Bewegungstreffs in Stadt und Kreis Esslingen bieten Fitnesstraining im Freien an – Auch andere Regionen ziehen mit

Zu einem echten Renner haben sich die „Fünf Esslinger“ entwickelt – und das nicht nur am Herkunftsort. Insgesamt 58 Gruppen trainieren kreisweit, darunter 15 in Esslingen selbst. Dazu kommen viele weitere in der Region Stuttgart, aber auch in Heilbronn, Rastatt und Ulm. In die Tausende dürfte die Zahl der Seniorinnen und Senioren gehen, die sich auf diese Weise fit halten.
Das Programm kommt so gut an, dass manche Teilnehmer sogar auf mehreren Hochzeiten tanzen. „Donnerstags fahren wir hierher mit dem Bus, und dienstags sind wir in der Maille, da können wir zu Fuß hingehen “, berichtet Renate Bentel, die mit Nachbarin Gerti Bareth den Bewegungstreff im Esslinger Schillerpark besucht. Sich gegenseitig zu motivieren, sei einfach wichtig, meint Bentel, die mit dem Fitnessprogramm ihre Schwindelprobleme bekämpft und auch ihre Beweglichkeit nach einem Schlaganfall auf das regelmäßige Training zurückführt.
Dass es zu regnen aufgehört hat, ist egal. „Wir trainieren eigentlich bei jedem Wetter, notfalls sogar mit Regenschirm“, sagt Beate Latendorf und ruft den Frauen und Männer im Schillerpark zu: „Schaut, dass ihr Platz habt.“ Und schon geht es los mit dem Armkreisen, dann wird auf der Stelle marschiert – und so fort. Zusammen mit Robert Peter leitet die frühere Esslinger Frauenbeauftragte den Bewegungstreff im Schillerpark
Rund 20 Frauen und Männer stehen auf den asphaltierten Wegen verteilt. Ihre nach vorne gestreckten Arme machen schnelle Hackbewegungen in der Luft. Eine Frau hat ihre beiden Enkel mitgebracht, die sich genauso anstrengen wie die Senioren. Die mit 92 Jahren älteste Teilnehmerin ist diesmal zwar nicht dabei, doch dafür einige Senioren, die den 80. Geburtstag ebenfalls schon hinter sich haben.
Helga Zimmer zählt mit ihren 77 Jahren zum Mittelfeld. Seit ihrer Hüft-Operation samt Reha kommt sie gerne mit ihrem Mann zum Bewegungstreff, denn hier gebe es auch immer jemand zum Reden. Nette Kontakte hätten sich auf diese Weise entwickelt, und man treffe sich auch gerne zum Wandern auf dem Schurwald.
Insgesamt gibt es 15 solcher Treffs im Stadtgebiet, die der verstorbene Esslinger Mediziner Martin Runge unter dem Titel „Fünf Esslinger“ entwickelt hat. Die Übungen zielen auf Balance, Kraft, Dehnung und Schnelligkeit, also die Fitnesskomponenten, die im Alltag besonders gebraucht werden.
„Die Gruppe hilft mir, den inneren Schweinehund zu überwinden“, erklärt eine 82-jährige Teilnehmerin den wichtigen Motivationsschub. Seit zehn Jahren ist die Esslingerin dabei und sportelt neben dem Treff donnerstags im Schillerpark auch dienstags regelmäßig in der Gartenstadt. „Das Leben ist zu kurz, um traurig zu sein, man muss einfach etwas tun“, begründet Gerti Bareth ihre Einstellung. Sie kommt mit dem Rollator zum Training. Manche Übungen kann sie nur im Sitzen machen, weil ihre Knie vieles nicht mehr mitmachten, erklärt die 71-Jährige, die nicht nur Lebensweisheiten und Witze zu bieten hat, sondern jedem obendrein noch ein strahlendes Lächeln schenkt. Jeder kenne Tage mit mehr oder weniger Lust auf Bewegung, und wenn nur die kleine Lust da sei, erinnere ihre Nachbarin sie an die gemeinsamen guten Vorsätze.
Wie gut Bewegung tut, kann auch eine weitere Teilnehmerin bestätigen. Früher habe sie wegen der Familie keine Zeit für Sport gehabt, aber seit sie am Bewegungstreff teilnimmt, seien ihre Rückenschmerzen verschwunden.
„Hinten muss es ziehen“, fordert Beate Latendorf unterdessen. Alle stehen mehr oder weniger tief im Ausfallschritt da. Dieser Dehnschritt gehört zum zweiten der fünf „Esslinger“, der mit Rumpfbeugungen komplettiert wird. Die Übungen sollen nicht überfordern, und jeder und jede sollen sie nach eigenem Vermögen ausführen, erklärt Beate Latendorf, die die Wirksamkeit vor allem mit der regelmäßigen Wiederholung begründet. Auch deshalb finden die Bewegungstreffs fast bei jedem Wetter und auch in den Ferien statt. Im Winter trage man halt Stiefel statt Turnschuhe, und eine warme Mütze helfe auch bei nasskaltem Wetter.
Gerade in Coronazeiten habe sich das Trainieren im Freien, bei dem man jederzeit einsteigen kann, bewährt. Hier ließen sich Fitnesstraining und Geselligkeit verbinden, während viele Sport- und Kulturangebote, die auf Räume angewiesen sind, einfach ausfielen. Ein großer Vorteil sei zudem der niederschwellige Charakter, denn Mitglied müsse man beim Bewegungstreff nicht werden.
Latendorf, die wie alle Bewegungstreff-Begleiter ehrenamtlich dabei ist, wirbt für das Ziel der jahrzehntelangen Fitness im Alltag. Sie zitiert den Begründer Martin Runge, dem es darum ging, Koordination und Beweglichkeit genauso zu schulen wie die Muskelkraft in Armen und Beinen. Und da noch weitere Begleiter gesucht werden, hofft Latendorf auf Zulauf für den nächsten Grundlehrgang, der ab dem 20. März angeboten wird.
com / Foto: Roberto Bulgrin