Seine Tage schienen gezählt, doch der Musikpavillon aus der Otto-Wurster-Anlage in Plochingen hat wieder eine Zukunft

Er hat zweifellos eine Menge erlebt. Musikverein und Posaunenchor haben unter seinem Dach geblasen, Weißwurstfrühstücke und Dixieland-Konzerte fanden statt. An Fronleichnam war hier ein Altar, und St. Martin kam bei seinem Ritt ebenfalls vorbei. Bis in die 70er-Jahre war der Musikpavillon in der Otto-Wurster-Anlage in Plochingen, die Anfang der 50er-Jahre auf einem Wasserbehälter an der Moltkestraße angelegt wurde, beliebt für Veranstaltungen. Dann wurde es nach und nach ruhiger um ihn. Zuletzt sind noch ab und zu Kinder auf seinem Sandsteinsockel im Kreis gerannt, Jugendliche trafen sich zum „Chillen“ und ein paar Graffiti-Sprayer haben ihre Spuren hinterlassen. Ansonsten lag dieser Teil der Otto-Wurster-Anlage im Dornröschenschlaf.
In den Fokus gerückt ist der Pavillon wieder, als klar war, dass er weichen muss, weil die Fläche bebaut wird. Die SPD-Fraktion regte 2020 an, dieses „Stückchen Plochinger Kulturgeschichte“ zu sanieren und in den Bruckenwasen zu versetzen. Finanziert werden sollte das gemäß Gemeinderatsbeschluss komplett durch eine Spendenaktion. Sie fand statt, und man kann die rund 15 000 Euro, die dabei zusammenkamen, durchaus als Erfolg betrachten. Genug war das jedoch noch lange nicht, die Kosten für Sanierung und „Umzug“ wurden auf mehr als 40 000 Euro geschätzt. Der Gemeinderat hat deshalb im Herbst mehrheitlich beschlossen, das Projekt aufzugeben. Denn würde man zu weiteren Spenden aufrufen, wäre die Stadt gewissermaßen in der Pflicht, eine verbleibende Finanzierungslücke zu stopfen, so die Argumentation – und das wollte die Ratsmehrheit nicht.
Retterin in der Not war die Kreisbaugenossenschaft Kirchheim-Plochingen. Sie baut das neue Quartier im Bereich des ehemaligen Wasserbehälters und hat 2022 den zehnten Geburtstag der Verschmelzung von vormals zwei Baugenossenschaften gefeiert. In diesem Zuge habe man beschlossen, gemeinsam mit der Stadt den Pavillon zu versetzen. Und blieb auch dabei, als die Spenden nicht flossen wie erhofft. „Die Kreisbau wollte ihre Verbundenheit zum Standort zum Ausdruck bringen“, sagt deren Vorstandssprecher Bernd Weiler.
Eine Kleinigkeit war die Versetzung nicht: Der Pavillon wurde zerlegt, abtransportiert und bei einer Fachfirma renoviert. Vor allem am Holzdach musste einiges gemacht werden, und das alte Blechdach war nicht zu retten und wurde ersetzt. Dank neu verlegter Elektroleitungen gibt es künftig auch Licht unterm Dach. Der Sandsteinsockel in der Anlage wurde samt der darin verbauten Stahlstützen abgerissen. Im Bruckenwasen hat der Pavillon einen neuen, etwas niedrigeren Sockel bekommen. Nach rund drei Monaten Bauzeit wird der Pavillon am kommenden Wochenende zum Bruckenwasenfest eingeweiht.
Dass auch sechs Bäume weichen mussten, war allerdings nicht vorgesehen. Das hatte der Gemeinderat eigentlich ausdrücklich ausgeschlossen. Am Ende ging es nicht anders, weil die Bepflanzung im Biergarten relativ dicht und der Pavillon teilweise in diesen integriert ist. Es handelt sich aber um noch junge Bäume, wahrscheinlich zur Gartenschau 1998 gepflanzt.
Susanne und Reinhard Steiner von Steiner am Fluss freuen sich über die neue Attraktion bei ihrem Café. „Wir sind begeistert“, sagt Susanne Steiner, zumal der Pavillon jetzt auch noch farblich passend zu den Fensterläden des Cafés gestrichen wurde. Sie kann sich verschiedene Nutzungen unter seinem runden Dach vorstellen, beispielsweise kleine Konzerte, will sich aber zunächst mit der Stadt abstimmen. Und das sei ein würdiger Platz für das gute Stück: „Wir sind froh, dass man den nicht wegwerfen musste.“ Künftig gibt es auch draußen ein Dach über dem Kopf, wenn bei Steiner am Fluss musiziert wird, was seit der Eröffnung vor 25 Jahren häufig der Fall ist.
aia / Foto: Ait Atmane