Im Tod das Leben feiern

Gunther von Hagens‘ „Körperwelten“ in der Stuttgarter Schleyer-Halle  –  Präsentation mit Untertitel „Zyklus des Lebens“

Seit vergangener Woche macht die Ausstellung „Körperwelten“ von Gunther von Hagens Station in der Stuttgarter Schleyer-Halle. Bis zum 20. Mai zeigen die „Körperwelten“ mit dem Untertitel „Der Zyklus des Lebens“ den Werdegang menschlichen Seins von der befruchteten Eizelle bis zum alternden Menschen. Die toten Körper werden in verschiedenen Posen lebendig, als Sportler, als Arzt, als Musiker. Auch ein Pferd mit Reiter ist dieses Mal zu sehen.

Es sind zwar Leichen, aber sie beleben die Halle 4 der Schleyer-Halle. Die Exponate der „Körperwelten“ haben mehr mit Skulpturen gemein als mit dem, was sie eigentlich sind: tote menschliche Körper, deren Verwesung durch den Austausch der Körperflüssigkeit gegen Kunststoffe gestoppt worden ist und die anschließend präpariert, bemalt und in Posen gesetzt worden sind.

Die Ausstellung zeigt 200 echte menschliche Präparate, darunter sind 20 Ganzkörperplastinate sowie einzelne Organe, Organkompositionen und Körperteile. In der Tat spielen die Exponate das menschliche Leben nach: Zu Beginn des Rundgangs wird der Betrachter mit befruchteten Eizellen und Embryonen konfrontiert, mit einer schwangeren Frau und einem plastinierten Baby. Ebenso zeigt der Rundgang Menschen in ihrem alltäglichen Tun: den Gitarrenspieler, der sich mit der Musik bewegt, den Radrennfahrer, den Herzchirurgen, der sich über einen Patienten beugt. Manche Stationen arbeiten die Muskeln im menschlichen Körper heraus, andere die Faszien, die Blutgefäße oder die Nervenstränge.

Ein Körper hält seine Haut wie einen Mantel in der Hand. Texte neben den Exponaten liefern Erklärungen in Zahlen, Daten und Fakten, aber auch mit Hinweisen auf die Einzigartigkeit menschlichen Lebens.

Die Körper sind die Vermächtnisse sogenannter Körperspender. Ihre Körper vermachen sie dem Plastinationsinstitut in Heidelberg zur Verarbeitung. 8800 Körper hat das Institut bereits erhalten, mehr als 16 000 Spender führt die Kartei.

„Wir haben festgestellt, dass Menschen in der Folge stärker auf ihre Gesundheit achten, wenn sie die Ausstellung gesehen haben“, beschreibt Angelina Whalley Ergebnisse von Umfragen, die die Aussteller regelmäßig unter den Besuchern der „Körperwelten“ durchführen. Die Ärztin ist mit von Hagens verheiratet und hat als Kuratorin auch die Stuttgarter Ausstellung organisiert. Skandale aus früheren Zeiten, als es um Fragen nach der Herkunft der präparierten Leichen ging, gebe es heute nicht mehr. „Diese Diskussionen hat es überdies nur in Deutschland gegeben“, fügt Whalley hinzu.

Für von Hagens und sie geht es darum, hochkomplexe medizinische Themen für Laien verständlich aufzubereiten. „Der Zyklus des Lebens  soll die Besucher daran erinnern, worum es beim Älterwerden geht, und ihnen helfen, ein gesundes langes Leben zu führen“, schreibt  von Hagens in seiner Einladung zur Ausstellung. Die Präsentation will laut Whalley auch den Einfluss von Umwelt und Lebenswandel auf den sich entwickelnden und alternden Körper zeigen.

„Wir befinden uns im Grenzbereich von Leben und Tod“, erklärt Franz Josef Wetz, der eine Professur für Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd bekleidet, zur Eröffnung der „Körperwelten“. Die Ausstellung sei weltanschaulich neutral, der Gläubige könne das Wunderwerk Gottes bestaunen, der Agnostiker die Evolution. Wetz gefällt die Reaktion der Besucher: „Die Menschen sind ehrfürchtig, denn sie sehen in einen fremden Körper hinein und sie sehen sich selbst“, sagt Wetz. „Das ergreift und berührt.“ So sah es wohl auch die Schulklasse, die durch die Ausstellung ging. Das „Boah“ und „Iih“ war schnell verebbt. Interessiert betrachteten die Jungen und Mädchen die Exponate. „Nein, eklig ist das nicht, auch wenn man weiß, dass es Leichen sind“, sagte ein Junge. „So seh ich innen auch aus.“     bob / Foto: bob

 

Info: „Körperwelten“ in der Schleyer-Halle, Mercedesstraße 50 in Stuttgart, bis zum 20. Mai, Öffnungszeiten: montags bis freitags 9 bis 18 Uhr, samstags und sonntags 10 bis 18 Uhr; am 24., 25. Dezember und 1. Januar geschlossen. Tickets: Erwachsene 19 Euro, Kinder und Jugendliche 13 Euro, Familien 45 Euro; buchbar unter t 07 11/ 2 555 555 und www.easyticket.de, buchbar sind auch Gruppen- und Schulklassentickets unter t 07 11/ 2 555 545 und unter gruppen@easytickt.de. Während der Ausstellung gibt es Veranstaltungen wie die Vorträge von Mark Benecke, dem TV-bekannten Forensiker, am 6. März oder des Thriller-Autors Simon Beckett am 15. März.


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