Der Musberger Ringer Frank Stäbler wird als erster deutscher Ringer Weltmeister in zwei Gewichtsklassen
Nach seinem historischen zweiten WM-Titel plagte Ringer-Champion Frank Stäbler nur noch der Heißhunger. „Ich brauche jetzt unbedingt einen Burger oder ein großes Stück Torte. Aber im Hotel gibt es nichts mehr“, meinte der Griechisch-römisch-Spezialist. Wenige Minuten zuvor hatte der 28-Jährige als erster deutscher Ringer das Kunststück fertiggebracht, zwei WM-Gürtel in zwei Gewichtsklassen (66 und 71 Kilogramm) zu holen. Und das innerhalb von nur zwei Jahren. Kurz vor Mitternacht organisierte sein Manager Jens Zimmermann dann den ersehnten Cheeseburger. Genuss pur nach qualvollen Tagen.
Die Tortur von sechs Kämpfen innerhalb von zehn Stunden hatte Spuren hinterlassen – acht Kilo von der Qualifikation bis nach dem Finalkampf gegen den Kasachen Demeu Schadrajew (8:3). Zur Erinnerung: Um beim offiziellen Wiegen am Abend vor dem Wettkampf auf die geforderten 71 Kilogramm zu kommen, hatte der 28-jährige Musberger in fünf bis sechs Tagen sechs Kilogramm abgenommen. Doch dank der Fleischbrühe von Mama Michaela waren über Nacht pünktlich zum Wettkampf am Montag vergangener Woche in der Qualifikation wieder fünf Kilogramm mehr auf den Rippen. Dann ging es mit dem Gewicht im Laufe des Wettkampfes wieder rapide bergab. Dieses Gewichts-Jojo kennt Stäbler aber seit Jahren. Als er bis zu den Olympischen Spielen in Rio noch im Limit bis 66 Kilogramm startete, musste er in der Regel immer bis zu acht Kilogramm abnehmen, verlor aber auch eine Menge Kraft und Substanz. „Es war immer der schwere Wettkampf vor dem Wettkampf“, erinnert sich der Ausnahmekönner und gab nach seinem Gold-Coup in Paris offen zu: „Die Kraft war irgendwann weg, doch ich habe es irgendwie über die Zeit gebracht.“
Unmittelbar nach dem Finale war Stäbler euphorisch: „Es ist so etwas Großes, Bedeutsames – ich habe alles in die Waagschale geworfen. Nach den ersten 30 Sekunden habe ich gewusst, ich packe es.“ Seinen Heimtrainer Andreas Stäbler – beide sind nicht verwandt – trug der Doppel-Weltmeister danach auf Schultern durch die Arena. „Das Stärkste, was er je gerungen hat, ich verneige mich vor dieser Leistung“, sagte Sportdirekor Jannis Zamanduridis und verwies auf die Brocken, die Stäbler auf dem Weg zum Titel in sechs Kämpfen besiegt hatte. „Alles nur Granaten.“
Nach dem bitteren Verletzungs-Aus bei Olympia in Rio hatte Stäbler gesundheitlich schwer zu kämpfen und war immer wieder gehandicapt. In Paris räumte der 28-jährige Musberger mehrere Weltklasseathleten aus dem Weg: Luis de Leon aus der Dominikanischen Republik vorzeitig mit 9:0, den Olympia-Dritten Rasul Schunajew aus Aserbaidschan (2:1), den Weißrussen Pawel Liach (7:1), den Iraner Abdolhamid Mohammadali (6:3) und im Halbfinale den Moldauer Daniel Cataraga (4:2).
Der Ringer-Weltverband hat für das kommende Jahr neue Regeln beschlossen. So werden die Gewichtsklassen pro Stilart von aktuell acht auf zehn aufgestockt. Zudem sollen die Wettkämpfe auf zwei Tage ausgedehnt werden. Am zweiten Tag, wenn die Finalkämpfe anstehen, wird erneut ein Wiegen absolviert, um die Athleten davon abzubringen, ihr Gewicht so extrem zu reduzieren. Die bislang gängige Praxis sei gesundheitsgefährdend, hieß es vom Verband.
Doch das war in Paris für Stäbler Nebensache. Nach der Feier im Hotel mit seiner Familie und rund 60 mitgereisten Fans suchte er schon die nächste Herausforderung: Die Besteigung des Eiffelturms. Immerhin wollte er den WM-Gürtel vor traditionsreicher Kulisse mit Frau Sandra auch gut in Szene setzen.
Ringen ist einfach alles für den Mann mit dem Irokesenschnitt. Dafür ließ er sogar seinen guten Job als Marketingassistent bei einer IT-Firma sausen und ging in die Bundeswehr-Sportfördergruppe. „Für eine Olympia-Medaille in Tokio ordne ich alles unter. Danach ist Schluss“, verkündete er sein Karriereende für 2020. Der nun verdiente Urlaub auf Lanzarote fiel auch etwas kürzer aus. Denn dieser Tage muss Stäbler zur Grundausbildung bei der Truppe antreten.
Frank Kastner / Foto: dpa