Kriminalitätsrate im Landkreis Esslingen liegt trotz Anstiegs unter dem Landesdurchschnitt – Gewalt gegen Polizeibeamte nimmt zu – Weiterhin viele Wohnungseinbrüche

Die Entwicklung hat zwar ihre negativen Seiten, und doch lebt es sich im Landkreis Esslingen nach wie vor relativ sicher. Das zumindest legen die Zahlen dar, die das Polizeipräsidium Reutlingen in seiner Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2019 vor Kurzem präsentiert hat. Demnach liegt die Kriminalitätsrate unter dem Durchschnitt des Landes Baden-Württemberg, ist aber im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Auffallend: Betrügereien am Telefon, Wohnungseinbrüche und Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte haben zugenommen.
Die Polizei hat im Kreis Esslingen im vergangenen Jahr 25 743 Straftaten gezählt, das entspricht einer Häufigkeit von 4822 Straftaten je 100 000 Einwohnern (plus 4,9 Prozent). Zum Vergleich: Im gesamten Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen, zu dem neben Esslingen die Landkreise Reutlingen und Tübingen sowie seit Januar dieses Jahres der Zollernalbkreis gehören, wird die Quote mit 4471 Straftaten pro 100 000 Einwohner angegeben. Und dennoch liegt auch der Kreis Esslingen unter dem Landesdurchschnitt (5184 Straftaten je 100 000 Einwohner). Der Landeswert liegt auf dem niedrigsten Stand seit Mitte der 80er-Jahre. „Unsere Bürgerinnen und Bürger leben in einer sehr sicheren Region“, sagte Alexander Pick, Präsident des Polizeireviers Reutlingen. Allerdings sank die Aufklärungsquote laut Polizei „signifikant“ von 60,9 auf 56,8 Prozent.
Verantwortlich für den Anstieg der Straftaten ist insbesondere der sprunghafte Anstieg im Bereich Telefonbetrug. Dort hechelt die Polizei zudem den Tätern häufig vergeblich hinterher, was wiederum den Rückgang bei der Aufklärungsquote erklärt. Für Pick ist dies ein statistischer Effekt und kein Beinbruch: „Durch unsere intensiven Präventionskampagnen auf diesem Betrugssektor folgen immer mehr Menschen unserer Bitte, der Polizei auch kurze, erfolglose Kontaktversuche der Gauner zu melden. Und das ist gut so.“
Nachdem die Zahl der Wohnungseinbrüche in den Jahren zuvor zurückgegangen war, ist diese 2019 im Kreis Esslingen um 20,5 Prozent auf 423 gestiegen. Ab Herbst haben Einbrecher wieder vermehrt zugeschlagen. Die Aufklärungsquote sank hier von 17,7 auf 6,4 Prozent. Und das, obwohl die Polizei ihre Kontrollen verstärkt hat. „Die Täter sind teilweise hochprofessionell und reisen zum Teil eigens ins Bundesgebiet ein“, machte Pick klar. Neben der Abschreckung setze man auf Prävention. In knapp der Hälfte der Fälle seien die Täter beim Einbruchsversuch gescheitert. „Ein Beleg dafür, wie wichtig eine wachsame Nachbarschaft und technischer Einbruchsschutz sind“, sagte Pick. Die Polizei bietet hierzu regelmäßig kostenlose Beratungen an und appelliert an die Bürger, wachsam zu sein. Bei verdächtigen Wahrnehmungen gelte es schnell die 110 zu wählen.
Deutlich mehr Sexualdelikte
In einem anderen Bereich, der das Sicherheitsgefühl der Bürger auch in besonderem Maß beeinflusst, gab es im Kreis Esslingen ebenfalls einen markanten Anstieg: bei den Sexualdelikten. Diese nahmen um 27,3 Prozent auf 382 Fälle zu, was einem Höchststand in der Fünf-Jahres-Betrachtung entspricht. In der Stadt Esslingen stieg die Zahl der Sexualdelikte um 21 auf 79. Dass deren Zahl in Neckartenzlingen von sechs auf 60 stieg, lag vor allem an einem Beschuldigten, dem 44 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern per Internetchat vorgeworfen werden.
Bei den ermittelten Tatverdächtigen fällt auf, dass die Zahl der Heranwachsenden im Alter von 18 bis 21 Jahren erneut deutlich abgenommen hat – um 8,7 Prozent auf 956. Bei Kindern und Jugendlichen gab es hingegen Zuwächse. Drei Viertel aller Tatverdächtigen waren Männer, 42,4 Prozent Wiederholungstäter. In 67 Fällen wurden Schusswaffen mitgeführt, zehn Mal wurde tatsächlich geschossen. 11,7 Prozent der Tatverdächtigen im Landkreis Esslingen standen unter Alkoholeinfluss, 4,4 Prozent hatten andere Drogen genommen. Der Anteil der von der Polizei als „nicht deutsch“ bezeichneten Tatverdächtigen liegt im Landkreis Esslingen bei 49,7 Prozent (plus 0,4 Prozent). Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass darunter auch die erhebliche Zahl der Verstöße gegen das Aufenthalts-, Asyl- oder Freizügigkeitsgesetz geführt wird, die letztlich nur von Ausländern begangen werden können.
