Interview mit Ernährungsberaterin Hanna Ritter – Saisonal und regional schlägt bio – Unverträglichkeiten mit Diagnose absichern
Was ist gutes Essen? Wie ernährt sich der Mensch gesund? Angesichts zahlreicher immer neuer Trends an Ernährung ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten. Das Wochenblatt ECHO hat sich zum Tag der gesunden Ernährung am 7. März mit der Ernährungsberaterin Hanna Ritter unterhalten.
Frau Ritter, was frühstücken Sie morgens am liebsten?
Ritter: Yoghurt und Obst und manchmal mit etwas Haferflocken dazu.
Weil es gesund ist oder weil es Ihnen gut schmeckt?
Ritter: Natürlich, weil mir dieses Frühstück schmeckt. Das ist ein Grundprinzip in meinen Beratungen: Gesund allein reicht nicht, es muss auch schmecken. Die Auswahl an gesunden Lebensmitteln ist riesig, sodass jeder das für ihn beste Essen zusammenstellen kann.
In den vergangenen Jahren jagt ein Ernährungstrend den anderen, zum Teil mit widersprüchlichen Aussagen. Gibt es noch so etwas wie eine goldene Regel, an die wir uns halten können, wenn wir uns richtig ernähren wollen?
Ritter: Ja, das gibt es in der Tat. In einer gesunden Ernährung gibt es zwei Hauptsäulen: Zum einen sollte der Schwerpunkt auf Obst und Gemüse liegen, zum zweiten muss auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Das bedeutet, dass in der Regel 1,5 bis zwei Liter kalorienarme oder kalorienfreie Getränke konsumiert werden sollen. Das muss nicht immer Wasser sein, gute Alternativen sind Saftschorle im Verhältnis 1:4 oder Kräutertees. Ansonsten stehen Vollkornprodukte auf dem Speiseplan, Proteine kommen weniger vor und Fett und Zucker sollten sehr sparsam verwendet werden.
Verschiedene Lebensmittel sind in Misskredit geraten. Wie gehen wir damit richtig um? Salz zum Beispiel.
Ritter: Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, fünf bis sechs Gramm Salz pro Tag nicht zu überschreiten. Wir müssen uns jedoch darüber im Klaren sein, dass wir das meiste Salz über Brot, Wurst und Käse aufnehmen. Das können wir leider nicht beeinflussen. Daher sollten wir bei Tisch nicht noch zusätzlich nachsalzen. Erfreulicherweise gibt es mit Metzgern und Bäckern mittlerweile Konsens darüber, die Salzzugaben schrittweise zu verringern.
Zucker hat auch einen schlechten Ruf.
Ritter: Zucker ist auch so ein Stoff, der sich durch die Hintertür einschleicht. Zum einen steht der Zuckergehalt auf der Nährwertkennzeichnung verschiedener Lebensmittel. Sie sollten also immer das Produkt wählen, das den niedrigsten Zuckergehalt hat. Aber Vorsicht: Nehmen Sie beispielsweise Müsli. Zucker erscheint dort auch als Glukose, Fruktose oder als Glukose- und Fruktosesirup. In Gramm bedeutet das: 50 Gramm Zucker am Tag sollten nicht überschritten werden, die WHO spricht sogar von 20 bis 30 Gramm am Tag. Das halte ich jedoch für unrealistisch.
Gutes Fett, schlechtes Fett? Wie machen wir es richtig?
Ritter: Da gilt eine Faustregel: Grundsätzlich soll Fett nicht mehr als 30 Prozent bei der täglichen Ernährung ausmachen. Die gesättigten Fette vermeiden wir lieber und nehmen die ungesättigten zu uns. Gesättigte Fette finden wir in Milchprodukten, Fleisch und Wurstwaren. Gesündere ungesättigte beispielsweise in kaltgepressten Ölen oder Seefisch.
Wie halten wir es mit dem Fleisch?
