Die Ernte war wegen der Nässe schwierig – „Mit einem blauen Auge davongekommen“
Übervolle Äste, die manchmal unter dem Gewicht ihrer Früchte brechen: Die Streuobstwiesen erinnern dieses Jahr ans Schlaraffenland. Auch ansonsten sei die Landwirtschaft trotz der schwierigen Wetterverhältnisse mit einem blauen Auge davongekommen, sagen Bauern aus der Region. Zu schaffen machen ihnen aber die Preise, die auch aufgrund der Sanktionen gegen Russland im Keller sind.
Thomas Klein vom Erlenhof in Wernau nimmt die Wetterkapriolen mit Humor. „Das hat umgekehrt gepasst“, sagt er bezogen aufs Getreide: Nach der Aussaat blieb es lange zu trocken, dann regnete es viel zu viel. Dennoch ist Klein, der jedes Jahr 500 bis 600 Tonnen Gerste, Weizen und Triticale – eine Kreuzung aus Weizen und Roggen – für die Schweine und Pferde auf seinem Hof braucht, unterm Strich zufrieden. Zumal er die Ernte noch vor dem Beginn der Regenperiode und damit trocken genug für die Lagerung unter Dach und Fach hatte. Aktuell steht der Mais zur Ernte an und sehe gar nicht schlecht aus, erklärt der Wernauer Landwirt.
Auch bei Karl-Heinz Schaller auf dem Burghof in Neuhausen kam der Lohnunternehmer mit dem Mähdrescher rechtzeitig und brachte das Getreide trocken ein. Schaller kann sich also mit dem Verkauf Zeit lassen, denn „im Moment sind die Preise unten“. Nach seiner Erfahrung steigen sie aber in den kommenden Monaten wieder an. „Überraschenderweise war der Ertrag doch in Ordnung“, zieht er Bilanz.
Der Landkreis Esslingen sei „im Großen und Ganzen mit einem blauen Auge davongekommen“, meint Michael Zimmermann, der Landwirt auf dem Schlossgut Köngen und einer der beiden Vorsitzenden des Kreisbauernverbandes ist. Bei Mais und Hackfrüchten habe die Witterung gepasst. Die Obsternte sei überall dort gut gewesen, wo Hagelschäden ausblieben. So zum Beispiel in Owen bei Obstbauer Tobias Schmid. Zwar hängen die Bäume im Tafelobstbau nicht gar so voll wie auf den Streuobstwiesen, sagt er, aber der Ertrag sei „relativ gut“ und der Geschmack „richtig gut“. Schmid baut gängige Sorten wie Elstar und Gala an. Die Niederschläge im Juli und August hätten den Äpfeln gut getan und noch mal einen Wachstumsschub bewirkt. Mit den Kirschen, noch vor der Nässeperiode geerntet, war er ebenfalls zufrieden. Hohe Erntemengen drücken allerdings den Preis, die Sanktionen gegen Russland kommen hinzu: Wenn Obst und Gemüse aus Polen und seinen europäischen Nachbarländern nicht mehr nach Russland exportiert werden darf, landet es auf dem hiesigen Markt und vergrößert das Angebot.
Die Gemüse- und Kartoffelbauern plagte auch der nasse Boden sehr. „Es war schon sehr, sehr beschwerlich“, sagt Lore Sohn vom Mettinger Gemüsehof. Blieb es zwischendrin mal drei Tage trocken, mussten alle verfügbaren Kräfte zur Ernte raus und vollen Einsatz bringen. Heilfroh sei man gewesen, als die Kartoffeln eingebracht waren. Die litten allerdings unter der Feuchtigkeit und hatten teilweise Faulstellen; andere Knollen hatten ein zweites Mal ausgetrieben. Da helfe nur radikales Aussortieren, sagt Sohn. Sie ist froh, dass keine Hagelschäden auftraten und dass Gemüse wie Brokkoli, Bohnen und Blumenkohl durchweg von sehr guter Qualität sei. Auch dem Sellerie mache Nässe nichts aus, bestätigt Karl Schumacher von den Wangerhöfen in Köngen, der sei eine „Wasserpflanze“. Bei der Ernte brauche man allerdings halbwegs trockenen Boden. Ausfälle hatte Schumacher wie viele andere beim Salat, der teilweise faulte. Dafür seien „die Kohlgemüse durch den vielen Regen sehr gut gewachsen“ – die Haupternte der lagerfähigen Herbstsorten beginnt jetzt.
Erntezeit ist auch für Kürbisse, die heuer „alle ein bisschen kleiner als letztes Jahr“ seien, so Michael Mimich von Henzlers Rammerthof in Nürtingen-Raidwangen. Offensichtlich hat ihnen die Wärme gefehlt. Text/Foto: aia