Im Namen des Volkes

Schöffen für die nächste Amtsperiode gesucht – Gesunder Menschenverstand und Lebenserfahrung gefragt – Große Verantwortung


Derzeit werden wieder Schöffen gesucht – ehrenamtliche Richter, für einen Zeitraum von fünf Jahren, die an Gerichtsprozessen teilnehmen und Urteile fällen. Die Richter ohne Robe tragen eine große Verantwortung. Sie sollen die Stimme des Volkes bei der Rechtsprechung sein.
Auch Annemarie Branke, die stellvertretende Leiterin der Stabsstelle Recht in der Stadtverwaltung Kirchheim , sammelt derzeit Bewerbungen und Vorschläge für das Schöffenamt. Die Periode beginnt am 1. Januar 2019 und dauert bis Ende 2023. Kandidaten müssen mindestens 25 und dürfen höchstens 69 Jahre alt sein, sie müssen deutsche Staatsbürger sein und in diesem Fall in Kirchheim wohnen.
„Es ist in Kirchheim nicht schwer, Menschen zu finden, die sich für das Schöffenamt interessieren“, sagt Branke. „Wir haben so viele engagierte und interessierte Bürger hier.“ Letztlich hat Branke, wie sie sagt, immer mehr Bewerber als freie Stellen. Kandidaten melden sich entweder selbst – laut Branke sind das in Kirchheim die meisten. Oder sie werden vorgeschlagen. Das übliche Verfahren ist, die Kandidaten dem Gemeinderat vorzuschlagen. Werden die Personen akzeptiert, wird die Vorschlagsliste offen ausgelegt, um eventuelle Einsprüche möglich zu machen. Bis zum 22. Juni müssen die Namen an das zuständige Landgericht übermittelt werden. Dort werden sie von einem Schöffenwahlausschuss gewählt. Wer tatsächlich Schöffe wird, darauf haben Gemeinden und Kommunen keinen Einfluss mehr.
Voraussetzung ist neben der deutschen Staatsangehörigkeit das Beherrschen der deutschen Sprache. Wer zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde, ist von der Wahl ausgeschlossen. Ebenfalls diejenigen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen einer schweren Straftat läuft.
Auch hauptamtlich für die Justiz Tätige wie Richter, Rechtsanwälte, Polizeivollzugsbeamte oder Bewährungshelfer sowie Religionsdiener dürfen nicht zu Schöffen gewählt werden.
Schöffen sollten über soziale Kompetenz verfügen, das heißt, das Handeln eines Menschen in seinem sozialen Umfeld beurteilen können. Von ihnen werden Lebenserfahrung und Menschenkenntnis – zum Beispiel aus beruflicher Erfahrung oder aus gesellschaftlichem Engagement – erwartet. Die ehrenamtlichen Richter müssen anhand von Zeugenaussagen, Gutachten oder Urkunden beurteilen, ob sich ein bestimmtes Geschehen, wie in der Anklage behauptet, ereignet hat. Schöffen in Jugendstrafsachen sollen in der Jugenderziehung über besondere Erfahrung verfügen.
Neben Unparteilichkeit, Selbstständigkeit und Reife im Urteilsvermögen sind auch geistige Beweglichkeit und – wegen des anstrengenden Sitzungsdiensts – gesundheitliche Eignung für Schöffen unabdingbar. Juristische Kenntnisse sind für das Amt jedoch nicht erforderlich. Sie erhalten eine ausführliche Einweisung und bekommen Seminare zur Fortbildung angeboten.
Edith Steinhilber aus Ostfildern ist seit fast zehn Jahren Schöffin beim Landgericht. Steinhilber wollte in ihrem Ruhestand etwas Sinnvolles und Anspruchsvolles tun. „Das Amt ist anspruchsvoll und die Tätigkeit ist bereichernd“, zieht Steinhilber für sich Bilanz. Klar war für sie auch immer: „Man muss diese Aufgabe sehr ernst nehmen und man hat damit große Verantwortung übernommen.“ Schließlich entscheide man über das Leben von Menschen. „Man kann sich nicht einfach nur so reinsetzen“, ergänzt Steinhilber, die wegen eines Gerichtstermins schon einmal einen Urlaub nicht verlängert hat. „Die Freunde blieben, ich fuhr allein nach Hause, weil ich Verhandlungstag hatte.“
Da in den Verhandlungen ein Berufsrichter und zwei Schöffen sitzen und für jede Verurteilung und jedes Strafmaß eine Zweidrittelmehrheit ausreicht, können zwei Schöffen einen Richter durchaus überstimmen. Robert Gundelach, der Landesvorsitzende des Bunds ehrenamtlicher Richterinnen und Richter und selbst Schöffe am Amtsgericht, betont: „Schöffen sind keine nur Dabei-Sitzer, keine Bürgerdekoration an den Richtertischen. Dieser Verantwortung muss man sich bewusst sein.“
Doch wie urteilen Laienrichter, die kein Jura studiert haben? „Alle Entscheidungen basieren auf dem Gesetz. Der Berufsrichter wird die Schöffen immer wieder auf die Gesetzeslage hinweisen, auf deren Grundlage das Urteil gefällt wird“, sagt die Volljuristin Branke. Das Prinzip laute immer: „Nulla poena sine lege – keine Strafe ohne Gesetz.“ Die Schöffen sind die Vertreter des Volks in dem wichtigen Prozess der Rechtsprechung. Ein Prinzip, das laut Branke bis in die Zeitrechnung kurz nach Christi Geburt zurückreicht und bis in die Gegenwart Bestand hat. Nur eine Epoche machte eine Ausnahme – das Dritte Reich. Das Prinzip der Schöffen soll und sollte sicherstellen, dass „Im Namen des Volkes“ Recht gesprochen wird.
Auch in Esslingen läuft die Schöffensuche. Die Stadt geht zweigleisig vor: „Wir nehmen die direkten Bewerber auf und wir bekommen Vorschläge vom Gemeinderat“, erklärt Heinz Veres vom Rechtsamt der Stadt, der die Suche koordiniert. 124 Kandidaten wird die Stadt dem Amtsgericht vorlegen. Derzeit liefen die Anmeldungen gut, vor fünf Jahren sei es aber mühseliger gewesen.
Baden-Württemberg verzeichnet eine gute Bilanz, was das Interesse am richterlichen Ehrenamt betrifft: Robin Schray, der Pressesprecher im Justizministerium, erklärt: „Wir haben immer deutlich mehr Bewerber als Stellen.“
Die Auswahl der Schöffen stellt die Kommunen vor Herausforderungen. So warnt der Opferring Rheinland vor den Aktivitäten rechtsgerichteter Gruppen, die ihre Mitglieder aufriefen, sich verstärkt für das Schöffenamt zu bewerben, um so Einfluss auf die Rechtsprechung zu nehmen.
In Kirchheim überprüft man laut Branke Kandidaten daher online, ob Hinweise auf rechtsgerichtete Tendenzen erkennbar sind und weist den Gemeinderat darauf hin.
Edith Steinhilber wird ihr Amt zum Jahresende niederlegen. Zum einen, weil sie dann die Altersgrenze von 70 Jahren erreicht hat, zum anderen, weil die Verantwortung zuweilen doch eine Belastung darstellt. Aber missen wolle sie diese Zeit nicht. bob / Foto: dpa-Zentralbild

Info: www.schoeffenwahl.de


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