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Die Esslinger Stadtfinanzen haben sich weit positiver entwickelt als vorhergesagt – Gemeinderat sieht Erklärungsbedarf

Kaum ein Jahr ist vergangen, seit der Oberbürgermeister Matthias Klopfer in einer Brandrede im Esslinger Gemeinderat ein düsteres Bild der städtischen Finanzen gezeichnet hatte. Und noch im vergangenen Oktober hatte Finanzbürgermeister Ingo Rust den Gemeinderat zu massiven Sparbemühungen aufgefordert: „Wir haben noch keinen Plan, wie wir angesichts dieser Umstände einen genehmigungsfähigen Haushalt bekommen können.“ Ein halbes Jahr später haben sich die düsteren Wolken verzogen: Bereits der Jahresabschluss 2021 zeigte ein weit besseres Ergebnis als angekündigt. Und auch der Nachtragshaushalt für 2023 brachte statt des vorhergesagten Minus sogar ein leichtes Plus. Der positive Trend setzt sich nun im vorläufigen Ergebnis 2022 fort. Im Verwaltungsausschuss wurde die positive Entwicklung begrüßt. Den Ratsmitgliedern war aber sofort klar, dass die Diskrepanz zwischen düsteren Prognosen und deutlich positiveren Ergebnissen Erklärungsbedarf birgt.
Eigentlich hatte Finanzdezernent Rust im Etat 2022 ein Minus von 4,3 Millionen Euro vorhergesagt – tatsächlich zeigt sich nun im Rechnungsergebnis ein Plus von 26,5 Millionen Euro. „Das ist ein sehr gutes Ergebnis, das nahe an die Rekordergebnisse der Jahre 2017 und 2018 herankommt“, freut sich Rust. Vor allem die Gewerbesteuereinnahmen wurden deutlich nach oben korrigiert, geplante Ausgaben blieben – auch coronabedingt – aus. So konnte die Stadt ihre Kreditaufnahme reduzieren und nicht genutzte Haushaltsmittel in zweistelliger Millionenhöhe ins folgende Jahr übertragen.
So ist es zu verschmerzen, dass die Ausschüttung aus Fondsanlagen um eine Million Euro niedriger ausfällt. Auch der jüngste Tarifabschluss belastet die Stadt: Für 2023 rechnet Rust mit höheren Personalkosten von drei Millionen Euro, von 2024 an mit mehr als fünf Millionen Euro. Dennoch resümiert er: „In Summe sehen Sie einen zufriedenen Finanzbürgermeister und eine zufriedene Stadtkämmerin.“ Die finanzielle Entwicklung ist so positiv, dass die Stadt die bisher gültige Haushaltssperre demnächst aufheben kann. Auch von der Gefahr, das Regierungspräsidium könne auf einer dauernden Haushaltssperre bestehen, ist keine Rede mehr. Mit dem nächsten Sparpaket kann sich die Stadt ebenfalls mehr Zeit lassen.
Die positive Entwicklung der städtischen Finanzen wurde im Verwaltungsausschuss gern zur Kenntnis genommen. Allerdings ist den Ratsmitgliedern bewusst, dass die Diskrepanz erklärungsbedürftig ist. „Das ist eine so extreme Differenz, dass ich mich frage, wie ernst ich es nehmen muss, wenn bei der nächsten Haushaltsplanung ein Minus droht“, befand Carmen Tittel (Grüne). Bei solch einem Plus im Haushalt hätte die Grünen-Fraktion der Abschaffung des Stadttickets nicht zugestimmt.
Nicolas Fink (SPD) betonte: „Wenn wir im Arbeitskreis Aufgabenkritik wochenlang um fünf Millionen Euro ringen und sagen, dass wir alles machen müssen, damit der Haushalt genehmigungsfähig ist, und wir dann Rekordeinnahmen bei den Gewerbesteuern haben – das kriegt doch kein Bürger zusammen.“ Annette Silberhorn-Hemminger (Freie Wähler) sieht das ähnlich: „Die Dramatik, mit der wir die Haushaltskonsolidierung betrieben haben, findet man in den Zahlen nicht wieder.“ Konservativ zu planen sei gut, „aber nicht zu konservativ“.
Rena Farquhar (FDP) möchte weiter Kurs halten: „Insgesamt sind die Zahlen natürlich sehr positiv, aber die Frage ist, wie wir nach außen kommunizieren, dass wir uns trotzdem immer noch in einer fragilen Situation befinden.“ Tim Hauser (CDU) findet: „Für uns gilt, dass wir weiterhin an der Ausgabenpolitik arbeiten müssen, nicht an der Einnahmepolitik.“ Dagegen sagt Martin Auerbach (Linke): „Es wäre im Nachhinein möglich gewesen, das Stadtticket zu behalten.“ Man müsse überlegen, „ein bisschen Tempo rauszunehmen aus der Sparpolitik“.
Finanzbürgermeister Ingo Rust berichtete im Verwaltungsausschuss, die gute Nachricht von höheren Gewerbesteuereinnahmen sei kurz vor Weihnachten überraschend eingetroffen: „Jetzt haben wir Liquidität, aber keine strukturelle Verbesserung, sondern nur etwas mehr Luft für das dritte Sparpaket. Lassen Sie uns kein Drama daraus machen, wenn wir nicht genau im Plan liegen – weder, wenn wir drunter, noch wenn wir drüber liegen.“

meb/adi / Foto. Roberto Bulgrin


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