Ritter: Ziehen Sie weißes Fleisch dem roten vor, weil das helle magerer ist. Eine ebenso große Rolle spielt die Herkunft des Fleisches. Achten Sie auf eine artgerechte Haltung. Dann können Sie sicher sein, dass die Tiere mit kleineren medikamentösen Dosen aufgewachsen sind, was sich auf die Qualität des Fleisches auswirkt. Also lieber weniger, dafür besseres Fleisch essen.
Vegane Ernährung liegt stark im Trend. Ist das aus Ihrer Sicht die gesündere Art zu essen?
Ritter: Was ich an der veganen Ernährung sehr positiv bewerte, ist der hohe Anteil an Gemüse und Obst. Wer sich so ernährt, sollte sich aber gut auskennen, sonst könnte Mangel entstehen: Vegane Esser müssen auf einen ausreichenden Spiegel an Vitamin B12, Kalzium und Eiweiß achten. Da sollte man regelmäßig die Blutwerte beim Arzt checken lassen. Meiner Erfahrung nach ernähren sich Veganer aber sehr bewusst und wissen Bescheid. Für Kinder, Heranwachsende und Schwangere halte ich die vegane Ernährung aber für ungeeignet.
Wie wichtig sind Bio-Produkte?
Ritter: Mit dem Bio-Siegel haben wir durch seine strengen Reglementierungen einen Garanten für Qualität, ohne Frage. Meiner Erfahrung nach schätzen die Verbraucher hierzulande jedoch die Regionalität höher als das Bio-Siegel. Und natürlich: Kaufe ich Produkte, die hier vor der Tür erzeugt worden sind, habe ich volle Reifung, den vollen Vitamin- und Mineralgehalt, da nichts nachreifen muss. Unter diesem Aspekt lohnt es sich auch, saisonal einzukaufen. Das heißt zum Beispiel: keine Erdbeeren an Weihnachten.
Bio einzukaufen bedeutet ja auch zuweilen recht teuer einzukaufen?
Ritter: Das ist allerdings ein Argument. Wem diese Preise zu hoch sind – ich denke da beispielsweise an eine vier- oder fünfköpfige Familie –, der soll dann doch lieber auf Obst und Gemüse aus konventionellem Anbau zurückgreifen, bevor er ganz auf diese Produkte verzichtet.
Es gibt lactosefrei, glutenfrei . . . ? Ein überflüssiger Hype oder wie sinnvoll ist „Frei von“?
Ritter: Für Menschen, die diese Lebensmittel benötigen, sind sie wichtig und wertvoll, für Menschen ohne Unverträglichkeiten sind sie unsinnig. Ich beobachte, dass Menschen sich vorsorglich lactose- oder glutenfrei ernähren. Das ist sehr ungünstig. Ein Beispiel: Wer Lactose verdauen kann, also über genügend Spaltenzym Lactase im Körper verfügt, sich dann aber lactosefrei ernährt, signalisiert seinem Körper: „Das Enzym Lactase wird nicht benötigt. Du brauchst es nicht mehr bereitzustellen.“ So kann man eine Lactoseintoleranz erzeugen. Nun sind Begleiterscheinung der Lactoseintoleranz mit Blähungen und Durchfall zwar lästig, aber nicht schädlich, anders sieht es bei der Glutenunverträglichkeit aus. Zum einen ist die Diagnose nicht einfach. Dabei wird nach Antikörpern geschaut, die unter einer glutenfreien Ernährung zurückgehen. Aber: Gluten ist ein guter Stoff, er „füttert“ gute Darmkeime. Außerdem sind glutenfreie Getreide ballaststoffarm. Also: Nur bei sicherer Diagnose auf Gluten verzichten.
Kann man gut essen lernen?
Ritter: Ja. Kinder sind von Natur aus neugierig und offen. Wir sollten in unseren Bildungseinrichtungen an das Thema Nahrung und Nahrungszubereitung gehen. Starten sollte das im Kindergarten, und das Schulfach Kochen ist längst überfällig. bob
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