Der beliebte Nahverkehrsfahrschein soll verschwinden, sobald das 49-Euro-Ticket in der Region eingeführt wird

Leicht gefallen ist die Entscheidung kaum jemandem. Das Esslinger Stadtticket galt als Erfolg – dass es nun eingestellt werden soll, bezeichnen viele Stadträte als bittere Pille. Dennoch stimmte die Mehrheit von ihnen vor einigen Tagen für die Abschaffung. Denn die städtischen Kassen sind so klamm, dass man sich den Zuschuss für das von der Stadt subventionierte Angebot sparen will.
Klar ist damit, dass es den Fahrschein, der zu einem Preis von derzeit drei Euro beliebig viele Fahrten an einem Tag durch Esslingen erlaubt, maximal noch bis Ende 2023 geben soll. Vermutlich wird er sogar früher aus dem Programm genommen – beschlossen ist nämlich, dass das Stadtticket verschwindet, sobald das vom Bund geplante 49-Euro-Ticket im VVS-Gebiet gilt. Das wird voraussichtlich im kommenden Frühjahr der Fall sein. Zuvor aber wird noch der Preis erhöht: Von Januar an kostet das Stadtticket 3,50 Euro für Einzelfahrer und sieben Euro für Gruppen.
Möglich wurde die von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Einstellung des beliebten Tickets letztlich nur, weil sie Teil eines umfassenden Sparpakets ist. Vor allem die Fraktionen von Grünen und SPD betonten mehrfach, dass sie dem Vorhaben ohne die Einbettung in den größeren Rahmen wohl kaum hätten zustimmen können. „Die Abschaffung des Stadttickets ist schwierig für uns“, erklärte etwa Jürgen Menzel (Grüne). Man schlucke diese Kröte zum Wohle der Stadtkassen, Sparpakete enthielten nun einmal schwer verdauliche Kompromisse. Man hoffe aber nun, dass der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) bald attraktive neue Angebote schaffe.
Auch Nicolas Fink, Fraktionschef der SPD, betonte: „Diese Entscheidung fällt uns nicht leicht.“ Zumal das 49-Euro-Ticket keine Alternative zum Stadtticket sei, weil es eine ganz andere Nutzergruppe anspreche. Das Zehnerticket des VVS für knapp 40 Euro hingegen könne durchaus eine Alternative sein, sofern die Vorgabe, dass es innerhalb eines Monats verwendet werden muss, gestrichen werde.
Die Freien Wähler hingegen enthielten sich bei der Abstimmung. Zwar positionierten sie sich klar für die Abschaffung des Stadttickets, wollten diese aber für einen konkreten Zeitpunkt beschließen – nämlich zu Ende März 2023. Das wollte die Mehrheit des Gemeinderats jedoch nicht.
Auch Sven Kobbelt (FDP) erklärte, mit dem Zehnerticket des VVS habe man im Prinzip ein Vier-Euro-Stadtticket, sobald die Monatsbindung falle. Der CDU-Fraktionschef Tim Hauser hingegen betonte, den Christdemokraten wäre es lieber, das 49-Euro-Ticket würde gar nicht kommen. Denn dessen Einführung sei „ein Eingriff in die Tarifautonomie und in die kommunale Selbstverwaltung“. Zudem habe es eine völlig andere Zielrichtung als das Stadtticket. Man hoffe nun auf gute Alternativen zu Letzterem. Die Linken wiederum bedauerten die Abschaffung des Stadttickets ausdrücklich und beantragten die Weiterführung bis Ende 2023 samt Evaluation der Nutzerzahlen. Das aber lehnte die Mehrheit im Gremium ab.
Das Esslinger Stadtticket gilt als Erfolg: Nach der Einführung im April 2019 wurden im darauffolgenden Dezember mehr als 45 000 Tickets für Einzelfahrer sowie über 4000 Gruppenkarten verkauft. Mit Corona kam dann zwar der jähe Absturz, doch es ging wieder bergauf: Im März dieses Jahres wurden fast 39 000 Fahrscheine für Einzelfahrer verkauft sowie mehr als 1100 Gruppentickets. Allerdings gab es im Sommer wegen des 9-Euro-Tickets einen erneuten Einbruch, nach dessen Wegfall spricht die Stadt aber von einer weiterhin hohen Nachfrage und Akzeptanz.
Für das Stadtticket, das Esslingen zusammen mit dem VVS anbietet, kalkuliert man im Rathaus Kosten von 675 000 Euro im Jahr ein. Denn pro Einzelfahrkarte schießt die Stadt aktuell 2,11 Euro zu sowie 3,54 Euro für jedes Gruppenticket. Das will man sich nun sparen. Neben der VVS-Zehner-Karte und dem 49-Euro-Ticket wird auch auf das ab März 2023 landesweit geltende Jugendticket für 365 Euro im Jahr als Alternative verwiesen.
meb / Foto: Ines Rudel