Im Zentrum steht der Klimaschutz

Grün-Schwarz stellt Koalitionsvertrag vor – Vorhaben stehen angesichts klammer Kassen  unter  Haushaltsvorbehalt

Es waren offenbar recht harmonische Gespräche, die Grüne und CDU in den vergangenen Wochen geführt haben. Nachdem die beiden Partner nach der Landtagswahl im März den Willen zur Fortsetzung der Koalition bekräftigt hatten, haben sie in der vergangenen Woche das Vertragswerk präsentiert. „Jetzt für morgen. Der Erneuerungsvertrag für Baden-Württemberg“ ist dieses überschrieben. Dem Klimaschutz wird im Koalitionsvertrag oberste Prämisse eingeräumt. Doch nicht nur dort zu setzende Akzente stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt. Die in Corona-Zeiten leer gefegte Landeskasse schränkt den Handlungsspielraum gewaltig ein und birgt in der Folge bereits jetzt Zündstoff für die neue Koalition – trotz aller zur Schau gestellten Harmonie.

Winfried Kretschmann ist sich der Problematik bewusst. „Regieren ist halt kein Ponyhof“, sagte der Grünen-Ministerpräsident bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags auf dem Campus Vaihingen der Uni Stuttgart vergangenen Mittwoch. Nach den jüngsten Prognosen fehlen in den nächsten drei Jahren jeweils etwa vier Milliarden Euro im Haushalt. Trotzdem soll vom Schmieden des Regierungsbündnisses ein Signal des Aufbruchs ausgehen. So soll sich der  Südwesten zum „Klimaschutzland Nummer eins in Deutschland und Europa“ entwickeln. Manches wird dabei den Haushalt nicht belasten, etwa die Pflicht zu Fotovoltaikanlagen beim Neubau von Privathäusern oder der grundlegenden Sanierung von Dächern. Grün-Schwarz will, dass in Baden-Württemberg künftig insgesamt ökologischer gebaut wird. Mit der Nahverkehrsabgabe wird Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, von Autofahrern oder allen Bürgern Einnahmen zu erzielen, die in  den ÖPNV fließen. Bundesweit will sich Grün-Schwarz für eine Lkw-Maut auch auf Landes- und Kreisstraßen einsetzen.  Landeseigene Flächen sollen als Windkraftstandorte angeboten werden. Spätestens im Jahr 2040 soll Baden-Württemberg klimaneutral sein. Laut CDU-Landeschef Thomas Strobl will die Koalition in den kommenden  fünf Jahren eine „enkelgerechte“ Politik machen. Es gehe darum, Ökonomie und Ökologie zu versöhnen.

Auch den Ausbau des schnellen Internets zählt die Koalition zu ihren vordringlichen Aufgaben. Besonders von der Coronakrise betroffenen Branchen soll schnell wieder auf die Beine geholfen werden. Die Landwirtschaft soll nachhaltiger werden, etwa mit einer Reduktion beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und mit verstärktem Tierschutz. Auch soll mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen. Zudem ist ein verpflichtender Hundeführerschein für  die Besitzer der Vierbeiner geplant.

Die Haushaltslage hat auch Folgen für das Personal. Im Koalitionsvertrag heißt es, dass „in Summe hinsichtlich Anzahl und Kosten keine Neustellen in der Landesverwaltung zu schaffen“ seien. Allerdings: Die Polizei soll personell und technisch „weiter kräftig“ gestärkt werden.

Trotz klammer Kassen schafft Grün-Schwarz ein zusätzliches Ministerium für Wohnen und Landesentwicklung. Das neue Ressort soll von der CDU geführt werden. „Wohnen gehört zu den ganz zentralen Aufgaben der Zukunft“, rechtfertigte Kretschmann die Entscheidung. Insgesamt führen die Grünen sechs Ministerien – darunter erstmals das  Kultusministerium –, die CDU wird an der Spitze von fünf  Ressorts stehen.

Die finanziellen Schwierigkeiten würden aber keinen politischen Stillstand verursachen, sagte Kretschmann: „Es ist ja nicht so, dass wir kein Geld haben.“ Das Land verfüge nach wie vor über einen Haushalt von 50 Milliarden Euro. Beim Thema Nachhaltigkeit gehe es auch um das Thema Finanzen, sagte Strobl.

Am Samstag haben Grüne wie CDU auf Parteitagen den Koalitionsvertrag gebilligt. An diesem Mittwoch soll  der 72-jährige Kretschmann zum dritten Mal zum Regierungschef gewählt werden.  ch / Foto: Universität Stuttgart/Max Kovalenko


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