚Schaut her, ihr könnt das auch‘“, sagt sie.    pst

Info: Die Crowdfunding-Kampagne ist unter www.startnext.com/dieastronautin beschrieben. Informationen  gibt es unter www.dieastronautin.de.

Foto: Socher


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