„In Gegensätzen leben“

Stadtmuseum Nürtingen zeigt Ausstellung „Friedrich Hölderlin. Die letzte Nürtinger Zeit“

Die Stadt Nürtingen hatte geplant, den 250. Geburtstag des Dichters Friedrich Hölderlin mit einem Veranstaltungsreigen über das gesamte Jahr hinweg zu feiern. Die strikten Beschränkungen des öffentlichen und damit auch des kulturellen Lebens haben das Vorhaben jedoch jäh gestoppt. Im Nürtinger Stadtmuseum kann nun zumindest die Sonderausstellung „Friedrich Hölderlin. Die letzte Nürtinger Zeit“ besucht werden.

Friedrich Hölderlin verbrachte einen Großteil seiner Kindheit und Jugend, aber auch drei Jahre seines Erwachsenenlebens in Nürtingen. Die Veranstaltungsreihe anlässlich seines 250. Geburtstags musste allerdings kurz nach dem Auftakt vorläufig gestoppt werden. „Das ist bedauerlich, da Kultur von der analogen Begegnung lebt“, sagt Nürtingens Kulturamtsleiterin Susanne Ackermann. Dass nun Museen wieder besucht werden können, sei daher hoch zu schätzen, zumal die aktuelle Ausstellung „Friedrich Hölderlin. Die letzte Nürtinger Zeit“ seine vielleicht wichtigste Schaffensperiode beleuchte.

Die Ausstellung zeigt Aspekte des Lebens, der Arbeit und der fortschreitenden Zerrüttung Hölderlins zwischen den Jahren 1801 und 1804, der Zeit, in der sich Hölderlin „auf dem Höhepunkt seines Schaffens“ bewegte, wie  Museumsleiterin Angela Wagner-Gnan sagt.

Die Schau präsentiert auf großen, wenngleich recht textlastigen Tafeln einen zwischen vielen Widersprüchen zerrissenen jungen Dichter. Literarisch ambitioniert und ökonomisch erfolglos leidet und zerbricht Hölderlin am Spannungsverhältnis zwischen seinem Lebensentwurf als exaltiertem intellektuellen Bohemien und den gesellschaftlichen Konventionen jener Zeit.

Überspanntes Genie

So werde das „Missverhältnis zwischen überspanntem Genie und der Enge der pietistischen Kleinstadt mit hoher sozialer Kontrolle“ deutlich, erläutert Wagner-Gnan. „Die Ausstellung zeigt das Moderne an Hölderlin: In Gegensätzen denken und in Gegensätzen leben, eine moderne Dialektik.“

Dies erschließt sich auch aus der Schautafel, die Hölderlins Liebesbeziehung mit der verheirateten Susette Godard beschreibt. Diese Beziehung verschärft auch die problematische Spannung zwischen ihm und  seiner Mutter, deren pietistisches Weltbild damit unvereinbar ist.

Nürtingens Stadtarchivar Reinhard Tietzen sieht darin auch einen weiteren  Widerspruch. „Der Aspekt der Heimat ist noch wenig beleuchtet. Es ist aber weniger die Stadt als vielmehr die Familie, die ihm Halt versprach“, beschreibt Tietze. In der Familie freilich erfährt Hölderlin nur noch Befremden, während er sich in der Stadt „dem Pöbel exponiert“ sieht.

Phase emsiger Arbeit

So illustriert die Ausstellung eine Phase emsiger Arbeit Hölderlins bei fortschreitendem psychischem Verfall. Er übersetzt das Werk „Antigone“ des griechischen Dramatikers Sophokles und bearbeitet seine „Nachtgesänge“, die im sogenannten „Homburger Folioheft“ niedergelegt sind und schafft damit laut Wagner-Gnan ein „poetisches Gesamtwerk“, das aber auch ein „letztes Aufbäumen seiner dichterischen Kraft“ darstelle.   pst / Foto: pst

Info: „Friedrich Hölderlin. Die letzte Nürtinger Zeit“; Stadtmuseum Nürtingen, Öffnungszeiten der Ausstellung: dienstags, mittwochs und samstags 14.30 bis 17 Uhr, sonntags 11 bis 18 Uhr; mehr unter www.stadtmuseum- nuertingen.de


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