40 Jahre Wernauer Baggerseen – Zehntausende unterschrieben für „Oase in der Industrielandschaft“ – Das Ende der Teststrecke ist in Sicht


Vor 40 Jahren haben Naturschützer und Bürger erreicht, dass die Wernauer Baggerseen unter Schutz gestellt wurden. Seitdem wurde die Fläche mehrfach ergänzt und weiterentwickelt. Mit dem bevorstehenden Ende der Daimler-Teststrecke bietet sich nun die Chance auf eine letzte, größere Ausweitung des Naturschutzgebiets.
Im Juni hat der Naturschutzbund (Nabu) im Plochinger Umweltzentrum den Geburtstag des Naturschutzgebiets Wernauer Baggerseen gefeiert. Seiner endgültigen Ausweisung im Jahr 1981 ging ein längerer Kampf voraus. Bis 1968 war im nördlichen Bereich der Baggerseen noch Kies abgebaut worden; Mitte der 1970er-Jahre beantragte der Deutsche Bund für Vogelschutz (heute Nabu) bereits ein Naturschutzgebiet in diesem Bereich. Begründet wurde das mit den zahlreichen dort gesichteten Vogelarten. Es dauerte zwei Jahre, bis das Land ein Verfahren für die Unterschutzstellung einleitete – zu dieser Zeit erwog die Stadt Wernau dort noch ein Gewerbegebiet. Und der Kreis Esslingen zog den Standort für eine Müllverbrennungsanlage in Betracht.
Bis heute in Betrieb
Unter der Überschrift „Oase in der Industrielandschaft“ sammelten die Naturschützer 15 000 Unterschriften. Sie übergaben sie im Juli 1979, kurz nach einer sogenannten Sicherstellungsverordnung des Regierungspräsidiums für den großen See. Die endgültige Verordnung fürs Naturschutzgebiet brauchte dann noch zwei Jahre.
Fünf Jahre später wurde wieder mobilgemacht: Dieses Mal unterschrieben 19 000 Menschen die Forderung, die Daimler-Teststrecke und die damals noch vorhandene Betonmischanlage abzubauen. Den zweiten Teil konnten sie recht schnell durchsetzen, das Betonmischwerk stellte den Betrieb ein und wurde abgerissen. Die Teststrecke ist dagegen trotz wiederholter Aktionen bis heute in Betrieb, wenn auch mittlerweile nur noch in geringem Umfang. Doch jetzt ist ein Ende absehbar, wie Roland Appl, der Beauftragte des Nabu-Kreisverbandes für das Wernauer Naturschutzgebiet, bei der 40-Jahr-Feier berichtete: Daimler habe „zugesichert, dass sie nächstes Jahr den Testbetrieb vollends einstellen“. Das Unternehmen schafft mit der neuen Pkw-Teststrecke in Immendingen und der Ausweitung der Lkw-Teststrecke Münsingen Ersatz. Der Stuttgarter Autobauer habe den Pachtvertrag für die Wernauer Fläche auf Ende 2020 gekündigt, berichtete Appl.
Damit hat der Nabu nach rund 35 Jahren auch das zweite Ziel erreicht. Ob die jetzige Daimler-Strecke dann dem Naturschutzgebiet zugeschlagen wird, ist allerdings noch offen. Sinnvoll wäre das aus Sicht der Naturschützer, bietet sich doch dort die letzte größere Chance für eine Erweiterung.
Ein weiterer Ausguck
Die Aktiven vom Nabu könnten sich vorstellen, die vorhandenen Anlagen – darunter auch eine Wellblechhalle und ein asphaltierter Platz – teilweise abzubauen und einfach der Natur zu überlassen. Auch ein weiterer Ausguck für Vogelbeobachter und andere wäre an dieser Stelle gut aufgehoben, findet Appl. Bislang kann man lediglich mit dem Fernglas vom Uferweg am Neckar einen Blick auf Grau- und Silberreiher, Kormorane, Graugänse und andere Vögel werfen. Auch seltene Zwergrohrdommeln oder Wasserrallen wurden dort schon gesichtet. Und „so viele Nachtigallen wie an den Wernauer Baggerseen findet man weit und breit nicht“, sagt Appl. Darüber hinaus sind die Seen ein wichtiger Orientierungspunkt und Rastplatz für Zugvögel.
Allerdings gehört der Grund und Boden der Teststrecke wie auch andere Teile des Gebiets der Baufirma Wolfer & Goebel, die derzeit mit dem Land über einen Verkauf verhandelt. Bislang wurde man sich offenbar noch nicht einig. Mit der Fläche der Teststrecke und der angekündigten Fläche Wernauer Neckaraue/Wendlinger Wasen (entlang der B 313) könnte das Gebiet auf insgesamt 60 Hektar anwachsen. Dann wäre es mehr als doppelt so groß als bei der ersten Ausweisung des „Großen Sees“. Damals umfasste es 23 Hektar, seitdem wurde es auf aktuell 45 Hektar erweitert. Weitere Flächen für eine zukünftige Ausweitung gibt es dann nicht mehr.
An der Qualität arbeiten die Naturschützer aber ständig. So finden nicht nur Pflegeeinsätze durch Menschen statt, regelmäßig weiden auch Schafe im Gebiet. Es ist über den Vogelschutz hinaus auch für andere Tiere, vor allem für Insekten, ein wichtiger Lebensraum. aia / Fotos: aia