Die Plochinger Städtepartner- und -freundschaften leben – Häufig legt die Musik den Grundstein – Historische Verbindung nach Italien
Oft legte Musik den Grundstein, aber auch die Geschichte spielte eine Rolle: Plochingen pflegt drei offizielle Städtepartnerschaften und drei Städtefreundschaften und streckt dabei die Fühler in den Norden, den Osten und den Süden Europas aus.
Über der „Europatür“ im Alten Rathaus rahmen die Wappen der Partner- und befreundeten Städte dasjenige von Plochingen ein. Sie wurden 2007, anlässlich der Feiern zu 50 Jahre Römische Verträge in Europa, am Durchgang zur Außenterrasse direkt auf die Wand gepinselt. Mit Jahreszahlen versehen, geben sie Aufschluss darüber, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Beziehungen entstanden sind.
Nur einmal kam der Anstoß sozusagen „von oben“: Nach der Wende waren die Gemeindeverwaltungen dazu angehalten, die Kommunen im Osten beim Aufbau neuer Strukturen zu unterstützen. Plochingen übernahm deshalb 1990 eine Patenschaft für Luckau in Brandenburg. „Da hat auch jemand aus Plochingen mal ein Dreivierteljahr lang mitgearbeitet“, erinnert sich Kulturamtsleiterin Susanne Martin. Mittlerweile ist aus dem Patenschafts- ein Freundschaftsverhältnis geworden, der Austausch geht auf anderer Ebene weiter – erst kürzlich haben Schulchor und Sinfonieorchester des Plochinger Gymnasiums dort einen Besuch gemacht.
Sonst waren es immer Vereine und Einzelpersonen, die aktiv wurden. So lud Anfang der 60er-Jahre ein ins schwedische Landskrona ausgewanderter Plochinger seine Sängerfreunde vom Josef-Seliger-Chor zu sich ein. Natürlich traten sie auch in Schweden auf – das Samenkorn war gelegt für die Partnerschaft, die 1977 als erste offiziell besiegelt wurde. Sie muss mit rund 1000 Kilometern die größte Entfernung überwinden. Gemessen daran seien die Beziehungen lebendig, findet Susanne Martin, auch wenn sie schon mal intensiver waren. Da spielt auch Persönliches herein – zum schwedischen Vorgänger-Bürgermeister hatte der Plochinger Rathauschef Frank Buß ein ausnehmend gutes Verhältnis, die Nachfolgerin sei weniger am Austausch mit Deutschland interessiert, sagt er. Buß sieht auch die Verwaltungen immer wieder als Impulsgeber und Vermittler zwischen Vereinen und Gruppen und fährt oft mit einer Plochinger Delegation zu offiziellen Anlässen in die Partnerstädte. Die Verwaltung versuche „schon auch, die Partnerschaften mit Leben zu erfüllen“, sagt er.
Der Weg zur Partnerschaft mit Zwettl führte ebenfalls über die Musik: Zur Einweihung der Stadthalle 1979 lud der Musikverein Stadtkapelle sein Pendant aus dem niederösterreichischen Ort, den Musikverein C. M. Zieherer, ein. Bis 1996 hegte man das formlose, „gschlamperte Verhältnis“ fröhlich weiter, um es dann in eine offizielle Partnerschaft umzuwandeln. Spätestens seit 1998 sind die Zwettler in Plochingen bestens bekannt, denn sie hatten während der ganzen Gartenschauzeit ihr Häuschen mit eigenem Personal auf dem Gelände und präsentierten dort ihre Heimatregion, das Waldviertel.
Noch vor dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ machte der Plochinger Posaunenchor 1981 auf Initiative seines damaligen Leiters Dieter Greiner eine Konzertreise nach Ungarn, was in dieser Zeit alles andere als selbstverständlich war. Verschiedene Orte wurden besucht, immer verbunden mit einem Konzert. Darunter war Orszlány, wo die Plochinger besonders herzlich aufgenommen wurden. Die Bürger „haben uns gleich ihre Weinkeller geöffnet und vor der Abfahrt den Bus mit Blumen geschmückt“, erzählt Reiner Nußbaum, der heutige Posaunenchorleiter war damals mit dabei. Einzelfreundschaften entstanden, die teilweise bis heute halten. Der Plochinger Peter Raviol, der bis zum Ruhestand Professor in Ludwigsburg war, hat mit dem Austausch von Studenten und Praktikanten zur Intensivierung der Beziehungen beigetragen. „Da sind die persönlichen Beziehungen einfach sehr eng, erfreulicherweise geht das auch schon in die zweite Generation über“, sagt Buß. Seit 2010 ist die Partnerschaft offiziell, und noch immer gelte, so Susanne Martin: „Alle, die aus Orszlány zurückkommen, sind unglaublich beeindruckt von der Gastfreundschaft.“ Beim diesjährigen Marquardtfest haben Mitglieder des Stadtfernsehens von Orszlány einen Film über die Partnerstadt am Neckar gedreht, und direkt im Anschluss brachen einige Plochinger zum Gegenbesuch auf, um sich aktiv an der langen Museumsnacht in Orszlány zu beteiligen. Ebenso treffen sich Ungarn und Plochinger bei Skiausfahrten.
Befreundet ist Plochingen mit Svitavy in Tschechien. Von dort kamen viele der Vertriebenen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg am Neckarknie ansiedelten. „Da hat es dann 1992 nach der Öffnung des Ostens wieder eine Annäherung gegeben“, berichtet Susanne Martin.
Im Fall des norditalienischen Cividale schließlich spielte die Ortsgeschichte die entscheidende Rolle. Der mittelalterliche Ortsherr von Plochingen, Marquardt von Randeck, wurde später Patriarch von Aquileia in Nord-Ost-Italien und hatte seinen weltlichen Sitz unweit davon in Cividale del Friuli. Jedes Jahr wird dort die „Rückkehr des Patriarchen“ als historisches Festspiel gefeiert – eine Parallele zum jährlichen Marquardtspiel in Plochingen. Und wenn in Cividale der „Palio“, ein Stadtwettbewerb, ausgetragen wird, ist regelmäßig ein Bogenschützen-Team vom Neckar dabei. Seit 2003 besteht diese Städtefreundschaft.
Ein Abbild des Schwertes, das der Patriarch einst beim Einzug in Cividale trug, haben die Italiener den Plochingern geschenkt: Diese einzige Replik des Originals hängt im Ratssaal. Aber auch andere Spuren der internationalen Beziehungen finden sich im Stadtbild. An den Plochinger Ortseingängen weisen große Schilder auf die Partnerkommunen hin, jeder der offiziellen Partnerstädte ist eine Straße im neuen Baugebiet Talweg gewidmet. Und zwei Bäume wurden gemeinsam gepflanzt: im Bruckenwasen mit den Ungarn, im Kulturpark Dettinger mit den Österreichern. aia / Foto: aia