Rechnet man die Verstöße gegen Asylgesetze heraus, ist die Zahl der tatverdächtigen Flüchtlinge im Bereich des Reutlinger Polizeipräsidiums rückläufig. Zu körperlichen Übergriffen kam es bei Flüchtlingen überwiegend innerhalb deren Gruppe, was die Polizei teilweise mit den angespannten Verhältnissen in Sammelunterkünften in Verbindung bringt. Pick bereiten allerdings Serientäter Sorge: „Der Anteil der ‚nicht deutschen’ Tatverdächtigen unter den sogenannten Mehrfach- und Intensivtätern ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.“
Diebstahlsdelikte bilden mit rund 6198 Fällen (2018: 6541) trotz des Rückgangs immer noch den Großteil aller registrierten Straftaten.
Bei den Betrugsdelikten bildete im vergangenen Jahr vor allem die Bekämpfung des sogenannten Callcenter- beziehungsweise Telefonbetrugs einen polizeilichen Schwerpunkt. Nicht zuletzt, weil die Täter insbesondere älteren Menschen immer häufiger zusetzen. Die Betrüger treten als Polizeibeamte, verdeckte Ermittler oder Staatsanwälte auf und versuchen mit Lügengeschichten, an Geld oder Wertsachen der Angerufenen zu gelangen. Daneben treten die meist aus dem Ausland agierenden Täter als angebliche Enkel oder nahe Verwandte auf, die sich in einer Notlage befänden und dringend Geld benötigten. Aber auch Gewinnversprechen, für deren Auszahlung zunächst eine hohe Bearbeitungsgebühr verlangt wird, sind eine gängige Masche.
1,6 Millionen Euro Schaden
Im vergangenen Jahr sind im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen 3312 Telefonbetrug-Fälle (2018: 1451) registriert worden. Bei 92 vollendeten Taten entstand ein finanzieller Gesamtschaden von 1,6 Millionen Euro (2018: 700 000 Euro). In über drei Viertel der Fälle gaben sich die Betrüger als Polizeibeamte aus. Für diesen Bereich wurde eine spezielle Ermittlungsgruppe eingerichtet. Auch wurden gezielt Banken sensibilisiert, beim Abheben hoher Geldbeträge besonders auf ältere Menschen zu achten. Dies habe in mehreren Fällen die Vollendung der Taten im letzten Moment verhindert. Selbst auf Bäckertüten und in Zusammenarbeit mit Taxizentralen, Busunternehmen, Kirchengemeinden und Pflegeeinrichtungen wurde vor den Betrügern gewarnt. Die Eindämmung dieser Straftaten sei ihm eine Herzensangelegenheit, sagte Pick. „Daher nochmals mein Appell: Die Polizei wird nie bei Ihnen anrufen, um Sie über Ihr Vermögen auszufragen oder Sie zur Übergabe von Geld oder Vermögenswerten auffordern. Hier gilt: Sofort auflegen und den Polizeinotruf über 110 wählen.“
Im Bereich der Gewaltkriminalität, zu dem Mord, Totschlag, Raub, gefährliche und schwere Körperverletzung zählen, gibt es im gesamten Gebiet des Reutlinger Polizeipräsidiums einen Rückgang um knapp sechs Prozent auf 1757 Fälle. 43 Tötungsdelikte gab es im vergangenen Jahr in den vier Landkreisen (davon im Kreis Esslingen 18), in 36 Fällen blieb es beim Versuch. Mit Ausnahme je eines versuchten Totschlags in Kirchheim, Tübingen und Albstadt wurden alle Täter ermittelt.
Anhaltend hoch ist das Niveau bei den Fällen von Gewalt gegen Polizeibeamte. Im gesamten Präsidiumsbereich stieg deren Zahl um 42 auf 466, damit setzt sich der seit Jahren anhaltende Trend fort. Bei den Übergriffen wurden 207 Polizisten verletzt, in einem Fall schwer. 78 Prozent der Tatverdächtigen standen unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen. „Tätliche Angriffe auf unsere Einsatzkräfte sind nicht akzeptabel“, verdeutlichte Pick. Aber auch Übergriffe auf Feuerwehrleute, Rettungssanitäter und Angehörige anderer Hilfsorganisationen würden konsequent verfolgt. „Diejenigen, die sich tagtäglich, rund um die Uhr für unsere Sicherheit und Gesundheit einsetzen, verdienen Respekt und Anerkennung“, sagte der Polizeipräsident. Ch / Foto: dpa
Die Kriminalität im Landkreis Esslingen in Zahlen (Bilanz fürs Jahr 2019):
Straftaten gesamt: 25 743 (gegenüber 2018 plus 5,2 Prozent).
Aufklärungsquote: 56,8 Prozent (minus 4,1 Punkte).
Straftaten gegen das Leben: 18 (plus drei).
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: 382 (plus 82).
Diebstahl: 9198 (minus 343).
Wohnungseinbrüche: 423 (plus 20,5 Prozent).
Betrug: 4613 (plus 36,3 Prozent).
Rauschgiftkriminalität: 1461 Straftaten (plus 1,4 Prozent).
Tatverdächtige gesamt: 11 378 (minus 2,5 Prozent); davon unter 21 Jahren 2365 und von der Polizei als „nicht deutsch“ bezeichnete Tatverdächtige 5652 (plus 0,4 Prozent).
Gemessen am Verhältnis der Straftaten zur Einwohnerzahl lebt es sich landkreisweit in Neidlingen am sichersten, gefolgt von Lichtenwald und Altdorf.
Die höchste Kriminalitätsbelastung im Kreis weist erneut Leinfelden-Echterdingen auf, was aber daran liegt, dass darin Delikte am Flughafen und auf der Landesmesse mitgezählt werden. Rechnet man diese heraus, landet die Stadt im unteren Mittelfeld (hochgerechnet 3604 Straftaten je 100 000 Einwohner).